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Informationen zum Dokument  BGer 6B_283/2011  Materielle Begründung
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BGer 6B_283/2011 vom 03.11.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_283/2011
 
Urteil vom 3. November 2011
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Denys,
 
Gerichtsschreiberin Koch.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt René Schuhmacher,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 23. Februar 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Kantonspolizei Graubünden führte am 24. Mai 2009 auf der Julierpassstrasse eine Geschwindigkeitskontrolle durch. X.________ fuhr mit seinem Personenwagen auf dieser Strecke mit 111 km/h nach Abzug der Messtoleranz, obwohl die allgemeine Höchstgeschwindigkeit lediglich 80 km/h beträgt.
 
B.
 
Der Bezirksgerichtsausschuss Albula sprach X.________ am 19. Oktober 2010 der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 600.--. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht Graubünden am 23. Februar 2011 gut. Es verurteilte X.________ wegen grober Verkehrsregelverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 60.-- und zu einer Busse von Fr. 400.--.
 
C.
 
Gegen dieses Urteil führt X.________ Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und das erstinstanzliche Urteil sei zu bestätigen. Gerichtskosten seien keine zu erheben, und es sei ihm eine angemessene Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu bezahlen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er bestreitet den subjektiven Tatbestand.
 
1.2 Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand ist nach der Rechtsprechung erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Dies ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1, je mit Hinweisen). Grundsätzlich ist von einer objektiven schweren Verletzung der Verkehrsregeln auf ein rücksichtsloses Verhalten zu schliessen.
 
1.3 Nach der Rechtsprechung begeht ungeachtet der konkreten Umstände objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Strassen ausserorts um 30 km/h oder mehr überschreitet (BGE 124 II 259 E. 2c; 121 IV 230 E. 2c). Liegt die Geschwindigkeitsüberschreitung nur wenig unter dem von der Rechtsprechung angenommenen Grenzwert, bei welchem regelmässig eine ernstliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist, muss der Strafrichter auf die konkreten Umstände abstellen, um zu entscheiden, ob sich der Betroffene einer einfachen oder groben Verkehrsregelverletzung strafbar gemacht hat (Urteile 6B_772/2010 vom 9. Dezember 2010 E. 2.5; 6B_622/2009 vom 23. Oktober 2009 E. 3.5).
 
1.4 Der Beschwerdeführer fuhr mit seinem Personenwagen 31 km/h zu schnell. Selbst wenn die Grenze zur groben Verkehrsregelverletzung überschritten ist (vgl. E. 1.3), rechtfertigt es sich, die konkreten Verhältnisse zu berücksichtigen. Gemäss dem angefochtenen Entscheid überholte der Beschwerdeführer ausserorts ein Wohnmobil, als er in die Geschwindigkeitskontrolle geriet. Die Strasse war zwar gut ausgebaut, gerade, trocken und übersichtlich. Trotz der günstigen Witterungs- und Sichtverhältnisse ist das fragliche Verhalten aber in subjektiver Hinsicht als rücksichtslos zu bezeichnen. Anhaltspunkte, welche die Geschwindigkeitsübertretung des Beschwerdeführers subjektiv in einem milderen Licht erscheinen liessen, sind nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer musste mit einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung rechnen, weil das Wohnmobil mit 77 km/h nahezu die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erreichte. Eine zumindest erhöhte abstrakte Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer drängte sich beim Manöver des Beschwerdeführers ohne Weiteres auf. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Sachlage, wie die Vorinstanz bereits festgestellt hat, nicht dieselbe wie in den Urteilen 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 und 6B_622/2009 vom 23. Oktober 2009. Das Bundesgericht hat ein vergleichbares Verhalten schon früher als grobe Verkehrsregelverletzung eingestuft (vgl. Urteil 6B_193/2008 vom 7. August 2008). Die Verurteilung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG verletzt kein Bundesrecht.
 
2.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. November 2011
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Mathys
 
Die Gerichtsschreiberin: Koch
 
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