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Informationen zum Dokument  BGer 6B_69/2011  Materielle Begründung
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BGer 6B_69/2011 vom 23.06.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_69/2011
 
Urteil vom 23. Juni 2011
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Mathys, Präsident,
 
Bundesrichter Schneider,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
G.________, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Mroczek,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Mehrfacher gewerbsmässiger Betrug, mehrfache Veruntreuung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 30. November 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte G.________ am 30. November 2010 zweitinstanzlich wegen mehrfachen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Veruntreuung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Bankengesetz mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, 1 Monat und 23 Tagen sowie Fr. 10'000.-- Busse als Zusatzstrafe zu zwei Strafbefehlen aus den Jahren 2003 und 2005.
 
B.
 
G.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei von den Vorwürfen des gewerbsmässigen Betrugs und der mehrfachen Veruntreuung freizusprechen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter sei er milder zu bestrafen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Vorinstanz erwägt beim Vorwurf der Veruntreuung unter anderem, die Geschädigten hätten dem Beschwerdeführer die Darlehen zweckgebunden überlassen, damit er sie gewinnbringend an der Börse bzw. in renditeträchtige Geschäftsaktivitäten investiere. So sei er verpflichtet gewesen, den Wert der Gelder zu erhalten, wenn auch nur für die Zeit bis diese tatsächlich an der Börse bzw. in Finanzinstrumente investiert würden. Ihm werde nicht vorgeworfen, die Gelder im Rahmen einer Anlage verloren zu haben, sondern dass er sie zweckwidrig (für Lebensunterhalt, Weiterbildung usw.) verbraucht habe. Da er angesichts seiner misslichen finanziellen Lage auch nicht habe Ersatz leisten können, habe er bereits mit dem erwähnten Verbrauch seine Geldgeber geschädigt (angefochtener Entscheid S. 13).
 
1.1 Der Beschwerdeführer rügt die vorinstanzliche Schlussfolgerung, die Geschädigten hätten dem Beschwerdeführer die Darlehen zweckgebunden überlassen, als willkürlich. Dazu zitiert er - wie bereits vor Obergericht - unter anderem folgende Aussagen von Geschädigten:
 
"Wie erwähnt, habe ich ihm das Geld zum Spekulieren an der Börse überlassen, ohne bestimmten Verwendungszweck".
 
"Er konnte das Geld für seine geschäftlichen Aktivitäten verwenden. Ob (er) im Rahmen solcher Aktivitäten das Geld für etwas Bestimmtes zu verwenden hatte, ist eine offene Frage, die ich nicht beantworten kann".
 
"(Er) musste mit dem Geld arbeiten. So wie ich es verstanden habe, wollte (er) direkt an der Börse handeln".
 
"(Er) konnte frei über das Geld verfügen, er musste das Geld nach bestem Wissen und Gewissen vermehren. Bei der "Lifestyle" hatte ich erfahren, dass das Geld bei der Börse investiert werden solle, Details waren mir nicht bekannt" (Beschwerdeschrift S. 4 f).
 
Aus diesen Zitaten wird deutlich, dass der Beschwerdeführer die Gelder an der Börse investieren resp. mit ihnen "geschäften" sollte. Folglich ist die vorinstanzliche Annahme nicht willkürlich, die Geschädigten hätten ihm die Darlehen zweckgebunden überlassen, damit er sie gewinnbringend an der Börse bzw. in renditeträchtige Geschäftsaktivitäten investiere.
 
1.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe die Zitate einfach übergangen und den Sachverhalt nicht weiter abgeklärt und dadurch die Begründungspflicht sowie den Untersuchungsgrundsatz verletzt.
 
Die Rügen sind unbegründet. Die Vorinstanz nimmt ausdrücklich Bezug auf die Zitate, die der Beschwerdeführer in der Berufungsbegründung angeführt hatte (angefochtener Entscheid S. 12 unten/13 oben). Mit Zeugenaussagen wie "ohne bestimmten Verwendungszweck", "er konnte frei über das Geld verfügen" oder "er hatte keine Auflagen" lenkt der Beschwerdeführer von der vorinstanzlichen Begründung ab, dass er in der Wahl der Investitionen an der Börse bzw. in renditeträchtige Geschäftsaktivitäten zwar frei war, die Gelder jedoch nicht für seine persönlichen Bedürfnisse verwenden durfte. Damit genügte die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht. Im Übrigen durfte sie in antizipierter Beweiswürdigung annehmen, dass eine erneute Einvernahme der Geschädigten am Beweisergebnis nichts mehr ändern würde.
 
1.3 Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 129 IV 257 geht fehl. In jenem Entscheid erhielt der Borger das Geld, um es beim Spiel einzusetzen. Bei einer derartigen Verwendung gibt es keinerlei Risikobeschränkung (E. 2.3 S. 262). Dies ist beim Börsentrading nicht der Fall, selbst wenn es einige Risiken in sich birgt.
 
Auf die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht einzutreten, weil seine Argumentationen vom verbindlichen Sachverhalt (E. 1.1) abweichen bzw. nicht darzulegen vermögen, inwiefern die Vorinstanz die fehlende Ersatzbereitschaft und die Bereicherungsabsicht des Beschwerdeführers willkürlich festgestellt haben sollte.
 
2.
 
Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer vor, zusammen mit einem Finanzfachmann über die W.________ S.A. Zürich Aktionäre für die C.________ USA angeworben zu haben, indem sie mittels wahrheitswidriger Verlautbarungen eine hoch profitable Investitionsmöglichkeit vorgespielt hätten. Dadurch sei eine Vielzahl von Investoren dazu verleitet worden, in C.________-Aktien zu investieren, obwohl diese angesichts der tatsächlich desolaten finanziellen Lage der Gesellschaft und mangels realer Gewinnaussichten keinerlei Gegenwert für den geleisteten Kaufpreis, geschweige denn eine Möglichkeit zur Renditeerzielung geboten hätten (angefochtener Entscheid S. 14 lit. B/1).
 
Der Beschwerdeführer beanstandet seine Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs in verschiedener Hinsicht:
 
2.1 Dass die Aktien der C.________ USA nicht werthaltig gewesen seien, leite die Vorinstanz aus einer später erstellten Expertise ab. Dies sei dem Beschwerdeführer aber im Zeitpunkt der Akquisition nicht bekannt gewesen.
 
Der Vorwurf ist unbegründet. Der Beschwerdeführer gab selbst zu Protokoll, dass er bei der Gründung der W.________ S.A. Zürich trotz seiner Geschäftsführerstellung deshalb nicht zur Eintragung im Handelsregister zugelassen worden sei, weil er Betreibungen und einen schlechten Leumund hatte. Zudem erwägt die Vorinstanz, dass er nebst seinen privaten Schulden geschäftliche Verbindlichkeiten gegenüber einer Vielzahl von Darlehensgläubigern in der Gesamthöhe von bereits mehreren 100'000 Franken gehabt habe, wofür keine Sicherheiten bestanden. Sodann sei nur ein Teil der einbezahlten Gelder effektiv für das Trading eingesetzt worden, während der namhafte Rest für Lohnauszahlungen an den Beschwerdeführer und den Finanzfachmann, für Provisionen an Vermittler, für Rückzahlungen früherer Darlehen an Aktionäre und zur laufenden Finanzierung der Geschäftsräumlichkeiten der W.________ S.A. Zürich bzw. generell der Gesellschaften verwendet worden seien (angefochtener Entscheid S. 16 f.). Bei dieser Sachlage durfte die Vorinstanz willkürfrei annehmen, dem Beschwerdeführer sei bereits beim Anwerben der Aktionäre bekannt gewesen, dass deren Aktien kaum werthaltig waren.
 
2.2 Der Beschwerdeführer gab im Verfahren zu Protokoll, das Aktivum von ca. Fr. 800'000.-- habe aus seiner Person bestanden. Die vorinstanzliche Interpretation, dahinter stünden keine werthaltigen Forderungen, rügt er als aktenwidrig. Denn der Finanzfachmann habe ausgesagt, dass der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitpunkt eine Provision von ca. 1 Mio. Franken im Zusammenhang mit dem Kauf/Verkauf einer Hotelanlage in Serbien erwartet habe.
 
Das Bezirksgericht hatte erwogen, "dass (der Beschwerdeführer) stets von grossen Gewinnen und erfolgreichen Geschäften sprach, solche sich indessen realiter - wie (er) auch anlässlich der Hauptverhandlung nicht leugnen konnte (...) - selten und wenn, so nie in massgeblichem Ausmasse manifestierten. Vielmehr - und dies war die einzig nachweisliche Realität - wuchs die Verschuldung (des Beschwerdeführers) praktisch täglich, was sich aus den (...) Betreibungsunterlagen ohne Weiteres ergibt" (Akten des Obergerichts, act. 85 S. 40). Im Lichte dieser unwidersprochenen Erwägung ist die vorinstanzliche Schlussfolgerung offensichtlich nicht aktenwidrig.
 
Nachdem die Vorinstanz mehrfach auf die überzeugende Begründung des Bezirksgerichts verwiesen hat (angefochtener Entscheid S. 16 f.), ist auch der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht stichhaltig, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt.
 
2.3 Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 135 IV 76 betreffend Opfermitverantwortung geht an der Sache vorbei, weil die angepriesenen Aktien praktisch Nonvaleurs darstellten, was für die Geschädigten nicht durchschaubar war.
 
Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in appellatorischer Kritik, worauf nicht einzutreten ist.
 
3.
 
Hinsichtlich der Akquisition von Darlehensgebern via E.________ S.A. Zürich stellt der Beschwerdeführer den Sachverhalt aus seiner eigenen Sicht dar, ohne sich mit den Erwägungen der Vorinstanz und - aufgrund deren Hinweise - mit der Begründung des Bezirksgerichts detailliert auseinanderzusetzen. Auf diese Vorbringen ist mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten. Inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen gestützt auf den massgeblichen Sachverhalt gegen Bundesrecht verstossen sollten, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
 
4.
 
Im Rahmen der Strafzumessung weicht der Beschwerdeführer vom verbindlichen Sachverhalt ab, wenn er geltend macht, er habe seine Gläubiger nicht schädigen wollen. Ebenso wenig muss er für Handlungen seines Partners und Finanzfachmanns büssen. Die Rügen sind unbegründet.
 
5.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Bemessung der Gerichtskosten ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Juni 2011
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Mathys Borner
 
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