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Informationen zum Dokument  BGer 5A_317/2012  Materielle Begründung
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BGer 5A_317/2012 vom 20.06.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5A_317/2012
 
Urteil vom 20. Juni 2012
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
 
Gerichtsschreiber Levante.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Y.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela Rapold,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Provisorische Rechtsöffnung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, 2. Abteilung, vom 14. März 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Auf Ersuchen der Y.________ AG erteilte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Luzern in der gegen X.________ laufenden Betreibung Nr. 21113962 gestützt auf einen Verlustschein aus einer Pfändung die provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 21'662.50.
 
B.
 
Das Obergericht des Kantons Luzern wies die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. März 2012 ab.
 
C.
 
X.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 3. Mai 2012 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und das Gesuch um provisorische Rechtsöffnung lediglich für den Betrag von Fr. 6'982.75 gutzuheissen. Der Rechtsvorschlag für die Differenz zur erteilten Rechtsöffnung werde zurückgezogen. Es sei festzustellen, dass für den Betrag von Fr. 14'791.75 kein Rechtstitel gegenüber der Beschwerdeführerin bestehe.
 
Die Beschwerdeführerin stellt für das bundesgerichtliche Verfahren das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Es sind keine Antworten eingeholt worden.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid, mithin ein Endentscheid in einer Zwangsvollstreckungssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG; BGE 134 III 141 E. 2 S. 143). Dagegen ist von der Sache her die Beschwerde in Zivilsachen gegeben.
 
1.2 Im konkreten Fall ist die gesetzliche Streitwertgrenze nicht erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Damit ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Dass eine solche vorliegt, wird vom Bundesgericht nur mit Zurückhaltung angenommen. Die Beschwerdeführerin hat die entsprechenden Voraussetzungen darzulegen (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 137 III 580 E. 1.1 S. 582). Im vorliegenden Fall ist ein Rechtsöffnungsentscheid über eine an die Beschwerdegegnerin abgetretene Bankschuld angefochten. Diese wurde seinerzeit in der vom Scheidungsrichter genehmigten Konvention zwischen den Parteien aufgeteilt. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Bundesgericht habe sich zur Tragweite des Scheidungsurteils gegenüber Dritten bisher nicht geäussert. Ob der aufgeworfenen Frage tatsächlich die Bedeutung in der Praxis zukommt, welche ihr die Beschwerdeführerin zumisst, und ob es Aufgabe des Rechtsöffnungsrichters ist, diese zu beantworten, kann letztlich offen bleiben. Angesichts der Streitwertgrenze kann sie dem Bundesgericht zumindest für eine Bankschuld jederzeit unterbreitet werden, womit sich die Annahme einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufdrängt (Urteil 5A_309/2009 vom 9. Juni 2009 E. 1.5). Damit ist auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten.
 
1.3 Die Eingabe der Beschwerdeführerin ist als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen (Art. 113 BGG). Geprüft werden kann indessen nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG). Soweit die Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV) gerügt wird, gelten erhöhte Begründungsanforderungen. Insbesondere ist darzutun, weshalb der angefochtene Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis unhaltbar ist (BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133; 134 I 83 E. 3.2 S. 88).
 
1.4 Soweit die Beschwerdeführerin (wie bereits vor der Erstinstanz) den Rechtsvorschlag in bestimmtem Umfang zurückzieht, liegt kein vom Bundesgericht zu beurteilender Antrag vor. Wohl kann im Rechtsöffnungsverfahren der Rechtsvorschlag zurückgezogen werden (BGE 61 III 66 S. 68). Wenn dies zusammen mit einem Antrag auf Gutheissung des Rechtsöffnungsgesuches erfolgt, muss geklärt werden, was der Schuldner will (vgl. STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 105; D. STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 69 zu 84). Da die kantonalen Instanzen die Eingaben mit dem Antrag auf (teilweise) Gutheissung des Rechtsöffnungsgesuches entgegengenommen haben und dies ohne Beanstandung geblieben ist, besteht kein Anlass mehr, den Rückzug des Rechtsvorschlages zu erörtern.
 
1.5 Das Begehren der Beschwerdeführerin um Feststellung der Nichtschuld im Umfang der Anfechtung der provisorischen Rechtsöffnung würde sodann eine materiell-rechtliche Überprüfung des als Schuldanerkennung geltenden Verlustscheines (Art. 149 Abs. 2 SchKG) erfordern, was im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens bzw. einer rein betreibungsrechtlichen Streitigkeit nicht in Frage kommt (vgl. AMONN/ WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 4 Rz. 51).
 
