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Informationen zum Dokument  BGer 8C_435/2011  Materielle Begründung
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BGer 8C_435/2011 vom 13.02.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_435/2011
 
Urteil vom 13. Februar 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
 
Gerichtsschreiberin Weber Peter.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
T.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
AXA Versicherungen AG,
 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig, Dorfstrasse 18, 8630 Rüti,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 25. März 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1960 geborene T.________ war als Geschäftsführerin und Küchenchefin der X.________ GmbH bei der Winterthur Versicherungen (heute AXA Versicherungen AG, nachstehend: die AXA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am 29. August 2006 beim Öffnen eines Steamers im Bereich der Schulter, des Thorax und des Vorderarms zweitgradig (10 % KOF 2a und 1 % 2b an der Schulter rechts) verbrühte (Austrittsbericht der Klinik für Wiederherstellungschirurgie vom 30. August 2006). Nach Einholung eines interdisziplinären Gutachtens der Rehaklinik Y.________ (psychiatrische Untersuchung durch Dr. med. K.________, Facharzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie, und chirurgische Untersuchung durch Dr. med. G.________, Facharzt FMH Chirurgie) vom 18. Februar 2008 sprach die AXA für die verbliebenen Restfolgen dieses Ereignisses der Versicherten mit Verfügung vom 17. Dezember 2008, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 22. Juli 2009, eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 10 % und ab 1. Februar 2008 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 10 % zu.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. März 2011 ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Versicherte, ihr seien unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides die gesetzlichen Leistungen, insbesondere eine angemessene Invalidenrente, Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, zuzusprechen. Eventualiter seien weitere Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen.
 
Während die AXA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
Im kantonalen Gerichtsentscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181), insbesondere bei psychischen Unfallschäden (BGE 115 V 133; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die vorinstanzlichen Ausführungen zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis, vgl. auch BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468 ff.; 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227). Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin aus somatischen Gründen im Umfang von 10 % arbeitsunfähig ist. Unbestritten ist zudem die Integritätsentschädigung von 10 %. Streitig und zu prüfen bleibt im vorliegenden Verfahren, ob auch die psychischen Beschwerden natürlich und adäquat kausal durch das Unfallereignis vom 29. August 2006 verursacht worden sind und ob die Invalidenrente aufgrund dieser Beschwerden zu erhöhen ist.
 
4.
 
4.1 Der Psychiater Dr. med. K.________ diagnostizierte im interdisziplinären Gutachten vom 18. Februar 2008 eine in Teilen gebesserte psychotraumotologische Störung, die anfangs als posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) bezeichnet werden musste, und sich nunmehr in Form einer ausgeprägten phobischen Störung vor Hitzequellen (spezifische Phobie, ICD-10: F40.2) präsentiert sowie eine mindestens mittelgradige depressive Episode (F32.11). Diese psychiatrischen Leiden stehen gemäss Gutachter in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 29. August 2006. Vorinstanz und Verwaltung gehen jedoch davon aus, dass dieser Kausalzusammenhang nicht im Sinne der Rechtsprechung (BGE 115 V 133) adäquat und damit nicht rechtsgenüglich ist.
 
