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Informationen zum Dokument  BGer 1B_401/2011  Materielle Begründung
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BGer 1B_401/2011 vom 12.10.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_401/2011
 
Urteil vom 12. Oktober 2011
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Raselli, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis,
 
Amt der Region Oberwallis, Kantonsstrasse 6, Postfach, 3930 Visp, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Stephen Gintzburger,
 
weitere Beteiligte:
 
Y.________.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Nichtanhandnahme,
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 30. Juni 2011 des Kantonsgerichts Wallis, Richter der Strafkammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 18. April 2008 reichte Y.________, Inhaberin eines Hotels in Salgesch, gegen X.________ Strafklage wegen Zechprellerei ein. Am 28. Mai 2009 wurde die Strafklägerin hierzu im Auftrag des Untersuchungsrichteramts Oberwallis polizeilich einvernommen. Am 24. November 2009 zog Y.________ ihre Strafklage zurück. Am 5. Juli 2010 verfügte der Untersuchungsrichter, dass dem Verfahren betreffend den Tatbestand der Zechprellerei infolge Rückzug des Strafantrags keine Folge gegeben werde. Hiergegen erhob X.________ am 16. Juli 2010 Einspruch, weshalb das Verfahren fortgeführt wurde. Am 11. November 2010 wurde Y.________ durch den Untersuchungsrichter als Zeugin einvernommen. Am 17. November 2010 erklärte der Untersuchungsrichter die Untersuchung als geschlossen und überwies die Akten der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis.
 
B.
 
Im Rahmen des gegen ihn wegen Zechprellerei geführten Strafverfahrens reichte X.________ am 28. August 2009 beim Untersuchungsrichteramt Oberwallis eine Strafklage gegen Y.________ wegen Verleumdung ein; Gegenstand des Vorwurfs bilden die Aussagen von Y.________ bei der polizeilichen Einvernahme vom 28. Mai 2009 (vgl. Sachverhalt lit. A. hiervor).
 
Am 9. September 2009 erteilte der Untersuchungsrichter der Polizei den Auftrag, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Daraufhin wurde Y.________ am 6. Dezember 2010 als Beschuldigte polizeilich einvernommen. Am 18. Januar 2011 erliess die nunmehr zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis gestützt auf Art. 310 StPO eine Nichtanhandnahmeverfügung, welche vom Oberstaatsanwalt des Kantons Wallis am 19. Januar 2011 genehmigt wurde.
 
Hiergegen reichte X.________ am 3. Februar 2011 Beschwerde beim Kantonsgericht Wallis ein und beantragte, die Nichtanhandnahmeverfügung aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, weiter zu ermitteln und gegen Y.________ Anklage wegen Verleumdung zu erheben.
 
Mit Verfügung vom 30. Juni 2011 hiess der Richter der Strafkammer des Kantonsgerichts die Beschwerde gut, hob die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 18. Januar 2011 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung zurück.
 
C.
 
Mit Eingabe vom 3. August 2011 führt die Staatsanwaltschaft Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und beantragt sinngemäss die Aufhebung der Verfügung vom 30. Juni 2011.
 
Das Kantonsgericht verzichtet auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde. Y.________ schliesst sich in ihrer Stellungnahme der Auffassung der Staatsanwaltschaft an. In seiner Vernehmlassung beantragt X.________, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.
 
Die Stellungnahmen wurden der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme zugestellt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 II 30 E. 1 S. 31).
 
Der angefochtene Beschluss der Vorinstanz ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Dieser Beschluss, mit welchem die Vorinstanz die Nichtanhandnahmeverfügung der Beschwerdeführerin vom 18. Januar 2011 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese zurückgewiesen hat, schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid.
 
Vorbehältlich der hier nicht gegebenen Fälle von Art. 92 BGG ist die Beschwerde gegen einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid nur zulässig, wenn dieser einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten. Dieses soll sich möglichst nur einmal mit einer Sache befassen und sich überdies nicht bereits in einem frühen Verfahrensstadium ohne genügend umfassende Sachverhaltskenntnis teilweise materiell festlegen müssen. Können allfällige Nachteile in verhältnismässiger Weise auch noch mit einer bundesgerichtlichen Beurteilung nach Ausfällung des Endentscheids behoben werden, so tritt das Bundesgericht auf gegen Vor- und Zwischenentscheide gerichtete Beschwerden nicht ein (BGE 135 II 30 E. 1.3.2 S. 34 f.).
 
Von einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG wird gesprochen, wenn dieser auch durch ein nachfolgendes günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen muss der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 136 IV 92 E. 4 S. 95; 133 IV 139 E. 4 S. 141). Kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist anzunehmen, wenn es einer Partei bloss darum geht, eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens zu verhindern (BGE 135 II 30 E. 1.3.4 S. 36). Ein Rückweisungsentscheid, mit dem eine Sache zur neuen Abklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, bewirkt in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, führt er doch bloss zu einer dieses Kriterium nicht erfüllenden Verlängerung des Verfahrens (BGE 133 V 477 E. 5.2.1 S. 483).
 
1.2 Die Vorinstanz hat erwogen, der Untersuchungsrichter habe am 9. September 2009 die Polizei beauftragt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, woraufhin Y.________ am 6. Dezember 2010 polizeilich einvernommen worden sei. Damit seien bereits Untersuchungshandlungen durchgeführt worden. In solchen Fällen dürfe keine Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 StPO) mehr erlassen werden, sondern es habe eine Einstellungsverfügung (Art. 319 StPO) zu ergehen. Die Nichtanhandnahmeverfügung sei deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Beschwerdeführerin zurückzuweisen.
 
1.3 Aus der Begründung des angefochtenen Rückweisungsentscheids folgt damit, dass es der Beschwerdeführerin unbenommen ist, das Verfahren ohne Vornahme weiterer Untersuchungshandlungen mittels Verfügung gestützt auf Art. 319 StPO einzustellen. Aber selbst wenn die Beschwerdeführerin weitere Beweismassnahmen treffen sollte, läge in der damit verbundenen Verteuerung und Verlängerung des Verfahrens nach dem Gesagten kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG begründet (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 1B_314/2011 vom 20. September 2011 E. 2.3).
 
Ebenso wenig kommt eine Anfechtung des vorinstanzlichen Zwischenentscheids gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG in Frage, zumal das Bundesgericht die Voraussetzung, wonach die Gutheissung der Beschwerde einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen muss, im Strafverfahren restriktiv auslegt (Urteil 1B_155/2011 vom 14. Juni 2011 E. 1.4 mit Hinweis). Da eine Einstellung des Verfahrens nach Art. 319 StPO in Betracht fällt, führt der angefochtene Zwischenentscheid nicht notwendigerweise zu einem weitläufigen Beweisverfahren (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_314/2011 vom 20. September 2011 E. 3).
 
2.
 
Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten. Der Beschwerdeführerin sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat sie dem Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Der Kanton Wallis, Staatsanwaltschaft, hat dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu entrichten.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der weiteren Beteiligten und dem Kantonsgericht Wallis, Richter der Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Oktober 2011
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner
 
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