VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2D_58/2011  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2D_58/2011 vom 09.01.2012
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2D_58/2011
 
Urteil vom 9. Januar 2012
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Bundesrichter Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
1. Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
2. Y.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwälte Pierre André Rosselet
 
und Katja Ammann,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
 
Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung/Wegweisung;
 
aufschiebende Wirkung,
 
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 4. Oktober 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Y.________ (geb. 1974) stammt aus Algerien. Aufgrund der Heirat mit einer türkischen Staatsangehörigen verfügt er seit März 2005 über eine Aufenthaltsbewilligung. Am 20. Mai 2008 wurde den Eheleuten das Getrenntleben bewilligt; am 24. Januar 2011 schied das Bezirksgericht Pfäffikon die Ehe und stellte die gemeinsame Tochter A.________ (geb. 2003) unter die Sorge der Mutter; dem Vater erkannte es ein Besuchsrecht im üblichen Umfang zu.
 
B.
 
B.a Am 15. Juli 2011 heiratete Y.________ seine Landsfrau X.________ (geb. 1977), die sich mit einem für 90 Tage gültigen Besuchervisum ("Schengenvisum") in der Schweiz aufhielt. Am 18. Juli 2011 ersuchte X.________ das Migrationsamt des Kantons Zürich darum, ihr eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Gatten zu erteilen. Das Migrationsamt wies sie am 2. September 2011 aus dem Schengenraum weg: Entgegen dem ursprünglichen Aufenthaltszweck ("Visite familiale/amicale") strebe sie nunmehr einen dauerhaften Aufenthalt in der Schweiz an, weshalb die Einreisevoraussetzungen nicht mehr gegeben seien; sie habe das Land zu verlassen und den Ausgang des Bewilligungsverfahrens im Ausland abzuwarten. Das Gesuch werde erst an die Hand genommen, wenn sie ausgereist sei.
 
B.b Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich bestätigte diese Verfügung am 19. September 2011. X.________ müsse - so ihre Begründung - den Bewilligungsentscheid im Ausland abwarten, da nicht gesagt werden könne, dass sie die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfülle (Art. 17 AuG [SR 142.20]). Ihr Partner sei zwar nun erwerbstätig, zuvor habe er aber oft die Stelle gewechselt und sei längere Zeit arbeitslos gewesen. Überdies habe seine Familie früher von der Sozialhilfe unterstützt werden müssen.
 
B.c Y.________ und X.________ gelangten hiergegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Der Präsident von dessen 4. Abteilung wies am 4. Oktober 2011 das mit der Beschwerde verbundene Gesuch um aufschiebende Wirkung ab, da die Einreise unrechtmässig erfolgt sei (Bindung an den Visumszweck) und die Anwesenheit während des Bewilligungsverfahrens nach der Praxis des Verwaltungsgerichts nur bei einer rechtmässigen Einreise zulässig erscheine.
 
C.
 
Y.________ und X.________ ersuchen vor Bundesgericht, die Ziffer 1 der Verfügung des Abteilungspräsidenten des Verwaltungsgerichts Zürich aufzuheben und ihrer Beschwerde an die Vorinstanz aufschiebende Wirkung beizulegen; es sei X.________ der Verbleib im Kanton Zürich während des laufenden Verfahrens zu bewilligen und das Migrationsamt des Kantons Zürich anzuhalten, auf allfällige Vollzugsvorkehrungen zu verzichten.
 
Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
 
Der Abteilungspräsident hat am 12. Oktober 2011 bis zum Entscheid über das Gesuch um aufschiebende Wirkung alle Vollziehungsvorkehrungen untersagt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG) sowie gegen die Wegweisung (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Angefochten ist im vorliegenden Fall ein kantonal letztinstanzlicher Zwischenentscheid über die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung bzw. den Erlass einer vorsorglichen Massnahme. Hiergegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - von im vorliegenden Zusammenhang nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - bloss zulässig, falls der Zwischenentscheid für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirkt (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) und in der Hauptsache selber die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen steht (Urteil 2C_304/2010 vom 16. Juli 2010 E. 1.1 mit Hinweisen). Zwar prüft das Bundesgericht die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 133 II 249 E. 1.1); dies befreit die Beschwerdeführer indessen nicht davon, kurz darzulegen, dass und inwiefern diese gegeben sind. Soweit im Ausländerrecht eine Anspruchssituation nicht ohne Weiteres ersichtlich erscheint, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, anhand der Akten oder weiterer noch beizuziehender Unterlagen nach einer möglichen Anspruchssituation zu suchen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356; Urteil 2C_174/2011 vom 8. November 2011 E. 2.2.2).
 
