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Informationen zum Dokument  BGer 6B_906/2010  Materielle Begründung
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BGer 6B_906/2010 vom 31.01.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_906/2010
 
Urteil vom 31. Januar 2011
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Wiprächtiger,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. X.________,
 
2. Y.________,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, 6300 Zug,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Verwendung des Verwertungserlöses,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, Strafrechtliche Abteilung, vom 21. September 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Obergericht des Kantons Zug verurteilte A.________ am 10. November 2009 in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides wegen gewerbsmässigen Betrugs und Urkundenfälschung und verpflichtete ihn zur Zahlung von bestimmten Zivilforderungen an die Privatkläger 1-8. Es nahm von der Rechtskraft der Dispositiv-Ziff. F.1., letzter Satz, und Dispositiv-Ziff. F.2. des Urteils des Strafgerichts des Kantons Zug vom 22. Januar 2009 Vormerk, wonach die weitergehenden bzw. die von anderen Privatklägern, namentlich die von den durch Rechtsanwalt Benno Wild vertretenen Geschädigten, darunter auch X.________ und Y.________, geltend gemachten Ansprüche auf den Zivilweg verwiesen wurden. Das Obergericht des Kantons Zug ordnete ferner die Einziehung sowie die Verwertung bestimmter Schmuckgegenstände an und verwies den Entscheid über die Verwendung des diesbezüglichen Erlöses nach Art. 73 StGB in ein separates Verfahren.
 
B.
 
Mit Beschluss vom 21. September 2010 wies das Obergericht des Kantons Zug im anschliessenden Verfahren betreffend die Verwendung des Erlöses aus der Verwertung der Schmuckgegenstände zu Gunsten der Geschädigten (Art. 73 StGB) das Sistierungsgesuch von Rechtsanwalt Benno Wild ab. Seinen Antrag auf Verwendung des Verwertungserlöses auch zu Gunsten der von ihm vertretenen Geschädigten wies es ebenfalls ab. Den Privatklägern 1-8 sprach es proportionale Beträge des erzielten Netto-Verwertungserlöses von Fr. 64'699.-- im Verhältnis ihrer Zuweisungsansprüche zu.
 
C.
 
X.________ und Y.________ führen Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie beantragen, das Obergericht des Kantons Zug sei unter Aufhebung seines Beschlusses vom 21. September 2010 zu verpflichten, Art. 73 StGB, insbesondere Abs. 3, gegenüber allen diesbezüglich antragstellenden Geschädigten anzuwenden. Eventualiter sei das Verfahren bis zur Erledigung ihres hängigen Schadenersatzprozesses zu sistieren.
 
D.
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Der Entscheid über die Zusprechung des Erlöses aus der Verwertung eingezogener Gegenstände zu Gunsten der Geschädigten nach Art. 73 StGB ist ein Entscheid in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG (Urteil 6B_53/2009 vom 24. August 2009 E. 1.2 mit Hinweisen). Der Geschädigte ist zur Beschwerde dagegen legitimiert (BGE 136 IV 29 E. 1.9 S. 40 mit Hinweis).
 
1.2 Mangels rechtsgenügender Begründung ist auf den Antrag der Beschwerdeführer um Sistierung des Verfahrens, sofern er das vorinstanzliche Verfahren betrifft, nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.).
 
2.
 
2.1 Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 73 StGB. Sie bringen im Wesentlichen vor, im Idealfall seien Schadenersatzansprüche der Geschädigten adhäsionsweise im Strafverfahren zu beurteilen. Wenn dies nicht möglich sei, müsse das einfache und rasche Verfahren gemäss Art. 73 Abs. 3 StGB durchgeführt werden. Entsprechend der Ratio des Gesetzes hätte die Vorinstanz auch ihnen den Verwertungserlös, zumindest Quoten daran, zusprechen müssen, selbst wenn der genaue Betrag ihrer Zivilforderung(en) noch offen sei. Sie hätten die Strafbehörden genügend mit entsprechenden Belegen wie Zahlungsquittungen, Kontoauszügen etc. bedient. Art. 73 Abs. 3 StGB müsse speziell in den Fällen anwendbar sein, in denen über die Zivilforderungen nicht schon im Strafurteil entschieden worden sei. Wenn für dessen Anwendbarkeit aber vorausgesetzt werde, dass die Höhe des Schadenersatzes bzw. der Genugtuung gerichtlich oder durch einen Vergleich festgesetzt worden sei, werde diese Bestimmung sinn- und zweckentfremdet (Beschwerde S. 3 und 4 ff.).
 
