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Informationen zum Dokument  BGer 1B_222/2012  Materielle Begründung
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BGer 1B_222/2012 vom 19.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_222/2012
 
Urteil vom 19. Juli 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. B.________, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. D.________,
 
2. C.________,
 
3. D.________,
 
4. E.________,
 
Beschwerdegegner,
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Nichtanhandnahme,
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. März 2012 des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ und B.________ haben am 1. Mai 2001 in Bern geheiratet. Die Ehe wurde vom Gerichtspräsidenten 8 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen, E.________, am 10. Juli 2006 auf Klage von A.________ hin geschieden.
 
Mit Eingaben vom 8. November sowie vom 13. und 23. Dezember 2011 reichte A.________ Strafanzeigen gegen B.________, ihren Sohn C.________, ihren Rechtsanwalt D.________ sowie gegen alt Gerichtspräsident E.________ ein wegen mehrfacher Ehe (Art. 215 StGB), Urkundenfälschung (Art. 251 StGB), Verleumdung (Art. 174 StGB), falscher Beweisaussage (Art. 306 StGB), Namensverweigerung (Art. 15a des zwischenzeitlich ausser Kraft gesetzten kantonalen Einführungsgesetzes zum StGB bzw. Art. 15 des Gesetzes über das kantonale Strafrecht vom 9. April 2009), evtl. Täuschung der Behörden (Art. 118 des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005; SR 142.20) und Amtsmissbrauchs (Art. 312 StGB).
 
Seiner ehemaligen Frau warf A.________ im Wesentlichen vor, sie sei am 1. Mai 2001, als sie ihn geheiratet habe, mit Z.________ verheiratet gewesen, was sie ihm und den schweizerischen Behörden verschwiegen hätte. Der wahre Name ihres Sohnes C.________ sei Y.________; sie habe dessen Identität fälschen lassen, um ihre vorbestehende Ehe zu vertuschen. B.________ und ihr Anwalt hätten zudem im Scheidungsverfahren verschiedene verleumderische Behauptungen aufgestellt. E.________ warf er vor, ohne ausreichende Beweise geurteilt und seine grundlegenden Rechte verletzt zu haben.
 
Am 5. Januar 2012 nahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern das Verfahren nicht an die Hand.
 
Am 14. März 2012 wies das Obergericht des Kantons Bern die Beschwerde von A.________ gegen diese Nichtanhandnahmeverfügung ab.
 
B.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ sinngemäss, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Verfahren wieder an die Hand zu nehmen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
 
C.
 
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. E.________ beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. B.________, C.________ und Rechtsanwalt D.________ stellen den gleichen Antrag.
 
Das Obergericht verzichtet auf Replik. A.________ hält an der Beschwerde fest.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid bestätigt, dass das vom Beschwerdeführer angestrebte Strafverfahren nicht an die Hand genommen wird. Er schliesst damit das Verfahren ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer wirkte am kantonalen Verfahren als Privatkläger mit. Die Vorinstanz bezeichnet ihn zwar nicht ausdrücklich als solchen, sondern als "Anzeiger/Beschwerdeführer". Sie bejahte indessen gestützt auf Art. 382 Abs. 1 StPO ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung (angefochtener Entscheid E. 2 S. 2), womit sie ihn implizit als Partei und Privatkläger anerkannte (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Das trifft unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen grundsätzlich zu.
 
1.1 Seiner ehemaligen Ehefrau wirft der Beschwerdeführer Bigamie im Sinn von Art. 215 StGB vor, da sie im Zeitpunkt der Eheschliessung mit ihm bereits verheiratet gewesen sei. Diese Bestimmung schützt das Institut der monogamen Ehe bzw. der monogamen eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. A. Basel 2007, N. 3 zu Art. 215). Der Beschwerdeführer begründet nicht, inwiefern sich der angefochtene Entscheid in diesem Punkt auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann. Das ist auch nicht ersichtlich. Deshalb ist auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten.
 
Das schadet dem Beschwerdeführer allerdings im Ergebnis insofern nicht, als Art. 215 StGB ein Zustandsdelikt (BGE 105 IV 326 E. 3b) und damit mit dem Eingehen der (zweiten) Ehe abgeschlossen ist. Dementsprechend wäre das am 1. Mai 2001 begangene Delikt, wie die Vorinstanz zutreffend darlegt (E. 5 S. 4), ohnehin verjährt.
 
1.2 Der Beschwerdeführer wirft seiner ehemaligen Frau vor, unwahrheitsgemäss behauptet zu haben, mehrere Gemälde in seiner Wohnung seien ihr Eigentum. Diese Behauptung habe sie mit einer Bestätigung der Erdöl-Universität Xi-An vom 23. Mai 2005 belegt, welche Rechtsanwalt D.________ mit einem Begleitschreiben eingereicht habe.
 
Die Staatsanwaltschaft hat diesen Sachverhalt in der Nichtanhandnahmeverfügung unter dem Gesichtspunkt der falschen Beweisaussage im Sinn von Art. 306 StGB, das Obergericht zusätzlich unter demjenigen der Urkundenfälschung im Sinn von Art. 251 StGB geprüft.
 
Art. 251 StGB schützt sowohl den Rechtsverkehr mit Urkunden als auch den Einzelnen im privatrechtlichen Geschäftsverkehr (BGE 129 IV 53 E. 3.2; 92 IV 44 E. 2). Der Straftatbestand der falschen Beweisaussage einer Partei schützt zwar in erster Linie das Interesse des Staates an der Wahrheitsfindung im Zivilprozess, daneben aber auch die Interessen Privater, denen die falsche Aussage unmittelbar zum Nachteil gereicht (vgl. BGE 129 IV 95 E. 3.1 zum in dieser Hinsicht gleich gelagerten Art. 307 Abs. 1 StGB). Die mit der Bestätigung der Erdöl-Universität belegte Behauptung, die vom Beschwerdeführer als sein Eigentum beanspruchten Gemälde stünden in Wirklichkeit im Eigentum seiner Ex-Frau, ist offensichtlich geeignet, den Beschwerdeführer unmittelbar am Vermögen zu schädigen. Er ist damit in diesem Punkt zur Beschwerde befugt.
 