4.2 Die Schwere des Unfalles ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu beurteilen (SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1). Nicht zu berücksichtigen sind jedoch Folgen des Unfalles oder Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können. Derartigen dem eigentlichen Unfallgeschehen nicht zuzuordnenden Faktoren ist gegebenenfalls bei den Adäquanzkriterien Rechnung zu tragen. Dies gilt etwa für die - ein eigenes Kriterium bildenden - Verletzungen, welche sich die versicherte Person zuzieht, aber auch für - unter dem Gesichtspunkt der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls zu prüfende - äussere Umstände, wie eine allfällige Dunkelheit im Unfallzeitpunkt oder Verletzungs- resp. gar Todesfolgen, die der Unfall für andere Personen nach sich zieht (SVR 2011 UV Nr. 10 S. 35, 8C_584/2010 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Die Vorinstanz wertete das Ereignis vom 29. August 2006, bei dem sich die Versicherte beim Öffnen eines Steamers im Bereich der Schulter, des Thorax und des Vorderarms verbrühte, zu Recht als mittelschweren Unfall (vgl. auch Urteil U 242/95 vom 29. Mai 1996 E. 2c). Die Adäquanz des natürlichen Kausalzusammenhanges wäre somit dann zu bejahen, wenn drei der sieben massgeblichen Adäquanzkriterien erfüllt sind oder eines in besonders ausgeprägter Weise vorliegt (SVR 2010 UV Nr. 25 S. 100, 8C_897/2009 E. 4.5 mit Hinweisen). Dies gilt es nachfolgend zu prüfen.
 
4.2.1 Die Versicherte macht zu Recht nicht geltend, das Kriterium der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat, sei erfüllt.
 
4.2.2 Die Vorinstanz hat das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen bejaht. Dies ist entgegen den Vorbringen der Beschwerdegegnerin mit Blick auf das Gutachten der Rehaklinik vom 18. Februar 2008 insbesondere die traumatologische Stellungnahme des Dr. med. G.________ nicht zu beanstanden.
 
4.2.3 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin haben weder Vorinstanz noch Verwaltung das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls bejaht. Dieses ist objektiv zu beurteilen und nicht aufgrund des subjektiven Empfindens bzw. Angstgefühls der versicherten Person (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 207, U 287/97 E. 3b/cc; Urteil U 56/07 vom 25. Januar 2008 E. 6.1). Zu beachten ist, dass jedem mindestens mittelschweren Unfall eine gewisse Eindrücklichkeit eigen ist, welche somit noch nicht für eine Bejahung des Kriteriums ausreichen kann (vgl. Urteil 8C_655/2010 vom 15. November 2010 E. 4.2.2). Vor diesem Hintergrund erfüllt das Geschehen vom 29. August 2006 das Kriterium nicht.
 
4.2.4 Zu Recht verneint hat das kantonale Gericht sodann auch das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung somatischer Beschwerden. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Versicherten im August 2008 offenbar noch eine Kompressionsjacke abgegeben wurde, hat doch Dr. med. G.________ bereits in seiner traumatologischen Stellungnahme vom 4. Februar 2008 festgehalten, eine weitere Behandlung würde das organische Bild höchstens noch unwesentlich beeinflussen können.
 
4.2.5 Zur Bejahung des Kriteriums des schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen Komplikationen bedarf es besonderer Gründe, die die Heilung beeinträchtigt haben (Urteil 8C_1044/2010 vom 12. Mai 2011 E. 4.4.5 mit weiterem Hinweis). Aus der ärztlichen Behandlung und den erheblichen Beschwerden darf nicht auf einen schwierigen Heilungsverlauf und/oder erhebliche Komplikationen geschlossen werden. Solche besondere Gründe sind vorliegend nicht ersichtlich; das Kriterium ist mithin nicht erfüllt.
 
4.2.6 Nachdem bei der Adäquanzprüfung nach BGE 115 V 133 beim Kriterium des Grades und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit nur jene Zeiten zu berücksichtigen sind, welche die versicherte Person aufgrund einer rein physischen Betrachtungsweise arbeitsunfähig war, hat das kantonale Gericht entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin auch das Vorliegen dieses Kriteriums zu Recht verneint.
 
