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Informationen zum Dokument  BGer 6B_762/2010  Materielle Begründung
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BGer 6B_762/2010 vom 24.01.2011
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_762/2010
 
Urteil vom 24. Januar 2011
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Faga.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, vertreten durch Fürsprecher Rolf G. Rätz,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Generalprokurator des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Bedingter Strafvollzug (Art. 42 Abs. 2 StGB),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 5. August 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Kreisgericht II Biel-Nidau sprach X.________ am 30. März 2010 schuldig des versuchten und vollendeten Diebstahls, der Hehlerei, der Drohung sowie der Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Strassenverkehrsgesetz. Es verurteilte ihn, teilweise als Zusatzstrafe zu den Urteilen des Gerichtskreises II Biel-Nidau vom 11. November 2005 und des Untersuchungsrichteramts I Berner Jura-Seeland vom 23. November 2006, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 64 Tagen. Das Kreisgericht schob den Vollzug bei einer Probezeit von fünf Jahren auf. Ferner ordnete es, nachdem X.________ am 11. Januar 2007 bedingt aus einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe entlassen worden war, bei einer Reststrafe von zwei Monaten die Rückversetzung an.
 
Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft I Berner Jura-Seeland beschränkt auf den Strafpunkt Appellation. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X.________ mit Entscheid vom 5. August 2010 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten und 20 Tagen, dies als Gesamtstrafe und unter Berücksichtigung der Rückversetzung in den früheren Strafvollzug. Im Übrigen bestätigte es den erstinstanzlichen Entscheid.
 
B.
 
X.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils des Obergerichts und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung.
 
C.
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs. Der Beschwerdeführer bringt vor, entgegen der bundesrechtswidrigen Auffassung der Vorinstanz lägen in seinem Fall besonders günstige Umstände im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB vor.
 
1.2 Das Gericht schiebt den Vollzug in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen und Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Dies setzt beim Beschwerdeführer besonders günstige Umstände voraus, da er innerhalb der letzten fünf Jahre zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde (Art. 42 Abs. 2 StGB; Entscheid des Gerichtskreises II Biel-Nidau vom 11. November 2005). Der Rückfall im Sinne dieser Bestimmung ist ein Indiz dafür, dass der Täter weitere Straftaten begehen könnte. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs kommt daher nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz des Rückfalls eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Anders als beim nicht rückfälligen Täter nach Art. 42 Abs. 1 StGB ist die günstige bzw. das Fehlen einer ungünstigen Prognose nicht zu vermuten. Eine günstige Prognose kann vielmehr bloss gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die ausschliessen, dass der Rückfall die Prognose verschlechtert. Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht, oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters (BGE 134 IV 1 E. 4.2.3 S. 6 f.).
 
1.3 Die Vorinstanz beurteilt legalprognostisch als ungünstig, dass der Beschwerdeführer zahlreiche Vorstrafen aufweist. Sie hält fest, dass die jüngsten Strassenverkehrs- und Betäubungsmitteldelikte einschlägige Rückfälle darstellen würden. Weiter falle negativ ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer trotz früherer Vollzugserfahrung und ungeachtet der Probezeit nach einer bedingten Entlassung wieder mehrfach delinquiert habe. Die überaus grosse indizielle Befürchtung weiterer Straftaten werde durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. Februar 2010 eine Arbeitsstelle habe, nicht kompensiert. Ebenso wenig spreche gegen eine Rückfallgefahr, dass der Beschwerdeführer laut Auszug aus dem Strafregister seit rund drei Jahren keine Straftaten begangen habe (angefochtener Entscheid S. 21 ff.).
 
1.4 Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung durfte die Vorinstanz die Gewährung des bedingten Strafvollzugs im Sinne von Art. 42 Abs. 2 StGB verweigern. Der Beschwerdeführer beging in den Jahren 1993 bis 2007 in regelmässigen und mehrheitlich kurzen Abständen zahlreiche Straftaten. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer in Bezug auf die Strassenverkehrs- und Betäubungsmitteldelikte einschlägig vorbestraft. Dies trifft ebenso auf den Tatbestand der Drohung zu. Abgesehen von einer vierjährigen Freiheitsstrafe aus dem Jahre 1996, deren Vollzug zu Gunsten einer Massnahme aufgeschoben wurde, weist der Beschwerdeführer fünf Freiheitsstrafen aus den Jahren 1997 bis 2006 auf, die alle vollzogen wurden. Er beging die im vorinstanzlichen Verfahren beurteilten Straftaten mehrheitlich während einer laufenden Probezeit, nachdem er kurz zuvor am 11. Januar 2007 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden war. Gleichzeitig fallen diese Delikte in eine Zeit, als der Beschwerdeführer auf den Vollzug einer weiteren (am 23. November 2006 gefällten) Freiheitsstrafe warten musste. Der Beschwerdeführer liess sich demnach von früheren Verurteilungen, von bereits vollzogenen respektive noch zu vollziehenden Freiheitsstrafen und von einer probeweisen Entlassung aus dem Vollzug nicht hinreichend beeindrucken. Vielmehr zieht sich seine Delinquenz wie ein roter Faden durch die vergangenen Lebensjahre. Soweit er ausführt, seit seiner Haftentlassung unter Beweis gestellt zu haben, dass er sich verändert habe und sein Leben ohne Straftaten führen könne, ist darauf hinzuweisen, dass er die ihm zur Last gelegte Drohung kurz nach der Entlassung aus der rund zweimonatigen Untersuchungshaft beging. Der Beschwerdeführer bringt zudem vor, eine verantwortungsvolle Arbeit gefunden und in deren Rahmen Spezialausbildungen genossen zu haben, wobei sich für letztere Behauptung in den vorinstanzlichen Akten (abgesehen von einem eintägigen Kurs im Jahre 2009) keine Belege finden. Selbst wenn beim Beschwerdeführer im familiären und beruflichen Bereich (vgl. act. 10) eine positive Entwicklung eingesetzt haben sollte, handelt es sich um eine solche, die von einem Straftäter grundsätzlich erwartet werden darf. Diese stellt keine ausserordentlich positive Veränderung in den Lebensumständen des Beschwerdeführers dar. Von besonders günstigen Umständen kann deshalb nicht gesprochen werden. Dass die Vorinstanz die ausgefällte Freiheitsstrafe für vollziehbar erklärt, verstösst somit nicht gegen Art. 42 StGB.
 
2.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Januar 2011
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Faga
 
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