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Informationen zum Dokument  BGer 6B_848/2011  Materielle Begründung
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BGer 6B_848/2011 vom 06.07.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_848/2011
 
Urteil vom 6. Juli 2012
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Denys, Schöbi,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Fristwiederherstellung (schwere Körperverletzung usw.),
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
 
des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 29. November 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Bezirksgericht Uster verurteilte X.________ am 8. September 2011 unter anderem wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Gegen dieses Urteil meldete die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich Berufung an. Die Urteilsbegründung ging bei ihr am 22. September 2011 ein. Die 20-tägige Frist, die Berufungserklärung einzureichen (Art. 399 Abs. 3 StPO), begann am 23. September 2011 und endete am 12. Oktober 2011.
 
Die Staatsanwaltschaft übergab nach eigener Darstellung am 11. Oktober 2011 die Berufungserklärung dem internen Kurierdienst. Diese traf am 13. Oktober 2011 beim Obergericht des Kantons Zürich ein. Darauf hingewiesen, ersuchte die Staatsanwaltschaft um Fristwiederherstellung.
 
B.
 
Das Obergericht wies am 29. November 2011 das Gesuch um Fristwiederherstellung ab und trat auf die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht ein.
 
C.
 
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, wie in jahrelanger, unangefochtener und problemloser Praxis habe sie die Berufungserklärung einen Tag vor Fristablauf dem behördlichen und beamteten internen Kurier übergeben, wobei sie immer davon habe ausgehen können und dürfen, dass die Sendung anderntags beim Obergericht einging. Angesichts dieser bewährten Praxis widerspreche es dem Grundsatz von Treu und Glauben (überspitzter Formalismus), wenn die Vorinstanz Art. 91 Abs. 2 StPO im konkreten Fall derart formstreng und am Buchstaben haftend interpretiere. Zudem könne unter den erwähnten Umständen nicht von einem Verschulden der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Satz 2 StPO ausgegangen werden.
 
1.1 Die 20-tägige Frist des Art. 399 Abs. 3 StPO ist eine gesetzliche, mithin nicht erstreckbare Frist. Eine Wiederherstellung der Frist ist nur unter den Bedingungen des Art. 94 StPO möglich. Deshalb beruft sich die Beschwerdeführerin vergeblich auf das Verbot des überspitzten Formalismus.
 
1.2 Eine Partei kann die Wiederherstellung einer versäumten Frist verlangen, wenn sie unter anderem glaubhaft macht, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs. 1 StPO). Ein Verschulden von Hilfspersonen wie z.B. Boten ist der Partei wie eigenes Verschulden anzurechnen (BGE 114 Ib 67; CHRISTOF RIEDO, Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, Art. 94 N. 58).
 
Die Vorinstanz hält fest, gemäss Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei die Berufungserklärung aufgrund eines Missverständnisses nicht der Post, sondern dem internen Kurier übergeben worden. Somit sei die verspätete Zustellung nicht auf ein aussergewöhnliches Vorkommnis wie Naturereignisse, Unfall oder Krankheit zurückzuführen (angefochtener Entscheid S. 3 lit. c). Diese Feststellungen lässt die Beschwerdeführerin unwidersprochen. Insbesondere legt sie nicht dar, dass der interne Kurier die Frist schuldlos verpasst habe. Folglich hat die Vorinstanz das Gesuch, die Frist wieder herzustellen, zu Recht abgewiesen.
 
2.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Gerichtskosten werden keine erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Da der Beschwerdegegner keine Umtriebe hatte, ist er nicht zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. Juli 2012
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Der Gerichtsschreiber: Borner
 
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