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Informationen zum Dokument  BGer 2C_951/2010  Materielle Begründung
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BGer 2C_951/2010 vom 05.07.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_951/2010
 
Urteil vom 5. Juli 2011
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Zünd, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Küng.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Einwohnergemeinde Andermatt,
 
vertreten durch den Einwohnergemeinderat, 6490 Andermatt,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Art. 5 und 8 BV (Reglement über den Tourismus in den Gemeinden Andermatt, Hospental und Realp).
 
Beschwerde gegen das Reglement
 
vom 28. Oktober 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Offene Dorfgemeinde Andermatt stimmte am 28. Oktober 2010 einem neuen Reglement über den Tourismus in den Gemeinden Andermatt, Hospental und Realp zu. Dieses Reglement soll den Tourismus in den drei Gemeinden des Urserentals auf eine neue Grundlage stellen. Es sieht unter anderem vor, dass die drei Gemeinden eine Beherbergungsgebühr erheben.
 
B.
 
X.________ hat als Eigentümer einer Ferienwohnung in Andermatt das erwähnte Reglement mit Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Uri angefochten. Dieser hat die Eingabe zur Beurteilung an das Bundesgericht weitergeleitet.
 
X.________ beantragt sinngemäss die Aufhebung der Reglementsbestimmungen über die Beherbergungsgebühr und erhebt Einwände gegen die vorgesehene Neuorganisation der Tourismusförderung.
 
Der Gemeinderat Andermatt stellt den Antrag, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt die Voraussetzungen an eine Beschwerdeschrift gemäss Art. 42 BGG nicht vollumfänglich. Sie enthält keinen ausdrücklichen Antrag und auch nicht in allen Teilen eine genügende Begründung.
 
Immerhin geht aus der Eingabe hervor, dass sich der Beschwerdeführer gegen die Reglementsbestimmung über die Bemessung der Beherbergungsgebühren für Zweitwohnungen zur Wehr setzen will, weil diese nach seiner Auffassung gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit verstösst. Dazu ist er als Eigentümer einer Wohnung in Andermatt legitimiert. In diesem Umfang ist daher auf sein Rechtsmittel einzutreten.
 
1.2 Anders verhält es sich dagegen mit Bezug auf die Kritik, die er an der Organisation der Tourismus GmbH und an der vorgesehenen Verwendung der finanziellen Mittel übt. Das von der Gemeinde verabschiedete Reglement enthält zu diesen Fragen keine Bestimmungen, die beim Bundesgericht mit Beschwerde angefochten werden könnten. Ausserdem berührt die Mittelverwendung den Beschwerdeführer nicht direkt in seiner Stellung als Abgabepflichtiger, weshalb ihm in diesem Punkt die Beschwerdelegitimation abgeht.
 
2.
 
2.1 Die von der Gemeinde Andermatt neu beschlossenen Beherbergungsgebühren treten an die Stelle der früheren Kurtaxen. Entgegen dem Anschein, den ihre Bezeichnung erweckt, handelt es sich dabei aus rechtlicher Sicht nicht um Gebühren, sondern um Kostenanlastungssteuern (Urteil 2P.194/2006 vom 7. August 2006 E. 3). Derartige Abgaben setzen voraus, dass sachlich haltbare Gründe bestehen, die betreffenden staatlichen Aufwendungen der erfassten Personengruppe anzulasten; die Kostenanlastung muss also nach vernünftigen Kriterien und unter Beachtung des Gebots der Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit erfolgen. Hingegen finden das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip keine Anwendung. Die Bemessung muss sich nicht nach konkret nachgewiesenen Vorteilen richten, sondern kann in abstrakter Weise aufgrund schematisch festgelegter Kriterien erfolgen. Wie das Bundesgericht bereits mehrfach entschieden hat, dürfen die Kosten für die Tourismusförderung jenem Personenkreis angelastet werden, der aus dem Fremdenverkehr einen wirtschaftlichen Nutzen zieht (BGE 122 I 61 E. 3; Urteile 2P.154/2005 vom 14. Februar 2006 E. 2.1 [publ. in: StR 61/2006 S. 446] und 2P.322/ 2004 vom 24. Juni 2004 E. 2 [publ. in: ZBl 107/2006 S. 471). Dass den betroffenen Gemeinden allenfalls die Kompetenz für die Erhebung einer solchen Abgabe fehlt, macht der Beschwerdeführer nicht geltend.
 
