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Informationen zum Dokument  BGer 9C_739/2011  Materielle Begründung
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BGer 9C_739/2011 vom 20.12.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_739/2011
 
Urteil vom 20. Dezember 2011
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
 
Gerichtsschreiber Fessler.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden,
 
Ottostrasse 24, 7000 Chur,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Näscher,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung
 
(Invalidenrente; Leistungsbeginn),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
 
vom 1. März 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1961 geborene A.________ meldete sich im September 2007 bei der Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente. Mit Verfügung vom 9. März 2009 wies die IV-Stelle des Kantons Graubünden das Leistungsbegehren bis Ende August 2008 ab. Nach (weiteren) Abklärungen und nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach sie der Versicherten mit Verfügung vom 22. September 2010 für die Monate Januar bis März 2009 eine Viertelsrente, April bis November 2009 eine ganze Rente und ab 1. Dezember 2009 wiederum eine Viertelsrente je samt zwei Kinderrenten zu.
 
B.
 
Die Beschwerde der A.________ hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden als Versicherungsgericht mit Entscheid vom 1. März 2011 teilweise gut. Es stellte fest, es bestehe vom 1. Januar bis 31. März 2009 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente; im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab.
 
C.
 
Die IV-Stelle des Kantons Graubünden führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 1. März 2011 sei aufzuheben.
 
A.________, das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist einzig der Umfang des Rentenanspruchs (ganz, drei Viertel, ein Zweitel, ein Viertel; Art. 28 Abs. 2 IVG) für die Monate Januar bis März 2009 (Art. 107 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
Die Vorinstanz hat festgestellt, die Versicherte sei aus somatischen und psychischen Gründen im Zeitraum von November 2008 bis Ende August 2009 zu 100 %, seit der (zweiten) Begutachtung (2. September 2009) bis mindestens 22. Juni 2010 zu 50 % arbeitsunfähig gewesen. Das Wartejahr nach Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG (bis 31. Dezember 2007: Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) sei Anfang Januar 2009 abgelaufen. Es bestehe (somit) auch für die Monate Januar bis März 2009 (und nicht erst ab 1. April 2009) Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.
 
3.
 
3.1 Nach Art. 28 Abs. 1 IVG setzt der Anspruch auf eine Rente u.a. voraus, dass die versicherte Person während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen ist (lit. b) und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) ist (lit. c). Nach unbestrittener Auffassung der Vorinstanz war die erste Voraussetzung im Januar 2009 erfüllt. Aufgrund ihrer Feststellungen zur gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit (E. 2), die allerdings unvollständig sind, da sie erst die Zeit ab November 2008 betreffen, hätte indessen der Anspruch auf eine Rente frühestens im November 2009 entstehen können.
 
3.2 Mit der IV-Stelle, deren diesbezügliche Vorbringen unwidersprochen geblieben sind, ist aufgrund der Akten von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von 30 % seit ca. August 2007 und 100 % ab 24. November 2008 auszugehen. Der Schwellenwert von durchschnittlich 40 % gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG wurde somit erstmals Mitte Januar 2009 überschritten (für ein Beispiel zur Berechnung des frühest möglichen Ablaufs der einjährigen Wartezeit siehe etwa BGE 121 V 264 E. 7 S. 275). In diesem Zeitpunkt bestand zwar eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %, was jedoch für den Umfang des Rentenanspruchs nicht entscheidend ist. Vielmehr ist der Ermittlung des massgebenden Invaliditätsgrades die über die einjährige Wartezeit gemittelte Arbeitsunfähigkeit von 40 % zugrunde zu legen (BGE 121 V 264 E. 6b/cc S. 274; Urteil 8C_243/2011 vom 8. Juni 2011 E. 6.1), was die Vorinstanz verkannt hat. Die höhere Arbeitsunfähigkeit von 100 % bis Ende August 2009 ist in sinngemässer Anwendung von Art. 88a Abs. 2 IVV ab 1. April 2009 zu berücksichtigen (BGE 109 V 125 E. 4a S. 126 f.; Urteil 9C_524/2008 vom 15. Juli 2009 E. 2.2).
 
Die Zusprechung einer Viertelsrente für die Monate Januar bis März 2009 durch die IV-Stelle war somit bundesrechtskonform und es ist der vorinstanzliche Entscheid insoweit aufzuheben.
 
4.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 1. März 2011, soweit die Monate Januar bis März 2009 betreffend, aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, der Ausgleichskasse für Gewerbe, Handel und Industrie in Graubünden und Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 20. Dezember 2011
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Meyer
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler
 
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