1.2 Die Beschwerdeführer behaupten nicht, in der Schweiz über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht zu verfügen; ein solches ist auch nicht offensichtlich: Y.________ besitzt lediglich eine Aufenthaltsbewilligung, nachdem seine bisherigen Gesuche um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgelehnt worden sind. Ein Familiennachzug für seine Ehegattin kommt nur im Rahmen von Art. 44 AuG infrage; danach "kann" die zuständige Behörde eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, falls die Gatten zusammenwohnen, sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind und eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist. Diese Bestimmung verschafft den Betroffenen - anders als die ursprünglich vom Bundesrat für den Familiennachzug von aufenthaltsberechtigten ausländischen Personen vorgeschlagene Regelung - keinen Bewilligungsanspruch (vgl. BGE 2C_276/2011 vom 10. Oktober 2011 E. 3.3 und das Urteil 2C_345/2009 vom 22. Oktober 2009 E. 2.2.1; MARTINA CARONI, in: Caroni/Gächter/Thurnherr, SHK zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, 2010, Art. 44 N. 2). Die Erteilung der Bewilligung liegt im pflichtgemäss wahrzunehmenden Ermessen der Behörde und die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ist ausgeschlossen. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, dass und gestützt auf welche andere Bestimmung sie über einen Bewilligungsanspruch verfügen würden. Die Verpflichtung eines Ausländers, die Schweiz verlassen und das Ergebnis des ausländerrechtlichen Verfahrens im Ausland abwarten zu müssen, bildet nur dann einen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil, der die Anfechtung eines entsprechenden negativen Zwischenentscheids ermöglicht, wenn in der Sache selber ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit besteht (vgl. etwa Art. 59 Abs. 2 VZAE [SR 142.201] für den Aufenthalt während des Verlängerungsverfahrens; Urteile 2C_304/2010 vom 16. Juli 2010 E. 1.3; 2C_483/2009 vom 18. September 2009 E. 2.1 - 2.2; 2D_98/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 1; 2C_669/2009 vom 4. Februar 2010 E. 1.2) bzw. ein solcher zumindest vertretbar dargetan erscheint, was hier nicht der Fall ist. Die Eingabe der Beschwerdeführer kann somit nicht als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten behandelt werden.
 
2.
 
2.1 Zur subsidiären Verfassungsbeschwerde ist berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 lit. b BGG). Art. 93 Abs. 1 BGG, welcher die Beschwerde an das Bundesgericht nur gegen einen Zwischenentscheid zulässt, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur für den Betroffenen bewirkt, gilt auch für dieses Rechtsmittel (vgl. Art. 117 BV; ALEXANDER MISIC, Verfassungsbeschwerde, 2011, N. 443 ff.). Das Willkürverbot, welches die Beschwerdeführer im Übrigen nicht hinreichend begründet als verletzt rügen (vgl. BGE 134 II 349 E. 3; 134 I 83 E. 3.2 S. 88; 133 III 393 E. 6 S. 397), verschafft weder einen Bewilligungsanspruch noch den nach Art. 93 Abs. 1 BGG erforderlichen rechtlichen Nachteil, falls nicht anderweitig ein Aufenthalts- bzw. prozessuales Anwesenheitsrecht besteht. Zwar kann sich aus Art. 8 EMRK bei gefestigtem Aufenthalt und intakten bzw. gelebten Beziehungen ein Bewilligungsanspruch für den Ehegatten ergeben (BGE 2C_711/2010 vom 1. April 2011 E. 2.1; BGE 135 I 143 E. 1.3.1); es lässt sich daraus aber regelmässig kein Anspruch darauf ableiten, bereits während der Hängigkeit des ausländerrechtlichen (Rechtsmittel-)Verfahrens nach Ablauf des visumsmässig zulässigen Aufenthalts bis zum Bewilligungsentscheid selber im Land verbleiben zu können, wenn keine Anspruchssituation vorliegt (Art. 42, 43 AuG; vgl. Urteil 2C_944/2010 vom 15. Dezember 2010 E. 2.3 mit Hinweisen). Aus welchen spezifischen Umständen dies bei den Beschwerdeführern anders wäre, legen sie entgegen ihrer Begründungs- und Mitwirkungspflicht (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht dar. Die inzwischen eingetretene Schwangerschaft, die offenbar normal verläuft, genügt hierzu für sich allein ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer über ein Besuchsrecht zu seiner Tochter aus erster Ehe verfügt. Seine Anwesenheit ist nicht infrage gestellt, sondern lediglich jene seiner Gattin für die Dauer des Bewilligungsverfahrens, soweit ihr Visum abgelaufen ist.
 
