VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_501/2012  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_501/2012 vom 24.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_501/2012
 
Urteil vom 24. Juli 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
 
Gerichtsschreiber Krähenbühl.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Ö.________,
 
vertreten durch Fürsprecher Ismet Bardakci,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozial-versicherungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren, unentgeltliche Rechtspflege),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungs-gerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrecht-liche Abteilung, vom 23. Mai 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 25. Oktober 2011 trat die IV-Stelle Bern - nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren - auf das Gesuch von Ö.________ (Jg. 1965) um berufliche Massnahmen und eine Rente (Neuanmeldung) mit der Begründung nicht ein, eine seit der ersten ablehnenden Verfügung vom 16. Juni 2009 eingetretene, für den Leistungsanspruch wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse sei nicht glaubhaft dargelegt worden.
 
B.
 
Beschwerdeweise liess Ö.________ dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Aufhebung der Verfügung vom 25. Oktober 2011 und die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur Gewährung des rechtlichen Gehörs beantragen; eventuell sei diese anzuweisen, auf sein Leistungsbegehren einzutreten. Zudem liess er darum ersuchen, ihm für das gerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Mit Verfügung vom 23. Mai 2012 wies das kantonale Gericht das letztgenannte Begehren zufolge Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsmittels ab und forderte Ö.________ auf, bis am 29. Juni 2012 einen Kostenvorschuss von Fr. 700.- zu bezahlen.
 
C.
 
Ö.________ lässt gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Verfahren Beschwerde ans Bundesgericht erheben und auch für das bundesgerichtliche Verfahren die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragen; zudem sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
 
Im Hinblick auf das ergriffene Rechtsmittel verfügt das kantonale Gericht am 22. Juni 2012 die Aussetzung der angesetzten Frist zur Leistung des mit der angefochtenen Verfügung vom 25. Oktober 2011 verlangten Kostenvorschusses bis auf weiteres. Dem Bundesgericht beantragt es gleichentags die Abweisung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Eine selbstständig eröffnete Verfügung, mit der im kantonalen Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung abgewiesen wird, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid dar, welcher geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu verursachen (SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49 [Urteil 8C_530/2008 vom 25. September 2008, E. 2]). Auf die Beschwerde, in welcher Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Verfahren gestellt wird, ist daher einzutreten.
 
2.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im invalidenversicherungsrechtlichen Bereich legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung kann es von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
3.
 
3.1 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV). Die unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, auch der bedürftigen Partei den Zugang zum Gericht und die Wahrung ihrer Parteirechte zu ermöglichen. Sie soll sicherstellen, dass jedermann unabhängig von seinen finanziellen Verhältnissen nicht aussichtslose Streitsachen zur gerichtlichen Entscheidung bringen und sich überdies im Prozess, sofern es sachlich geboten ist, durch einen Anwalt vertreten lassen kann (BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2). Für das sozialversicherungsrechtliche Beschwerdeverfahren findet der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand in Art. 61 lit. f ATSG seine gesetzliche Grundlage.
 
3.2 Die normative Frage, ob ein Rechtsmittel aussichtslos sei, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei (vgl. BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136; Urteil 9C_286/2009 vom 28. Mai 2009 E. 2.3 und 3.2.1-3.2.3 [publiziert in: SZS 2009 S. 397]). Rechtsbegehren sind aussichtslos, wenn deren Gewinnaussichten im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung deutlich geringer sind als die Verlustgefahren. Entscheidend ist, ob eine nicht bedürftige Partei sich vernünftigerweise zu einem Prozess entschliessen würde (vgl. BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Die prognostische Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Beschwerde eröffnet dem Sachgericht einen Beurteilungsspielraum, in welchen das Bundesgericht auch bei freier Prüfung der Rechtsfragen nur mit Zurückhaltung eingreift. Erforderlich ist, dass das Sachgericht von anerkannten Rechtsgrundsätzen abgewichen ist, dass es Umstände berücksichtigt hat, die für die Prognose im Einzelfall keine Rolle spielen dürfen, oder umgekehrt Umstände ausser Acht gelassen hat, die hätten miteinbezogen werden müssen (vgl. BGE 133 III 201 E. 5.4 S. 211; 131 III 26 E. 12.2.2 S. 31; 130 III 213 E. 3.1 S. 220). Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, dem Sachgericht vorgreifend zu prüfen, ob das oder die im kantonalen Verfahren gestellten Begehren zu schützen seien oder nicht, sondern lediglich, ob der verfolgte Rechtsstandpunkt im Rahmen des sachlich Vertretbaren liegt beziehungsweise nicht von vornherein unbegründet erscheint (BGE 119 III 113 E. 3a S. 115; vgl. auch Urteil 8C_551/2011 vom 29. September 2011 E. 4.4).
 
4.
 
