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Informationen zum Dokument  BGer 5A_886/2011  Materielle Begründung
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BGer 5A_886/2011 vom 20.02.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5A_886/2011
 
Urteil vom 20. Februar 2012
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Y.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Metzler,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Persönlichkeitsschutz (Fristwiederherstellung, Rechtsmittelbelehrung),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, vom 30. November 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 24. März 2011 hiess das Bezirksgericht Baden gestützt auf Art. 28b ZGB eine Klage von Y.________ gut und verbot X.________, sich der Klägerin mehr als 200 Meter anzunähern oder sie zu belästigen oder zu kontaktieren. X.________ wandte sich gegen dieses Urteil mit einer Eingabe vom 22. August 2011 an das Obergericht des Kantons Aargau. Mit Beschluss vom 28. September 2011 trat das Obergericht wegen verpasster Rechtsmittelfrist darauf nicht ein.
 
B.
 
Daraufhin gelangte X.________ mit einer als Beschwerde bezeichneten Eingabe vom 9. November 2011 an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Die Eingabe wurde vom Verwaltungsgericht an das Obergericht weitergeleitet, welches sie als Gesuch um Wiederherstellung der Rechtsmittelfrist entgegennahm. Mit Urteil vom 30. November 2011 trat das Obergericht auf das Gesuch nicht ein.
 
C.
 
Am 16. Dezember 2011 erhob X.________ (Beschwerdeführer) gegen das obergerichtliche Urteil vom 30. November 2011 Beschwerde an das Bundesgericht. Sinngemäss beantragt er die Aufhebung dieses Urteils und die Behandlung seiner Eingabe vom 9. November 2011 als Beschwerde an das Bundesgericht. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Auf Aufforderung hin hat er am 9. Januar 2012 Unterlagen zu seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nachgereicht.
 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Angefochten ist binnen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 75, Art. 90 BGG), mit dem die Wiederherstellung einer Rechtsmittelfrist in einer Persönlichkeitsschutzsache (Schutz vor Nachstellungen gemäss Art. 28b ZGB) verweigert wurde. Es liegt demnach eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) ohne Vermögenswert vor, so dass die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich zulässig ist. Im Prozess ging es um die Beurteilung der Unterlassungsklage von Y.________ (Beschwerdegegnerin) im ordentlichen Verfahren und nicht bloss um vorsorgliche Massnahmen. Es können deshalb vor Bundesgericht Beschwerdegründe gemäss Art. 95 ff. BGG geltend gemacht werden.
 
Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.; 134 V 53 E. 3.3 S. 60).
 
2.
 
2.1 Das Obergericht hat ausgeführt, der Beschwerdeführer bringe in seiner Eingabe vom 9. November 2011 im Wesentlichen vor, er habe wegen einer falschen Auskunft des Bezirksgerichts die Rechtsmittelfrist verpasst. Das Obergericht hat seine Eingabe daher als sinngemässes Gesuch um Wiederherstellung der Rechtsmittelfrist behandelt. Es hat in der Folge erwogen, die Frist zur Einreichung eines Wiederherstellungsgesuchs betrage zehn Tage (Art. 148 ZPO) und sie beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Partei wisse oder wissen müsse, dass sie die Frist versäumt habe. Vorliegend sei dem Beschwerdeführer der Beschluss des Obergerichts vom 28. September 2011, mit dem auf seine Eingabe wegen versäumter Rechtsmittelfrist nicht eingetreten worden sei, am 20. Oktober 2011 zugestellt worden. Er habe somit in jenem Zeitpunkt gewusst, dass er die Rechtsmittelfrist verpasst habe. Die Frist für ein Wiederherstellungsgesuch sei am 31. Oktober 2011 abgelaufen, weshalb auch seine Eingabe vom 9. November 2011 verspätet sei und auf sie nicht eingetreten werden könne.
 
