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Informationen zum Dokument  BGer 1B_311/2011  Materielle Begründung
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BGer 1B_311/2011 vom 30.08.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_311/2011
 
Urteil vom 30. August 2011
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Forster.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
 
Gegenstand
 
Strafverfahren,
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 5. Mai 2011 des Obergerichts des Kantons Thurgau.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Abteilung Wirtschaftsstraffälle und organisierte Kriminalität) führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl, gewerbsmässigen Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung sowie weitere Delikte. Am 23. März 2011 erhob der Beschuldigte beim Obergericht des Kantons Thurgau Beschwerde gegen diverse Untersuchungsmassnahmen. Das Obergericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 5. Mai 2011 ab, soweit es darauf eintrat und die Beschwerde nicht (als gegenstandslos geworden) teilweise abschrieb.
 
B.
 
Gegen den Entscheid des Obergerichtes gelangte X.________ mit Beschwerde vom 12. Juni 2011 an das Bundesgericht. Er beantragt in der Hauptsache die "Überprüfung und Korrektur" des angefochtenen Entscheides.
 
Dem Offizialverteidiger des Beschwerdeführers wurde dessen Laienbeschwerde zur Kenntnisnahme zugestellt. Stellungnahmen der verfahrensbeteiligten Behörden wurden nicht eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen:
 
1.1 Die StPO-Beschwerde enthalte zulässige (fristgemässe und ausreichend konkrete) Rügen nur betreffend die Konfrontationseinvernahme vom 14. März 2011 (inklusive Protokollierung) sowie betreffend den Vorwurf der Rechtsverzögerung bzw. Rechtsverweigerung. Dem Beschwerdeführer sei es unbenommen, an der Hauptverhandlung Einwände gegen die Beweiserhebung vorzubringen und allfällige Beweisverwertungsverbote geltend zu machen. Im Hinblick darauf sei bereits im aktuellen Verfahrensstadium festzustellen, dass "Deliktslisten", wie sie die Staatsanwaltschaft im Beschwerdeverfahren eingereicht habe, nicht unzulässig seien, sondern der übersichtlichen Darstellung des Prozessstoffes dienten. Ob die Vorwürfe zutreffen oder nicht, habe (im Falle einer Anklageerhebung) der Sachrichter zu entscheiden. Soweit der Beschwerdeführer verlange, es sei ihm zu allen Akten das rechtliche Gehör zu gewähren, sei dieser Antrag betreffend das Protokoll der Konfrontationseinvernahme vom 14. März 2011 gegenstandslos geworden, da ihm dieses Protokoll (zusammen mit der Beschwerdeantwort der Staatsanwaltschaft) unterdessen zugestellt worden sei. Dem Offizialverteidiger des Beschuldigten seien im Übrigen sämtliche (ca. 27'000) Aktenstücke zur Einsicht eröffnet worden. Er habe davon Kopien angefertigt, welche auch dem Beschwerdeführer zur Verfügung stünden (vgl. angefochtener Entscheid, E. 3-5).
 
1.2 Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, das Protokoll der Einvernahme vom 14. März 2011 sei inhaltlich unrichtig bzw. unvollständig, erwägt die Vorinstanz Folgendes: Eine Verletzung der Protokollierungsvorschriften von Art. 76-79 StPO sei nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf eine Tonaufnahme der Einvernahme. Deren Anordnung liege im Ermessen der Verfahrensleitung und sei im vorliegenden Fall nicht angezeigt gewesen. Insbesondere seien keine komplexen Sachverhalte zu protokollieren gewesen. Aussagen seien sinngetreu zu protokollieren. Eine wörtliche Protokollierung sehe Art. 78 Abs. 3 StPO nur ausnahmsweise vor, nämlich für "entscheidende Fragen und Antworten". Dabei könne die Verfahrensleitung es der einvernommenen Person auch gestatten, ihre Aussagen selbst zu diktieren (Art. 78 Abs. 4 StPO). Von einem solchen Diktat bzw. von wortgetreuer Protokollierung sei namentlich abzusehen, wenn der Befragte sich weitschweifig oder kompliziert ausdrückt. Hingegen seien etwa aufschlussreiche Äusserungen in Dialektsprache oder entscheidende Aussagen, z.B. zum Tathergang, wörtlich festzuhalten. Der Vorwurf der inhaltlichen Falschprotokollierung beschränke sich auf pauschale Vorbringen. Der Beschwerdeführer habe nicht im Einzelnen dargelegt, welche Aussagen unrichtig protokolliert worden wären. Eine erste Gelegenheit zu entsprechenden konkreten Beanstandungen habe schon anlässlich der Einvernahme bestanden. Auch ein nachträgliches Protokollberichtigungsgesuch nach Art. 79 StPO habe er bei der Verfahrensleitung nicht gestellt. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Protokolls. Dies umso weniger, als der Offizialverteidiger des Beschwerdeführers, der konfrontationsweise befragte Mitbeschuldigte, dessen Rechtsvertreter sowie der Protokollführer die Richtigkeit des Protokolls je unterschriftlich bestätigt hätten (vgl. angefochtener Entscheid, E. 6).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer beantragt, der angefochtene Entscheid sei vom Bundesgericht zu überprüfen und zu korrigieren. Es handelt sich um einen strafprozessualen Zwischenentscheid (im Sinne von Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art. 93 BGG), der das Strafverfahren nicht abschliesst.
 
2.1 Sofern die Sachurteilsvoraussetzungen nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich werden, obliegt es grundsätzlich der beschwerdeführenden Partei darzulegen, inwiefern sie erfüllt sind (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356).
 
2.2 Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen).
 