2.2 Nach Art. 10 des Reglements bildet die Nettowohnfläche der Zweitwohnung, der Ferienwohnung oder des Ferienhauses die Grundlage für die Berechnung der Beherbergungsgebühr, unabhängig davon, ob diese eigenbelegt oder gewerbsmässig vermietet werden (Abs. 1). Für die ermittelte Nettowohnfläche (Summe aller begeh- und belegbaren Wohnflächen innerhalb der Wohnung) sind Fr. 20.-- pro m2 und Jahr zu bezahlen (Abs. 2).
 
2.3 Nach Auffassung des Beschwerdeführers führt die neu eingeführte Bemessung der Beherbergungsabgabe zu unverhältnismässigen Ergebnissen und Rechtsungleichheiten. So müsse ein Besitzer einer 2,5-Zimmer-Wohnung - offenbar mit 65 m2 Nettowohnfläche - Fr. 1'300.-- pro Jahr bezahlen. Das sei eine massive Erhöhung im Vergleich zur bisher geschuldeten Kurtaxe von Fr. 2.-- pro Übernachtung und Person. Käufer teurer Wohnungen von beispielsweise 300 m2 Nettowohnfläche müssten lediglich Fr. 6'000.-- Beherbergungsgebühren bezahlen, was für sie angesichts der hohen Immobilienpreise überhaupt nicht ins Gewicht falle.
 
2.4 Die Argumentation des Beschwerdeführers übergeht, dass die neue Beherbergungsgebühr nicht nur die bisherige Kurtaxe, sondern auch die Bettenpauschale in Zweitwohnungen ersetzt. Weiter trifft es nicht zu, dass bewohnbare Dachstöcke von der Nettowohnfläche ausgenommen wären, wie die Gemeinde in ihrer Vernehmlassung festhält. Die neue Bemessung bewirkt, dass vor allem bei Ferienwohnungen, die nur oder vorwiegend dem Eigengebrauch dienen, die Abgaben deutlich steigen. Dies entspricht dem von der Gemeinde verfolgten Ziel, die "kalten Betten" stärker zu belasten. Mit der neuen Regelung soll ausserdem der Verwaltungsaufwand gesenkt werden, weil bei Vermietung von Ferienwohnungen keine Einzeltaxen mehr abgerechnet werden müssen. Der Beschwerdeführer stellt diese Ziele zu Recht nicht in Frage. Es mag zwar zutreffen, dass unklar ist, in welchem Umfang die neue Bemessungsweise tatsächlich zu einer Reduktion der "kalten Betten" beitragen wird. Eine Bemessung nach der Bettenzahl, wie sie der Beschwerdeführer vorschlägt, würde indessen gerade die Eigentümer grosser Wohnungen deutlich weniger belasten als die gewählte nach der Nettowohnfläche. Letztere erscheint auch nicht als ungeeignet, den sich aus der Tourismusförderung ergebenden Nutzen zu bestimmen. Die Rechtsprechung lässt es ausserdem aus Gründen der Praktikabilität zu, für die Tourismusabgaben für Ferienwohnungen Jahrespauschalen vorzusehen (Urteil 2P.194/2006 vom 7. August 2006 E. 3). Die neue Bemessungsweise bewegt sich damit im Rahmen des Gestaltungsspielraums, der den Gemeinden in diesem Bereich zusteht.
 
2.5 Der Abgabesatz von Fr. 20.-- pro m2 und Jahr erscheint hoch und ist offenbar durch die beabsichtigte Verbesserung des touristischen Angebots bedingt. Der Beschwerdeführer legt jedoch nicht dar, dass die Belastung für die Eigentümer von Ferienwohnungen im Vergleich zu den bisherigen Abgaben als untragbar erscheint, noch ist solches ersichtlich.
 
3.
 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen in dem Umfang, in dem auf sie einzutreten ist, abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. Juli 2011
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Zünd Küng
 
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