VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1B_540/2011  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1B_540/2011 vom 12.12.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_540/2011
 
Urteil vom 12. Dezember 2011
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Haag.
 
1. Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
2. Y.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, Postfach 3439, 6002 Luzern,
 
Obergericht des Kantons Luzern,
 
Hirschengraben 16, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Einstellungsverfügung; Rechtsverzögerung,
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 27. Dezember 2010 reichte X.________ bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern eine Strafanzeige gegen ihr unbekannte Polizisten wegen Gefährdung des Lebens ihres Sohnes Y.________ ein. Mit Schreiben vom 29. März 2011 teilte die Staatsanwaltschaft X.________ mit, dass diese sich nicht als Privatklägerin am Strafverfahren beteiligen könne und dass die Strafuntersuchung mit Einstellungsverfügung vom 24. Januar 2011 rechtskräftig beendet worden sei. Die Einstellungsverfügung wurde weder der Anzeigerin noch ihrem Sohn eröffnet.
 
Mit Nichtigkeitsbeschwerden bzw. Rekurs an das Obergericht des Kantons Luzern vom 15. April 2011 und 23. Juni 2011 verlangten X.________ und Y.________, die Strafanzeige vom 27. Dezember 2010 sei wieder aufzunehmen und die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft reichte dem Obergericht ihre Vernehmlassung am 10. Juni 2011 ein.
 
B.
 
Mit Rechtsverzögerungsbeschwerden an das Bundesgericht vom 29. September 2011 beantragen X.________ und Y.________, es sei die Rechtsverzögerung betreffend die beim Obergericht hängigen Rechtsmittel festzustellen, und das Obergericht sei zu verpflichten, einen Entscheid zu fällen.
 
In seiner Stellungnahme vom 12. Oktober 2011 führt das Obergericht aus, es sei keine Rechtsverzögerung ersichtlich. Im Übrigen stehe das Verfahren kurz vor dem Entscheid, da das Referat bereits erstellt sei.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids durch eine Vorinstanz des Bundesgerichts (Art. 80 BGG) kann Beschwerde an das Bundesgericht geführt werden (Art. 94 BGG). Die Beschwerdeführer sind als Parteien im obergerichtlichen Rechtsmittelverfahren zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt (Art. 81 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
Die Strafbehörden nehmen die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss (Art. 5 Abs. 1 StPO; SR 312.0). Diese Konkretisierung des in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten Grundsatzes auf Beurteilung innert angemessener Frist ist für die Behörden der Strafverfolgung (Art. 12 und 15 ff. StPO) und die Gerichte (Art. 13 und 18 ff. StPO) gleichermassen verbindlich.
 
Das Obergericht stellt nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführer Anspruch auf einen Entscheid über ihre Beschwerden haben. Es hat denn auch in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht vom 12. Oktober 2011 angekündigt, dass das obergerichtliche Verfahren kurz vor dem Entscheid stehe, da das Referat bereits erstellt sei. Seither sind knapp zwei Monate verstrichen, ohne dass der Entscheid des Obergerichts ergangen wäre. Über die dort hängigen Rechtsmittel kann seit Juli 2011 entschieden werden und es sind keine Gründe für die seither eingetretenen Verzögerungen ersichtlich. Die Eingaben der Beschwerdeführer vom September 2011 rechtfertigen jedenfalls keinen Aufschub der Behandlung der Rechtsmittel. Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Entscheid des Obergerichts nach Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Bundesgericht nicht innert kurzer Zeit erging, wie dies in der Stellungnahme des Obergerichts vom 12. Oktober 2011 in Aussicht gestellt worden war. Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Verzögerungen sind mit Art. 5 Abs. 1 StPO nicht vereinbar.
 
3.
 
Es ergibt sich, dass die Beschwerden gutzuheissen sind. Das Obergericht ist anzuweisen, über die von den Beschwerdeführern bei ihm eingereichten Rechtsmittel unverzüglich zu entscheiden. Mit dieser Anweisung erübrigt sich die von den Beschwerdeführern beantragte förmliche Feststellung der Rechtsverzögerung im Dispositiv des bundesgerichtlichen Urteils.
 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Rechtsverzögerungsbeschwerden werden gutgeheissen, und das Obergericht des Kantons Luzern wird angewiesen, über die von den Beschwerdeführern bei ihm eingereichten Rechtsmittel unverzüglich zu entscheiden.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Dezember 2011
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Haag
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).