4.2.7 Beim Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen ist insbesondere ihre erfahrungsgemässe Eignung, psychische Fehlentwicklungen auszulösen, zu berücksichtigen. Eine solche generelle Eignung ist bei Verbrühungen, wie sie die Beschwerdeführerin erlitten hat, nicht ohne weiteres zu bejahen. Wie die Vorinstanz zudem zutreffend festhält, sind die erlittenen Narben zwar störend, jedoch sind sie vorwiegend im Sommer oder bei festlichen Anlässen sichtbar, weshalb sie allein keine Verletzungen darstellen, die nach den Erfahrungen des Lebens eine psychische Fehlreaktion auslösen können. Allerdings gilt festzustellen, dass im konkreten Fall gemäss psychiatrischem Teilgutachten des Dr. med. K.________ eine direkte psychotraumatologische Auswirkung des Unfalls, nämlich eine ausgeprägte phobische Störung vor Hitzequellen (spezifische Phobie, ICD-10: F40.2) vorliegt. Bei einer spezifischen (isolierten) Phobie handelt es sich um eine Phobie, die auf eine ganz spezifische Situationen beschränkt ist (DILLING/MOMBOUR/SCHMIDT, Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V [F], Klinisch-diagnostische Leitlinien, 7. Aufl. 2010, S. 172). Dass sich das konkrete Unfallereignis im Zusammenspiel mit den erlittenen erheblichen Verbrühungen und den zurückbleibenden Narben erfahrungsgemäss eignet, die diagnostizierte spezifische phobische Angst vor Hitzequellen auszulösen, erscheint unzweifelhaft und ist im zu beurteilenden Fall gar als besonders geeignet zu qualifizieren, zumal bei der Adäquanzprüfung bei psychischen Störungen von einer weiten Bandbreite von Versicherten auszugehen ist (BGE 125 V 456 E. 5c S. 462 f. mit Hinweisen) und bei der Beschwerdeführerin eine erhöhte psychische Vulnerabilität infolge biografisch früherer Belastungen (insbesondere Krieg) festgestellt wurde. Nachdem laut Gutachter solche psychotraumatischen Störungen sehr häufig von einer Depressivität begleitet werden, kann das Kriterium im konkreten Fall auch bezüglich der Folgeerscheinung (co-morbide mittelgradige depressive Episode) als erfüllt gelten. Allerdings liegt es nur in Bezug auf die diagnostizierte phobische Störung vor Hitzequellen ausgeprägt vor.
 
4.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass bezüglich der depressiven Episode zwei der Hilfskriterien (körperliche Dauerschmerzen sowie Schwere und besondere Art der erlittenen Verletzungen) erfüllt sind, allerdings nicht in ausgeprägter Form. Der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dieser Episode ist mithin nicht adäquat und damit nicht rechtsgenüglich. Bezüglich der diagnostizierten ausgeprägten phobischen Störung vor Hitzequellen hingegen liegt das Kriterium der besonderen Art der erlittenen Verletzung ausgeprägt vor. Daraus folgt, dass der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dieser Störung adäquat erscheint. Die Beschwerdegegnerin ist somit auch für die Folgen dieser Störung leistungspflichtig.
 
4.4 Somit ist die Beschwerdegegnerin nicht bloss für die somatischen Unfallfolgen, sondern zusätzlich auch für die erwerblichen Auswirkungen der phobischen Störung vor Hitzequellen leistungspflichtig. Dementsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen, Einsprache- und kantonaler Gerichtsentscheid sind, soweit die Invalidenrente betreffend, aufzuheben und die Sache ist an die AXA zurückzuweisen, damit sie den Anspruch auf eine Invalidenrente unter Berücksichtigung dieser Vorgabe neu festsetze. Nicht leistungspflichtig ist die Beschwerdegegnerin jedoch für die Auswirkungen der depressiven Episode.
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 V 642 E. 5). Sie hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2011 und der Einspracheentscheid der AXA Versicherungen AG vom 22. Juli 2009 werden, soweit die Invalidenrente betreffend, aufgehoben. Die Sache wird an die AXA Versicherungen AG zurückgewiesen, damit sie den Anspruch auf eine Invalidenrente im Sinne der Erwägungen neu festsetze.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
 
4.
 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 13. Februar 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Die Gerichtsschreiberin: Weber Peter
 
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