2.2 Trotz fehlender Legitimation in der Sache kann der Betroffene die Verletzung von Parteirechten rügen, deren Missachtung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (sog. "Star"-Praxis). Unzulässig sind Vorbringen, die im Ergebnis wiederum auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt (vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313 [zum OG]; 133 I 185 E. 6.2 S. 199; Urteil 2D_13/2007 vom 14. Mai 2007 E. 2.3 mit weiteren Hinweisen). Die Beschwerdeführer machen in diesem Zusammenhang geltend, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie auf eine neue Praxis Bezug genommen habe, wonach unrechtmässig eingereiste Ausländer sich nicht auf Art. 17 Abs. 2 AuG berufen könnten. Die Kritik überzeugt nicht: Nach Art. 17 Abs. 1 AuG haben ausländische Personen, die für einen vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind und die nachträglich eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen, den entsprechenden Entscheid im Ausland abzuwarten. Sind die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich erfüllt, so kann die zuständige kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten (Art. 17 Abs. 2 AuG). Die Problematik, ob die Bestimmung nur bei rechtmässiger Einreise und bewilligungslosem Aufenthalt Anwendung findet, bildete bereits Gegenstand im Verfahren vor dem Migrationsamt bzw. jenem vor der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, weshalb die Beschwerdeführer sich sinnvoll mit der entsprechenden Problematik in ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht bzw. in ihrem Gesuch um aufschiebende Wirkung auseinandersetzen konnten. Sie wurden durch den Hinweis auf einen jüngeren Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht neu mit einer für sie nicht voraussehbaren Begründung konfrontiert. Ob die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 AuG, welche der Abteilungspräsident im Rahmen seines Entscheids über die aufschiebende Wirkung vertreten hat, inhaltlich richtig ist - woran doch gewisse Zweifel bestehen können - wird durch die Vorinstanz im Sachentscheid zu beurteilen sein; ebenso die Problematik, ob das Bewilligungsverfahren gestützt auf Art. 17 Abs. 1 AuG gestoppt werden darf, bis die gesuchstellende Person das Land den visumsrechtlichen Vorgaben entsprechend verlassen hat. Verfahrensgegenstand vor Bundesgericht bildet nur die Frage der verweigerten aufschiebenden Wirkung, womit auch über das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen negativ entschieden war. Mangels eines Rechtsanspruchs auf die beantragte Bewilligung bzw. auf einen Aufenthalt während des Bewilligungsverfahrens und damit eines rechtlich relevanten, nicht wieder gutzumachenden Nachteils durch den angefochtenen Zwischenentscheid sind die Beschwerdeführer nicht legitimiert, die umstrittenen materiellen Fragen hier aufzuwerfen.
 
3.
 
3.1 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf (überhaupt) eingetreten werden kann.
 
3.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die unterliegenden Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
3.3 Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Januar 2012
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Zünd
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).