1.3 Der Beschwerdeführer warf seiner ehemaligen Frau und ihrem Anwalt in seinen Strafanzeigen vor, im Scheidungsverfahren verschiedene verleumderische Behauptungen aufgestellt zu haben.
 
Geschütztes Rechtsgut von Art. 174 StGB ist die Ehre des Verleumdeten. Die Verurteilung des Verleumders ist geeignet, ihm Zivilansprüche - etwa auf Genugtuung - zu verschaffen. Der Beschwerdeführer ist damit zur Beschwerde befugt.
 
1.4 Zu den weiteren Punkten, in denen das Verfahren nicht an die Hand genommen wurde - z.B. die Vorwürfe gegen E.________ - bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nichts mehr vor, womit diese nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens sind.
 
2.
 
2.1 Die Staatsanwaltschaft nimmt nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO eine Untersuchung u.a. dann nicht an die Hand, wenn aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt sind. Eine Untersuchung darf danach nur dann nicht an die Hand genommen werden, wenn sicher feststeht, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand fällt. Im Zweifelsfall - wenn die Sach- und/oder die Rechtslage nicht von vornherein klar sind - ist eine Untersuchung zu eröffnen (BGE 137 IV 285 E. 2.3 mit Hinweisen auf die Lehre).
 
2.2 In Bezug auf die angeblich unwahren Angaben seiner ehemaligen Frau und ihres Vertreters hat das Obergericht einerseits ausgeführt, in diesem Zusammenhang seien keine Beweisaussagen gemacht worden, womit eine Verurteilung nach Art. 306 StGB von vornherein ausser Betracht falle. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Folgerung in Frage stellen könnte. In Bezug auf den Tatbestand der Urkundenfälschung führt das Obergericht aus, der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass die Bestätigung der Erdöl-Universität Xi-An falsch sei, womit eine Verurteilung nach Art. 251 StGB ausser Betracht falle. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer hat mit ausreichender Deutlichkeit dargelegt, dass die Bestätigung inhaltlich unwahr sei. Die Einreichung einer unwahren Urkunde zur Täuschung des Gerichts über die wahren Eigentumsverhältnisse an den umstrittenen Bildern könnte den Tatbestand von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB erfüllen.
 
Die Nichtanhandnahme ist indessen im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die eingereichte Bestätigung offensichtlich keine Urkunde im Sinn von Art. 110 Abs. 4 StGB darstellt. Urkunde ist ein Schriftstück dann, wenn es nach gesetzlicher Bestimmung oder Verkehrsübung bestimmt und geeignet ist, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (BGE 125 IV 17 E. 2a; 123 IV 61 E. 5a). Im fraglichen Schriftstück wird festgehalten, dass die Mutter von Frau B.________ Rentnerin der Universität sei und mehrere Bilder von einem Onkel geschenkt erhalten habe. Fünf davon habe sie ihrer Tochter weiterverschenkt, die sie in die Schweiz mitgenommen habe, wo sie sich dann in der Wohnung von Herrn A.________ befunden hätten.
 
Es ist nicht nachvollziehbar, wie eine chinesische Universität oder ein mit dieser verbundenes Parteigremium in der Lage sein könnten, sichere Angaben über die Ausfuhr der Bilder und ihren Aufbewahrungsort in der Schweiz zu machen. Zudem ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund sie dies tun sollten, gehört doch das Ausstellen solcher Bestätigungen kaum zum üblichen Aufgabenkreis dieser Institutionen. Vor allem aber ist das Dokument nicht notariell beglaubigt, sodass seine Echtheit nicht feststeht. Es ist unter diesen Umständen nicht geeignet zu beweisen, dass Frau B.________ Eigentümerin der Bilder ist, womit es keine Urkunde darstellt.
 
2.3 Was die Vorwürfe betrifft, seine ehemalige Frau und ihr Anwalt hätten ihn im Scheidungsverfahren (2005 bis 2006) verleugnet, nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Recht nicht an die Hand, weil die erforderlichen Strafanträge innert der dreimonatigen Frist nicht gestellt wurden (Art. 174 StGB i.V.m. Art. 29 aStGB) und die Taten zudem nach Art. 178 Abs. 1 StGB bzw. Art. 178 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 aStGB verjährt wären.
 
Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, die Verleumdungen seien zwar während des Scheidungsverfahrens vorgebracht, aber nie zurückgezogen worden. Das mag sein. Verleumdung ist indessen kein Dauerdelikt (BGE 93 IV 93), womit die Verjährung mit dem Tag beginnt, an dem die strafbare Handlung ausgeführt wurde (Art. 98 lit. a StGB bzw. Art. 71 aStGB). Allfällige im Scheidungsprozess vorgetragene Verleumdungen wären damit verjährt. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, seine ehemalige Frau und ihr Anwalt hätten die verleumderischen Aussagen 2008 und im laufenden Verleumdungsprozess P08 10 2583 STN erneut vorgebracht. Diese Vorbringen sind indessen in der Beschwerde ans Obergericht nicht enthalten, weshalb es sich um unzulässige Noven handelt (Art. 99 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.
 
3.
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Von der Zusprechung von Parteientschädigungen kann angesichts des geringen Aufwands und des Umstands, dass Dr. D.________ auch in eigenem Interesse handelt, abgesehen werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Kosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Generalstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 19. Juli 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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