2.2 Gemäss Art. 80 Abs. 1 BGG ist das Anfechtungsobjekt der Beschwerde an das Bundesgericht der letztinstanzliche kantonale Entscheid. Das ist vorliegend der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug vom 21. September 2010, welcher in einem vom vorangegangenen Strafverfahren separaten Verfahren über die Verwendung des Erlöses aus der Verwertung eingezogener Gegenstände im Sinne von Art. 73 Abs. 3 StGB erging. Auf die Vorbringen der Beschwerdeführer, die sich auf das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 10. November 2009 bzw. das Urteil des Strafgerichts des Kantons Zug vom 22. Januar 2009 beziehen, insbesondere auf die sinngemässe Rüge der Verweisung ihrer Zivilforderungen auf den Zivilweg, ist deshalb nicht einzutreten (Beschwerde S. 3 und 5 f.).
 
2.3
 
2.3.1 Gemäss Art. 73 StGB ("Verwendung zu Gunsten des Geschädigten") spricht das Gericht dem Geschädigten, der durch ein Verbrechen oder Vergehen einen Schaden erleidet, welcher nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, auf dessen Verlangen bis zur Höhe des Schadenersatzes bzw. der Genugtuung, die gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzt wurden, unter anderem die vom Verurteilten bezahlte Geldstrafe oder Busse (Abs. 1 lit. a), die eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten (Abs. 1 lit. b) oder die Ersatzforderungen (Abs. 1 lit. c) zu, wenn anzunehmen ist, dass der Täter den Schaden nicht ersetzen oder eine Genugtuung nicht leisten wird. Das Gericht kann die Verwendung zu Gunsten des Geschädigten jedoch nur anordnen, wenn letzterer den entsprechenden Teil seiner Forderung an den Staat abtritt (Abs. 2). Die Kantone sehen für den Fall, dass die Zusprechung nicht schon im Strafurteil möglich ist, ein einfaches und rasches Verfahren vor (Abs. 3).
 
2.3.2 Die Zuweisung nach Art. 73 StGB setzt unter anderem voraus, dass der Schadenersatz bzw. die Genugtuung in einem Straf- oder Zivilverfahren rechtskräftig zugesprochen oder durch Vergleich festgesetzt wurde (Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Band I, 2. Aufl. 2007, Art. 73 StGB N. 56 ff.; Florian Baumann, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 73 StGB N. 6 und 17). Mithin kann eine Zusprechung gemäss Art. 73 StGB entgegen der Beschwerde nicht nur erfolgen, wenn die entsprechende Zivilforderung in einem Strafurteil zugesprochen, sondern auch, wenn sie in einem rechtskräftigen Zivilentscheid oder durch einen Vergleich festgesetzt wurde. Vorliegend waren die Zivilforderungen der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Zuweisungsentscheides aber weder gerichtlich noch durch einen Vergleich festgelegt (angefochtener Entscheid S. 2 und 5). Vielmehr verwies das Gericht sie im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren auf den Zivilweg. Die diesbezüglichen Zivilverfahren sind noch nicht rechtskräftig erledigt. Die Vorinstanz erwägt damit zu Recht, dass die Beschwerdeführer über keinen Forderungstitel im Sinne von Art. 73 StGB verfügten, weshalb ihr Antrag auf Verwendung des Verwertungserlöses zu ihren Gunsten, abzuweisen sei (angefochtener Entscheid S. 5). Der Einwand der Beschwerdeführer, sie würden als Vertreter der aktivsten und grössten Geschädigtengruppe leer ausgehen, vermag nichts daran zu ändern, dass ihnen der erforderliche Forderungstitel fehlt. Unerheblich ist auch, dass die Beschwerdeführer ihre Zivilforderungen bei den Strafbehörden mittels Urkunden angeblich umfassend belegten. Nicht zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang ferner die Gründe für das Fehlen des entsprechenden Forderungstitels. Massgebend ist allein, dass vorliegend keine Forderungstitel im Sinne von Art. 73 StGB vorhanden sind. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.
 
2.3.3 Ebenfalls unbegründet ist die Rüge der Verletzung von Art. 73 Abs. 3 StGB. Gemäss dieser Bestimmung sehen die Kantone für den Fall, dass die Zusprechung nicht bereits im Strafurteil möglich ist, ein einfaches und rasches Verfahren vor. Art. 73 Abs. 3 StGB richtet sich als Gesetzgebungsauftrag lediglich an den kantonalen Gesetzgeber. Diese Bestimmung ist nicht direkt anwendbar, mithin kann der Verfahrensbeteiligte daraus keine Ansprüche auf ein besonderes Verfahren oder auf eine adhäsionsweise Beurteilung der Zivilforderungen im Strafverfahren ableiten (Urteil 6B_405/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 1.3.4 und Urteil 6S.203/2004 vom 15. Juni 2006 E. 4.2, letzteres zu Art. 60 aStGB, welcher Art. 73 StGB weitgehend entspricht; Schmid, a.a.O., Art. 73 StGB N. 67).
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG), unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung, sofern es sich auf das bundesgerichtliche Verfahren bezieht, gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 31. Januar 2011
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
 
Schneider Pasquini
 
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