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Informationen zum Dokument  BGer 1B_323/2012  Materielle Begründung
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BGer 1B_323/2012 vom 06.06.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_323/2012
 
Urteil vom 6. Juni 2012
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Egloff,
 
gegen
 
Y.________, Verfahrensbeteiligte, vertreten durch Rechtsanwältin Esther Küng,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Staatsanwaltschaft Baden, Mellingerstrasse 207,
 
5405 Baden,
 
Bezirksgericht Baden, 2. Abteilung,
 
Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden.
 
Gegenstand
 
Unengeltliche Rechtsverbeiständung; nachträgliches Gesuch betreffend den Beschluss vom 1. September 2011 des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, und das Urteil vom 12. April 2012 des Schweizerischen Bundesgerichts 1B_621/2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Gegen einen Beschluss des Obergerichts vom 1. September 2011 (betreffend Parteistellung im Berufungsverfahren) gelangte Y.________ (als Zivilklägerin) mit Beschwerde vom 4. November 2011 an das Bundesgericht (Verfahren 1B_621/2011). Sie beantragte im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Der ebenfalls anwaltlich vertretene Angeklagte X.________ (privater Beschwerdegegner) stellte in seiner Beschwerdeantwort vom 29. November 2011 folgendes Rechtsbegehren: "1. Die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen; 2. unter Kosten- und Entschädigungsfolge." Mit Urteil 1B_621/2011 vom 12. April 2012 wies das Bundesgericht die Beschwerde kostenfällig ab. Antragsgemäss sprach es dem privaten Beschwerdegegner zulasten der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- (pauschal, inkl. MWST) zu.
 
B.
 
Am 25. Mai 2012 stellte X.________ beim Bundesgericht ein nachträgliches Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Der Rechtsvertreter des Gesuchstellers legt dar, dass andernfalls die Verrechnung der Parteientschädigung mit Zivilforderungen gegen den Gesuchsteller drohe.
 
Da das Gesuch, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, gutgeheissen werden kann (und die Rechtsposition der privaten Verfahrensbeteiligten dadurch nicht geschmälert wird), kann aufgrund der Akten entschieden werden.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der anwaltlich vertretene Gesuchsteller hatte in seiner Beschwerdeantwort vom 29. November 2011 (im Verfahren 1B_621/2011) weder beantragt, eine allfällige Parteientschädigung sei ausnahmsweise direkt seinem Rechtsvertreter zuzusprechen, noch hatte er ein Entschädigungsgesuch im Sinne von Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG stellen lassen, noch Ausführungen betreffend eine drohende Verrechnung von Forderungen (gegen den Gesuchsteller) gemacht. Antragsgemäss (und gestützt auf Art. 68 Abs. 2 BGG) hat das Bundesgericht in seinem Urteil 1B_621/2011 vom 12. April 2012 daher dem Gesuchsteller (Beschwerdegegner) als obsiegender Partei eine Parteientschädigung zugesprochen. Mit nachträglichem Schreiben vom 14. Mai 2012 machte der Rechtsvertreter des Gesuchstellers erstmals geltend, es drohe eine Verrechnung der seinem Mandanten zugesprochenen Parteientschädigung mit Forderungen der Beschwerdeführerin als Zivilklägerin. Am 25. Mai 2012 stellte er ein nachträgliches Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung.
 
2.
 
Die gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 64 BGG wären schon im Verfahren 1B_621/2011 erfüllt gewesen. Das Bundesgericht musste in seinem Urteil vom 12. April 2012 allerdings davon ausgehen, dass der Rechtsvertreter aus der antragsgemäss zugesprochenen Parteientschädigung honoriert werden würde. Gemäss Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG steht dem Anwalt oder der Anwältin ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse zu, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus der zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. Dieser Fall tritt nicht nur ein, wenn sich die Parteientschädigung als uneinbringlich erweist, sondern auch, wenn die Gegenpartei die von ihr geschuldete Parteientschädigung mit eigenen Forderungen gegen die unentgeltlich verbeiständete Partei verrechnet. In beiden Fällen ginge die Rechtsvertretung der bedürftigen Partei ihres Honorars verlustig (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1F_30/2009 vom 15. April 2010 E. 2-3; s. auch Urteile 1F_17/2009 vom 4. November 2009; 1P.411/1998 vom 7. August 1998; 9C_516/2007 vom 4. August 2008 E. 2; THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar BGG, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 64 N. 38).
 
3.
 
Nach dem Gesagten ist das nachträgliche Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutzuheissen und dem Gesuchsteller für das Verfahren 1B_621/2011 eine angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse zuzusprechen. Demgemäss ist die private Verfahrensbeteiligte von der ihr (im Urteil vom 12. April 2012) auferlegten Parteientschädigung zu entbinden. Für das vorliegende Verfahren sind weder Kosten zu erheben, noch Entschädigungen zuzusprechen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Das nachträgliche Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Verfahren 1B_621/2011 wird bewilligt. Rechtsanwalt Viktor Egloff wird als unentgeltlicher Vertreter des privaten Beschwerdegegners im genannten Verfahren bestellt, und es wird ihm aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.-- (pauschal, inkl. MWST) ausgerichtet.
 
2.
 
Die private Verfahrensbeteiligte wird von der ihr im Urteil des Bundesgerichts 1B_621/2011 vom 12. April 2012 auferlegten Parteientschädigung entbunden.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Gesuchsteller, der privaten Verfahrensbeteiligten, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, dem Bezirksgericht Baden und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. Juni 2012
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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