2.
 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde bildet einzig der Betrag, für welchen die provisorische Rechtsöffnung zu erteilen ist.
 
2.1 Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, so kann der Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung verlangen. Der Richter spricht diese aus, sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldanerkennung entkräften, sofort glaubhaft macht (Art. 82 SchKG). Der Pfändungsverlustschein infolge Pfändung gilt als Schuldanerkennung (Art. 149 Abs. 2 SchKG).
 
2.2 Die Vorinstanz hat darauf hingewiesen, dass die provisorische Rechtsöffnung gestützt auf einen Verlustschein aus einer Pfändung erteilt worden sei. Das Recht der Beschwerdeführerin, alle Einreden aus dem Grundverhältnis vorzubringen, bleibe erhalten, da die Ausstellung des Verlustscheines keine Novation bewirkt habe. Der Beschwerdeführerin könne indes nicht gefolgt werden, wenn sie gestützt auf die richterlich genehmigte Scheidungskonvention vom 7. September 1998 auf der anteilsmässigen Aufteilung der gemeinsamen Bankschuld bestehe. Die dabei getroffene Regelung sehe zwar vor, dass die Beschwerdeführerin einen Drittel und der Ehemann zwei Drittel der Schuld gegenüber der Crédit Suisse übernehme. Mangels Zustimmung der Gläubigerin liege darin aber eine rein interne Schuldübernahme, was durch die vereinbarte Regressklausel bestätigte werde.
 
2.3 Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht die Verletzung der Begründungspflicht vor (Art. 29 Abs. 2 BV), da es auf ihre Argumente im kantonalen Beschwerdeverfahren nicht in allen Teilen eingegangen sei. Sie habe damals ausgeführt, dass die "Umverteilung der Schuld durch den Scheidungsrichter" dazu geführt habe, dass aus der vormaligen solidarischen Schuld der Ehegatten nun zwei Forderungen geworden seien. Es ist richtig, dass aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch die Pflicht der Behörde folgt, ihren Entscheid zu begründen. Sie muss sich dabei allerdings nicht mit sämtlichen Ausführungen der Parteien auseinandersetzen. Vielmehr kann sie sich damit begnügen, auf deren entscheidwesentliche Argumente einzugehen. Zudem muss die Begründung so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheides Rechenschaft geben und in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). Dies ist vorliegend der Fall. Inwieweit die eingangs genannten Darlegungen der Beschwerdeführerin über die Schuldenaufteilung der Ehegatten für den Gläubiger als Dritten von Bedeutung sein sollten, so dass sich das Obergericht damit hätte befassen müssen, ist angesichts seiner ausführlichen Erörterungen der Voraussetzungen einer Schuldübernahme gemäss Art. 176 OR unerfindlich.
 
2.4 Die Beschwerdeführerin macht zwar eine Verletzung von Bundesrecht geltend, ohne jedoch ihrer Begründungspflicht nachzukommen (E. 1.3). So geht aus der Beschwerde nicht rechtsgenüglich hervor, inwieweit die Darlegungen zur Rechtsnatur des Scheidungsurteils den angefochtenen Rechtsöffnungsentscheid im Ergebnis als willkürlich erscheinen lassen. Statt sich mit der vorinstanzlichen Begründung auseinander zu setzen, besteht die Beschwerdeführerin darauf, dass das Scheidungsurteil als Gestaltungsurteil gegenüber jedermann wirke, da es den Personenstand der Betroffenen regle. Es sei mit Blick auf die Rechtssicherheit unergründlich, weshalb die Rechtswirkungen eines solchen Urteils nicht das gesamte Dispositiv umfassen sollte. Diese Ausführungen gehen ebenso an der Sache vorbei wie die Darlegungen zur Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung einschliesslich Schuldenregelung unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen. Schliesslich ist nicht erkennbar, inwieweit die von der Beschwerdegegnerin angehobene Betreibung in den Schutzbereich der ebenfalls angerufenen Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) fallen sollte, zumal es in der Zwangsvollstreckung nicht um Enteignung, sondern um die Verwirklichung der Vermögenshaftung geht (vgl. IQBAL, SchKG und Verfassung [...], 2005, S. 218 ff.).
 
3.
 
Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Sie erwies sich nicht zuletzt aufgrund der weitgehend ungenügenden Begründung von vornherein als aussichtslos, womit dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden kann (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss werden die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
4.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Juni 2012
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Levante
 
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