4.1 Das kantonale Gericht hat seine Qualifizierung der ihm eingereichten Beschwerde als aussichtslos in der angefochtenen Verfügung vom 23. Mai 2012 damit begründet, dass bei den einander gegenüberzustellenden Befundaufnahmen vor der ersten leistungsverweigernden Verfügung vom 16. Juni 2009 und im Rahmen des nunmehr zu prüfenden neuen Leistungsbegehrens offensichtlich bloss von unterschiedlichen ärztlichen Beurteilungen eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Gesundheitszustandes auszugehen sei. Ein Vergleich des in den beiden als massgeblich erachteten Dokumenten - im psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachten des Dr. med. K.________ vom 16. April 2009 und im Austrittsbericht der Psychiatrischen Dienste X.________ vom 9. März 2011 also - geschilderten Psychostatus lässt tatsächlich keine erheblichen Unterschiede erkennen, sodass die vorinstanzliche Bestätigung der von der Verwaltung vertretenen Ansicht, dass keine wesentlichen Veränderungen des Gesundheitszustandes eingetreten seien, vom Bundesgericht nicht als unrichtig oder gar rechtswidrig bezeichnet werden kann. Als Ergebnis einer in diesem Verfahrensstadium vorerst noch summarisch vorzunehmenden Prüfung führt dies ohne Weiteres dazu, dass der Beschwerdeführung prognostisch gesehen kaum Erfolg beschieden sein kann, was sie - entsprechend der angefochtenen Verfügung vom 23. Mai 2012 - als aussichtslos erscheinen lässt.
 
4.2 Der Argumentation in der Beschwerdeschrift ist zwar insoweit beizupflichten, als damit lediglich die Aussichtslosigkeit des der Vorinstanz beschwerdeweise gestellten Eventualantrages geliefert und damit zur materiellen Beurteilung des beschwerdeführerischen Leistungsgesuchs - in prognostischer und summarischer Weise - Stellung genommen wird, der Hauptantrag, die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs zurückzuweisen, jedoch ausgeblendet bleibt.
 
Eine Missachtung seines Anspruches auf rechtliches Gehör, welche zur Aufhebung der Verwaltungsverfügung vom 25. Oktober 2011 führen soll, wollte der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren darin sehen, dass ihm zwei von der IV-Stelle beigezogene Stellungnahmen ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vor Erlass der angefochtenen Nichteintretensverfügung vorenthalten wurden. Zutreffend ist, dass ihm zumindest der Bericht des RAD vom 24. Oktober 2011 erst mit der Verfügung selbst zugestellt wurde und er somit zuvor keine Kenntnis davon haben konnte. Ob ihm auch der noch vor dem Vorbescheid vom 29. April 2011 eingeholte ärztliche Bericht des RAD vom 21. April 2011 erst nach Erlass der Verfügung vom 25. Oktober 2011 bekannt wurde, braucht nicht näher geklärt zu werden. Bei beiden diesen Entscheidungshilfen handelt es sich um blosse Meinungsäusserungen im Sinne einer Empfehlung, ohne dass neue Befunde erhoben worden wären. Ihnen kann jedenfalls nicht der Charakter eines eigentlichen Gutachtens beigemessen werden (vgl. zu den möglichen Aufgabenbereichen der RAD: Art. 49 Abs. 2 und 3 IVV), weshalb zumindest fraglich bleibt, ob deren Zurückhaltung überhaupt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gleichzusetzen wäre. Aber auch wenn eine solche bejaht würde, könnte sie jedenfalls nicht als derart schwerwiegend betrachtet werden, dass sie eine Rückweisung zu nochmaligem Entscheid unter Einhaltung der verfahrensmässigen Anforderungen rechtfertigen würde. Vielmehr wäre eine Heilung im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren, in welchem eine mit uneingeschränkter Überprüfungsbefugnis ausgestattete Gerichtsinstanz zuständig ist, ohne Weiteres möglich, was - wie der Vernehmlassung des kantonalen Gerichts vom 22. Juni 2012 zu entnehmen ist - von diesem schon aus prozessökonomischen Gründen voraussichtlich auch vorgezogen worden wäre.
 
Der Beschwerdeführer hätte in seiner der Vorinstanz eingereichten Rechtsschrift Gelegenheit gehabt, sich zum Beizug der beiden zur Diskussion stehenden RAD-Berichte und deren Auswirkungen auf die Entscheidfindung zu äussern. Angesichts der in materieller Hinsicht an sich klaren Sachlage erübrigte sich somit die beantragte Rückweisung an die Verwaltung von vornherein, weshalb auch dieses formelle Beschwerdebegehren als aussichtslos zu werten ist.
 
5.
 
5.1 Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bieten dem Bundesgericht somit keine Veranlassung, die angefochtene vorinstanzliche Verfügung vom 23. Mai 2012 antragsgemäss aufzuheben. Die Beschwerde ist vielmehr als offensichtlich unbegründet im Sinne von Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen.
 
5.2 Das Gesuch um aufschiebende Beschwerdewirkung ist bereits dadurch gegenstandslos geworden, dass das kantonale Gericht - nachdem es vom ergriffenen Rechtsmittel ans Bundesgericht Kenntnis erhalten hatte - die zur Bezahlung des verlangten Kostenvorschusses gesetzte Frist mit Verfügung vom 22. Juni 2012 bis auf weiteres ausgesetzt hat. Dem Beschwerdeführer muss die Möglichkeit eingeräumt werden, den vom kantonalen Gericht verlangten Kostenvorschuss noch zu bezahlen, wofür es ihm eine neue Frist anzusetzen haben wird.
 
6.
 
Als von vornherein aussichtslos muss auch die Beschwerde ans Bundesgericht bezeichnet werden, weshalb die hier beantragte unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der unentgeltlichen Verbeiständung abzuweisen ist. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird hingegen abgesehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 24. Juli 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).