2.3 Der Beschwerdeführer äussert sich in seiner weitschweifigen Eingabe nicht zur Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Bei diversen Vorbringen wird ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne der erwähnten Praxis auch nicht aus den Akten ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Kritik an zusammenfassenden "Deliktslisten", welche die Staatsanwaltschaft (im Interesse einer übersichtlichen Darstellung der untersuchten Sachverhalte) im kantonalen Verfahren eingereicht habe, oder für Rügen betreffend Einsicht in die Untersuchungsakten. Diesbezüglich kann ergänzend auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides verwiesen werden. Was die Akteneinsicht betrifft, räumt der Beschwerdeführer im Übrigen ein, dass er (über seinen Rechtsvertreter) schon im Februar 2011 zwei CD-ROM mit ca. 30'000 Dokumentenseiten erhalten habe.
 
2.4 Insofern erweist sich die Beschwerde als nicht zulässig. Die Prüfung allfälliger zusätzlicher Eintretenshindernisse (etwa der materiellrechtlichen Substanziierungserfordernisse gemäss Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG) erübrigt sich in diesem Zusammenhang.
 
3.
 
3.1 Soweit der Beschwerdeführer rügt, das Protokoll der Konfrontationseinvernahme vom 14. März 2011 sei inhaltlich unrichtig bzw. unvollständig, kann ein drohender nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden. Falls falsch protokolliert worden wäre, hätte eine Berichtigung möglichst rasch nach der Einvernahme zu erfolgen. Andernfalls würde infolge Zeitablaufs ein Erinnerungs- und Beweisverlust drohen bzw. eine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung, welche nachträglich nur noch beschränkt korrigiert werden könnte. Dementsprechend sieht das Gesetz vor, dass die einvernommene Person, welche sich weigert, das Protokoll durchzulesen oder zu unterzeichnen, ihre Gründe für diese Weigerung unmittelbar nach dem Vorlegen des Protokolls zum Durchlesen zu erklären hat (Art. 78 Abs. 5 Satz 3 StPO). Auch Gesuche um Protokollberichtigung sind sofort nach Entdeckung des mutmasslichen Fehlers der Verfahrensleitung zum Entscheid zu unterbreiten (vgl. Art. 79 Abs. 2-3 StPO; Niklaus Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich 2009, Art. 79 N. 3).
 
3.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf vollständige, richtige, wörtliche und wahrheitsgemässe Protokollierung bzw. auf "eigenes Diktat" verletzt. Er habe diesen Anspruch anlässlich der Konfrontationseinvernahme ausdrücklich angemahnt bzw. (als Alternative) eine Tonbandaufnahme der Aussagen verlangt. Er beanstandet in diesem Zusammenhang die Verletzung von Bestimmungen der Schweizerischen StPO sowie diverser Grundrechtsvorschriften. Soweit er auch noch die Missachtung von (altrechtlichen) Normen der Thurgauer Strafprozessordnung rügt, ist darauf nicht einzutreten (vgl. Art. 95 BGG, Art. 454 Abs. 1 StPO).
 
3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet die Darstellung der Vorinstanz nicht, dass weder er noch sein Offizialverteidiger bei der Staatsanwaltschaft rechtzeitig ein begründetes Gesuch um konkrete inhaltliche Protokollberichtigung gestellt haben (vgl. Art. 79 Abs. 2 StPO). Ebenso wenig bestreitet er, dass sowohl sein Offizialverteidiger als auch der konfrontationsweise befragte Mitbeschuldigte, dessen Rechtsvertreter und der Protokollführer die Richtigkeit des Protokolls unterschriftlich bestätigt haben. Es kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang unzulässige Noven vorbringt bzw. ob er mit seinen Vorbringen den kantonalen Instanzenzug erschöpft hat (vgl. Art. 99 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 BGG). Er legt nicht dar, welche Passagen seiner Aussagen inwiefern inhaltlich unrichtig protokolliert worden wären. Insofern erweist sich seine Beschwerde als nicht ausreichend substanziiert (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Soweit er pauschal auf (angebliche) Ausführungen in anderen Rechtsschriften verweist, ist darauf nicht einzutreten (vgl. zur betreffenden Praxis des Bundesgerichtes Laurent Merz, in: Basler Kommentar BGG, Basel 2008, Art. 42 N. 56 ff.). Für eine inhaltliche Unrichtigkeit des Protokolls bestünden darüber hinaus auch materiell keine objektiven Anhaltspunkte.
 
3.4 Unbegründet ist schliesslich die Rüge, die kantonalen Instanzen hätten Bundesrecht (bzw. Grundrechte des Beschwerdeführers) verletzt, weil die Aussagen nicht auf Tonband aufgenommen bzw. nicht wortwörtlich protokolliert oder vom Beschwerdeführer diktiert worden seien. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. oben, E. 1.2). Der Beschwerdeführer räumt im Übrigen selbst ein, dass nur die "entscheidenden, relevanten Aussagen" wörtlich zu protokollieren seien. An welchen entsprechenden Protokollstellen dies seiner Ansicht nach in gesetzwidriger Weise versäumt worden sei, legt er nicht dar.
 
3.5 Soweit sie die gesetzlichen Substanziierungsanforderungen erfüllen, haben die restlichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbständige Bedeutung.
 
4.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Zwar wird der Beschwerdeführer bei diesem Verfahrensausgang kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Auch hat er kein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gestellt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall kann jedoch auf eine nachträgliche Erhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht des Kantons Thurgau sowie Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, Zürich, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 30. August 2011
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Fonjallaz
 
Der Gerichtsschreiber: Forster
 
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