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Informationen zum Dokument  BGer 8C_760/2010  Materielle Begründung
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BGer 8C_760/2010 vom 15.02.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_760/2010
 
Urteil vom 15. Februar 2011
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
K.________, vertreten durch B.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 29. Juli 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
K.________, geboren 1965, war am 30. Oktober 2000 bei seiner Tätigkeit als Küchengehilfe bei der Klinik X.________ auf dem nassen Fussboden ausgerutscht. Er klagte seither über Schmerzen im Leistenbereich rechts und arbeitete in der Folge nur noch zu 50%. Am 15. November 2001 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf den Bericht des PD Dr. med. A.________, Chirurgie FMH, vom 11. Februar 2002, lehnte die IV-Stelle Bern den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 12. April 2002 ab. K.________ stellte am 11. September 2003 erneut ein Rentengesuch, auf welches die IV-Stelle nicht eintrat (Verfügung vom 27. Oktober 2003).
 
Nach Einreichung weiterer Unterlagen, unter anderem eines Operationsberichts über eine Hüftarthroskopie und Osteophytektomie (Pfannendachplastik) vom 20. April 2004, liess die IV-Stelle den Versicherten zunächst durch Dr. med. E.________, Orthopädische Chirurgie FMH, sowie durch Dr. med. I.________, Psychiatrie Psychotherapie FMH, untersuchen (Gutachten vom 17. Oktober 2005 bzw. vom 31. Januar 2006) und holte in der Folge ein weiteres psychiatrisches Gutachten des Dr. med. S.________, vom 24. Februar 2008 ein. Schliesslich veranlasste sie eine interdisziplinäre Begutachtung durch Dr. med. V.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, und Dr. med. H.________, Physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen FMH (Gutachten vom 1. Oktober 2008 bzw. 27. Oktober 2008). Gestützt darauf sprach sie K.________ mit Verfügung vom 24. Dezember 2009 ab 1. Juni 2004 eine halbe, bis zum 30. Juni 2008 befristete Invalidenrente zu.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 29. Juli 2010 teilweise gut und setzte den Rentenbeginn auf den 1. März 2004 fest; im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
 
C.
 
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine unbefristete Invalidenrente zuzusprechen.
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194 E. 3 S. 196 ff.). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).
 
1.2 Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), welche sich nach der dargelegten Regelung der Kognition einer Überprüfung durch das Bundesgericht weitgehend entziehen.
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG), zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99; 125 V 256 E. 4 S. 261 f.; vgl. auch AHI 2002 S. 62, I 82/01 E. 4b/cc), zum Beweiswert von Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.; 135 V 465, insb. E. 4.3 und 4.4 S. 468 ff.) sowie zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 133 V 108; 130 V 343; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 f.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Neuanmeldung im Februar 2005 (Eingabe des Hausarztes Dr. med. T.________) gestützt auf das psychiatrische Gutachten des Dr. med. A.________ vom 31. Januar 2006 davon auszugehen, dass dem Versicherten damals ein Pensum von 72% (sechs Stunden pro Tag) zuzumuten und eine zusätzliche Leistungseinschränkung um 30% zu berücksichtigen war.
 
Bezüglich des bei Verfügungserlass aktuellen Gesundheitszustandes stellte die Vorinstanz auf die Gutachten der Dres. med. H.________ und V.________ ab. Demgemäss war der Beschwerdeführer in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 80% arbeitsfähig, womit eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erstellt sei.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Begründungspflicht sowie eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz. Er macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, mangels Verbesserung des somatischen Gesundheitszustandes sei die Aufhebung der Rente per 30. Juni 2008 unzulässig. Dass sich die psychische Situation verbessert hat, wird nicht bestritten.
 
Der Beschwerdeführer beruft sich insbesondere darauf, dass die Einschätzung des Dr. med. H.________ den Stellungnahmen des Dr. med. W.________, welcher ihn im Orthopädischen Zentrum Y.________ operiert hatte (Bericht vom 1. April 2005), des Dr. med. E.________ (Gutachten vom 17. Oktober 2005) sowie der Frau Dr. med. Q.________, Orthopädisches Zentrum Y.________ (Verlaufsberichte vom 4. und vom 25. Februar 2009), widerspreche, welche ihm eine höchstens 50%ige Arbeitsunfähigkeit attestieren. Dr. med. H.________ habe einen unveränderten Sachverhalt anders beurteilt, womit die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nicht erfüllt seien.
 