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das Obergericht ihn zu Unrecht nicht an das Bundesgericht verwiesen habe bzw. dass es seine Eingabe vom 9. November 2011 an das Bundesgericht hätte weiterleiten müssen. Zur Begründung führt er sinngemäss an, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 28. September 2011 nicht auf die Wiederherstellungsmöglichkeit hingewiesen worden sei, weshalb seine Eingabe vom 9. November 2011 als Beschwerde an das Bundesgericht hätte behandelt werden müssen. Ausserdem sei das Obergericht auf seine Eingabe vom 9. November 2011 wegen Fristversäumnis nicht eingetreten. Es sei missbräuchlich, unter diesen Umständen seine Eingabe nicht als Beschwerde an das Bundesgericht zu behandeln, da die Frist von dreissig Tagen für die Beschwerde an das Bundesgericht gewahrt gewesen sei.
 
2.3 Diese Rüge trifft nicht zu, soweit sie überhaupt genügend begründet wird. Das erste Urteil des Obergerichts in dieser Angelegenheit (Beschluss vom 28. September 2011) enthielt eine Rechtsmittelbelehrung. Darin wurde auf die Beschwerde in Zivilsachen hingewiesen, die an das Bundesgericht zu richten ist. Der Beschwerdeführer hat seine Eingabe vom 9. November 2011 dann allerdings beim Verwaltungsgericht eingereicht, welches sie an das Obergericht weitergeleitet hat. Zwar kann die Frist für eine Beschwerde an das Bundesgericht auch durch eine Eingabe bei einer kantonalen Behörde gewahrt werden. Die Eingabe muss diesfalls unverzüglich an das Bundesgericht übermittelt werden (Art. 48 Abs. 3 BGG). Dies setzt allerdings voraus, dass die Eingabe als Beschwerde an das Bundesgericht erkennbar ist. Die kantonalen Behörden sind nicht gehalten, beliebige Kritik an Urteilen von oberen kantonalen Gerichten als Beschwerde an das Bundesgericht weiterzuleiten. Art. 49 BGG sieht zudem vor, dass wegen unrichtiger oder unvollständiger Rechtsmittelbelehrung oder wegen Fehlens einer vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung den Parteien keine Nachteile erwachsen dürfen. Diese Garantie lässt sich auch Art. 9 BV entnehmen (BGE 131 I 153 E. 4 S. 158). Das Obergericht hat in seinem Beschluss vom 28. September 2011 tatsächlich nicht auf die Möglichkeit zur Fristwiederherstellung hingewiesen. Der Beschwerdeführer folgert daraus, dass das Obergericht seine Eingabe als Beschwerde an das Bundesgericht und nicht als Fristwiederherstellungsgesuch hätte behandeln müssen, zumal es wegen Fristversäumnis auf das Gesuch nicht eingetreten ist. Dies trifft nicht zu. Ebenso wenig wie eine falsche Rechtsmittelbelehrung ein nicht bestehendes Rechtsmittel zu schaffen vermag (BGE 135 III 470 E. 1.2 S. 473), kann ein fehlender Hinweis - fehle er nun zu Recht oder zu Unrecht - ein bestehendes Rechtsmittel oder einen bestehenden Rechtsbehelf ausschliessen. Das Obergericht durfte deshalb die Eingabe des Beschwerdeführers nach Treu und Glauben auslegen (vgl. Urteil 4C.165/2003 vom 3. November 2003 E. 1.1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 130 III 113) und zum Schluss kommen, der Beschwerdeführer verlange eine Fristwiederherstellung. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass seine Eingabe inhaltlich nicht in diesem Sinne hätte verstanden werden dürfen und welche inhaltlichen Gesichtspunkte eine Qualifizierung als Beschwerde in Zivilsachen hätten nach sich ziehen müssen. Daran ändert nichts, dass das Fristwiederherstellungsgesuch wegen Fristversäumnis unzulässig war. Das Obergericht war nicht gehalten, bloss aus diesem Grunde die Eingabe in eine Beschwerde in Zivilsachen umzudeuten, wenn keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschwerde in Zivilsachen bestanden.
 
2.4 Die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers haben keinen erkennbaren Zusammenhang mit dem angefochtenen Urteil und sind praktisch unverständlich. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
 
3.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine Beschwerde war nach dem Gesagten von Anfang an aussichtslos, weshalb sein - im Übrigen ebenfalls praktisch unverständliches - Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Februar 2012
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Hohl
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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