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Informationen zum Dokument  BGer 8C_915/2011  Materielle Begründung
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BGer 8C_915/2011 vom 26.01.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
8C_915/2011 {T 0/2}
 
Urteil vom 26. Januar 2012
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
 
Gerichtsschreiber Holzer.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
S.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 28. Oktober 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1936 geborene A.________ war von 1964 bis 1975 als Buchhalter der Firma E.________ bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufskrankheiten versichert. Gemäss den späteren Aussagen seiner Ehefrau beklagte er sich ungefähr ab dem Jahr 2002 über Atemprobleme. Am 8. Oktober 2003 wurde im Spital Z.________ eine partielle Pleurektomie rechts am Versicherten durchgeführt; daraufhin wurde bei ihm ein Pleuramesotheliom rechts diagnostiziert.
 
Am 29. Juni 2004 verstarb A.________.
 
Nachdem S.________ am 21. November 2007 den Tod der SUVA gemeldet hatte, anerkannte diese, dass der Versicherte an der Folge einer berufsbedingten Asbestexposition verstorben war. Die Anstalt sprach der Witwe mit Verfügung vom 19. August 2008 ab 1. Juli 2004 eine Hinterlassenenrente zu. Demgegenüber verneinte sie mit Verfügung vom 8. Oktober 2008 und Einspracheentscheid vom 30. Dezember 2009 einen Anspruch des Versicherten (resp. seiner Erbin) auf eine Integritätsentschädigung.
 
B.
 
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. Oktober 2011 ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde beantragt S.________, es sei ihr als Alleinerbin des A.________ unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 100 % auszubezahlen. Eventuell sei ihr eine Integritätsentschädigung entsprechend der neuen Verwaltungspraxis der SUVA auszurichten.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
 
2.
 
Gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG erbringt die Unfallversicherung auch Leistungen bei Berufskrankheiten. Als Berufskrankheiten gelten nach Art. 9 Abs. 1 UVG Krankheiten (Art. 3 ATSG), die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind. Der Bundesrat erstellt die Liste dieser Stoffe und Arbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen. Gemäss der Liste im Anhang 1 zur UVV gilt Asbeststaub als schädigender Stoff im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UVG.
 
3.
 
3.1 Es ist unbestritten, dass der Versicherte am 29. Juni 2004 an dem im Oktober 2003 diagnostizieren Pleuramesotheliom verstorben ist. Im Weiteren anerkennt die SUVA die Kausalität zwischen dem Ausüben einer versicherten Tätigkeit mit Exposition zu Asbeststaub in den 1960er und 1970er Jahren bei der Firma E.________ und diesem Leiden. Die Anstalt sprach mit Verfügung vom 19. August 2008 der Beschwerdeführerin eine Hinterlassenenrente ab 1. Juli 2004 zu. Streitig und zu prüfen ist demgegenüber, ob der Versicherte vor seinem Ableben aufgrund dieser Krankheit einen Anspruch auf eine Integritätsentschädigung der Unfallversicherung erworben hat.
 
3.2 Das kantonale Gericht hat in zutreffender Darstellung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erwogen, die Integritätsentschädigung bezwecke nicht einen Ausgleich körperlicher oder psychischer Leiden der versicherten Person während der ärztlichen Behandlung, sondern die pauschalierte Abgeltung der nach Abschluss der ärztlichen Behandlung verbleibenden Unbill, welche aus der dauerhaften erheblichen Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität hervorgeht (vgl. BGE 133 V 224 E. 5.1 ff. S. 230 f.). Eine Berufskrankheit mit erheblicher Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Versicherten bewirkt daher dann keinen dauernden Integritätsschaden, wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Behandlung keine Verbesserung des Zustandes mehr versprach, und demjenigen des Todes weniger als zwölf Monate lagen (BGE 133 V 224 E. 5.4 S. 231 f.).
 
3.3 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist für den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung somit nicht der Zeitpunkt relevant, in dem die Berufskrankheit ausgebrochen ist, sondern jener, in dem die Behandlung keine Verbesserung des Zustandes mehr versprach. Der Versicherte ist am 29. Juni 2004 verstorben. Weniger als zwölf Monate vor seinem Ableben, am 8. Oktober 2003, wurde eine partielle Pleurektomie rechts durchgeführt. Erst nach diesem Eingriff hat sich der Versicherte entschlossen, auf eine weitere kurative Behandlung seines Leidens zu verzichten und sich rein palliativ behandeln zu lassen. Somit ist frühstens im Oktober 2003 der Zeitpunkt eingetreten, ab dem die weitere Behandlung keine Verbesserung des Zustandes mehr versprach. Da er danach keine zwölf Monate mehr zu leben hatte, konnte er keinen Anspruch auf eine Integritätsentschädigung mehr erwerben.
 
3.4 Soweit die Beschwerdeführerin den Anspruch des Versicherten aus einer durch die ausgebrochene Berufskrankheit verursachten mittelschweren Depression ableitet, ist festzuhalten, dass nach Lage der Akten keine psychiatrische Fachperson eine solche Diagnose beim Versicherten gestellt hatte. Auch finden sich in den Akten keine Hinweise auf ein krankheitswertiges psychisches Leiden des Versicherten.
 
4.
 
In ihrem Eventualantrag beruft sich die Beschwerdeführerin auf die am 1. Juli 2005 von der SUVA neu eingeführte Verwaltungspraxis. Rechtsprechungsgemäss folgt jedoch aus der Idee dieser Praxis - der versicherten Person noch zu ihren Lebzeiten einen Vorschuss auf die Integritätsentschädigung zu gewähren - dass sich nach dem Ableben der versicherten Person ihre Erben nicht auf sie berufen können (BGE 133 V 224 E. 6 S. 232). Soweit auf den Eventualantrag mit Blick auf Art. 99 BGG überhaupt einzutreten ist, ist dieser ebenfalls abzuweisen.
 
5.
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 26. Januar 2012
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Ursprung
 
Der Gerichtsschreiber: Holzer
 
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