5.
 
5.1 Zu prüfen war, ob seit der rentenablehnenden Verfügung vom 27. Oktober 2003 bis zur Neuanmeldung im Februar 2005 beziehungsweise bis zum Erlass der hier zu beurteilenden Verfügung vom 24. Dezember 2009 eine rentenrelevante Veränderung des Gesundheitszustandes eingetreten ist.
 
Diese Frage hat die Vorinstanz zunächst dahingehend bejaht, als sie vom Auftreten einer erheblichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (50%) aus psychischen Gründen ausgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer aus somatischen Gründen weitergehend beeinträchtigt war, bestanden nicht und wird auch nicht geltend gemacht. Dass das kantonale Gericht sich unter diesen Umständen nicht ausführlicher zum orthopädischen Gutachten des Dr. med. E.________ vom 17. Oktober 2005 geäussert hat, ist daher nicht zu beanstanden.
 
Damit war nach den vorinstanzlichen Feststellungen indessen entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers nicht ausgewiesen, dass zum Zeitpunkt des von ihr auf den 1. März 2004 festgesetzten Rentenbeginns eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit aus somatischen Gründen und damit eine diesbezügliche Verschlechterung seit Oktober 2003 bestanden hätte.
 
Hinsichtlich des aktuellen Gesundheitszustandes hat sich die Vorinstanz auf die interdisziplinäre Begutachtung durch Dr. med. H.________ und Dr. med. V.________ gestützt, welche nach ihren Feststellungen den für den Beweiswert von Arztberichten massgebenden Anforderungen in jeder Hinsicht genügte.
 
5.2 Gutachten externer Spezialärzte, welche von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholt wurden und den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechen, darf das Gericht vollen Beweiswert zuerkennen, solange "nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit" der Expertise sprechen (BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353; 135 V 465 E. 4.4 S. 470).
 
5.3 Die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs von Amtes wegen durchzuführenden notwendigen Abklärungen im Sinne von Art. 43 ATSG beinhalten rechtsprechungsgemäss nicht das Recht des Versicherungsträgers, eine "second opinion" zum bereits in einem Gutachten festgestellten Sachverhalt einzuholen, wenn ihm dieser nicht passt (SVR 2007 UV Nr. 33 S. 111, U 571/06 E. 4.2).
 
Im vorliegenden Fall ist den Akten zu entnehmen, dass die IV-Stelle gestützt auf die Stellungnahme ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 7. April 2008 davon ausging, dass die zwar umfangreichen medizinischen Unterlagen nicht in allen Teilen nachvollziehbar seien, und dessen Empfehlung folgte, eine interdisziplinäre Begutachtung zu veranlassen. Darauf verweist auch das kantonale Gericht.
 
5.4 Die vom interdisziplinären Gutachten der Dres. med. H.________ und V.________ abweichenden ärztlichen Stellungnahmen vermögen keine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung zu begründen. Auch liegt in der Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, dass gestützt darauf und auf die frühere psychiatrische Begutachtung durch Dr. med. I.________ am 31. Januar 2006 nach der rentenablehnenden Verfügung vom 27. Oktober 2003 eine Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen eingetreten sei und deshalb ab 1. März 2004 ein Rentenanspruch bestanden habe, das psychische Leiden sich in der Folge jedoch verbessert, der somatische Gesundheitszustand sich hingegen seit dem 27. Oktober 2003 verschlechtert habe, der Beschwerdeführer indessen auch bei einer um 20% eingeschränkten Arbeitsfähigkeit per 30. Juni 2008 ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen zu erzielen vermöchte, keine Verletzung der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessenden Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; 124 V 180 E. 1a S. 181 und E. 2b S. 182; SVR 2001 IV Nr. 17 S. 49, I 582/99 E. 2a). Damit ist das Bundesgericht an die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen gebunden, was zur Abweisung der Beschwerde führt.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 15. Februar 2011
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Ursprung Durizzo
 
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