VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 9C_642/2007  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 9C_642/2007 vom 14.12.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_642/2007
 
Urteil vom 14. Dezember 2007
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Parteien
 
S.________, Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Frey, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 28. August 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2005 lehnte die IV-Stelle des Kantons Aargau das Gesuch des 1967 geborenen S.________ um Zusprechung von Leistungen der Invalidenversicherung ab, woran sie mit Einspracheentscheid vom 28. Dezember 2006 festhielt.
 
B.
 
Auf die hiegegen am 8. Februar 2007 eingereichte Beschwerde trat das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zufolge Fristversäumnisses nicht ein (Entscheid vom 28. August 2007).
 
C.
 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es über die Beschwerde vom 8. Februar 2007 materiell entscheide; ferner ersucht er um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Mit Verfügung vom 12. November 2007 wies das Bundesgericht dieses Gesuch ab und forderte S.________ zur Leistung eines Kostenvorschusses auf. Innert Frist bezahlte der Versicherte den einverlangten Kostenvorschuss. Mit Eingabe vom 23. November 2007 äusserte er sich zur Frage der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zufolge Fristversäumnisses zu Recht nicht auf die am 8. Februar 2007 eingereichte Beschwerde eingetreten ist.
 
2.
 
2.1 Es steht fest, dass der Einspracheentscheid dem Beschwerdeführer am 3. Januar 2007 zugestellt wurde. Die 30tägige Beschwerdefrist begann demnach am 4. Januar 2007 zu laufen und endete gemäss Art. 60 Abs. 1 ATSG am 2. Februar 2007 mit der Folge, dass die am 8. Februar 2007 der Post übergebene Beschwerde verspätet eingereicht wurde.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei für die Fristberechnung das kantonale Prozessrecht massgebend; laut dessen Bestimmungen zum Fristenstillstand sei die Beschwerdefrist gewahrt worden.
 
2.2 Im angefochtenen Entscheid wurde geprüft, ob der Beschwerdeführer sich aufgrund des Schreibens des kantonalen Gerichts an den Aargauischen Anwaltsverband vom 30. Januar 2006, worin festgehalten wurde, dass bis längstens Ende 2007 mit Bezug auf den Fristenstillstand kantonales Recht gelte, mit Erfolg auf den Vertrauensschutz (BGE 127 I 31 E. 3a S. 36; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 113/06 vom 8. Mai 2006; vgl. BGE 127 I 3 E. 3a S. 36) berufen könne. Die Vorinstanz hat diese Frage jedoch verneint. In der Begründung wies sie auf das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 8. März 2006 (BGE 132 V 361) hin, wonach u.a. im Bereich der Invalidenversicherung die Fristbestimmungen des Art. 38 ATSG zur Anwendung kommen und kein Raum für das kantonale Recht verbleibt. Heft 6 von BGE 132 V, welches dieses Urteil enthält, sei bereits am 16. Januar 2007 und damit vor Einreichung der Beschwerde (am 8. Februar 2007) erschienen. Überdies sei die Inhaltsangabe des Urteils vom 8. März 2006 bereits im Oktober in SVR 2006, Heft 10, IV Nr. 44, publiziert worden. Noch früher sei der Bundesgerichtsentscheid auf Internet abrufbar gewesen. Schliesslich sei der Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 28. Dezember 2006 mit einer hinsichtlich des Fristenstillstands korrekten Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen. Unter diesen Umständen falle eine Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ausser Betracht.
 
2.3 Diesen Erwägungen ist beizupflichten. Zwar trifft es zu, dass der Vertrauensschutz auch und erst recht gilt, wenn eine richterliche Behörde eine unrichtige Auskunft erteilt (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 113/06 vom 8. Mai 2006). Eine derartige falsche Auskunft könnte im vorliegenden Fall im Brief des kantonalen Versicherungsgerichts vom 30. Januar 2006 an den Aargauischen Anwaltsverband erblickt werden, worin auf drei Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 26. August 2005 (BGE 131 V 305, 314, 325) betreffend vorläufige Weitergeltung der kantonalen Fristenstillstandsregeln sowie darauf hingewiesen wurde, dass bis Ende 2007 demzufolge weiterhin die Fristenstillstandsbestimmungen gemäss § 89 f. der kantonalen Zivilprozessordnung zu beachten seien. Anders als in dem, dem Urteil U 113/06 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 8. Mai 2006 zugrunde liegenden Sachverhalt, wo die massgebenden Grundsatzentscheide vom 26. August 2005 erst mehrere Monate nach Aufgabe der Beschwerde am 10. Mai 2005 ergangen waren, lag das im vorliegenden Fall bedeutsame Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 8. März 2006 (BGE 132 V 361) längst vor, als der Versicherte am 8. Februar 2007 seine Beschwerde einreichte. Zudem war der Entscheid vom 8. März 2006 in der Amtlichen Sammlung (BGE 132 V 361) vor Einreichung der Beschwerde publiziert, wie die Vorinstanz richtig bemerkt und was in der Eingabe vom 23. November 2007 zu Unrecht in Abrede gestellt wird: BGE 132 V 361 lag seit 16. Januar 2007 in Form eines in der Amtlichen Sammlung publizierten Urteils vor. Damals lief die Beschwerdefrist noch, und zwar nach Massgabe dieses amtlich publizierten Urteils noch bis am 2. Februar 2007. Wenn der Beschwerdeführer trotz dieser erkennbaren geklärten Rechtslage bis am 8. Februar 2007 zuwartete, ist dies unerfindlich und lässt sich jedenfalls nicht mit dem Vertrauensschutz rechtfertigen, zumal - aus welchen Gründen auch immer - der angefochtene Einspracheentscheid der IV-Stelle vom 28. Dezember 2006 tatsächlich eine korrekte Rechtsmittelbelehrung enthielt, welche auf die bundesrechtlichen Fristenstillstandsbestimmungen gemäss Art. 38 ATSG hinwies. Davon abzuweichen bestand im Übrigen umso weniger Anlass, als gemäss einem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) fliessenden, in Art. 49 BGG ausdrücklich verankerten Grundsatz des öffentlichen Prozessrechts den Parteien aus einer fehlerhaften behördlichen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen darf (BGE 131 I 153 E. 4 S. 158, 124 I 255 E. 1a/aa S. 258). Somit konnte sich der Beschwerdeführer auf die Rechtsmittelbelehrung der Verwaltung verlassen, ohne nachteilige Folgen einer falschen Fristangabe gewärtigen zu müssen.
 
2.4 Mit Blick auf die zutreffende Rechtsmittelbelehrung im Einspracheentscheid und den dargelegten zeitlichen Ablauf kann im Schreiben der Vorinstanz an den kantonalen Anwaltsverband vom 30. Januar 2006 keine Grundlage für eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz erblickt werden, woran sämtliche Ausführungen in der Beschwerde und in der Eingabe vom 23. November 2007 nichts zu ändern vermögen.
 
3.
 
Entsprechend dem Prozessausgang sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
4.
 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG, insbesondere ohne Durchführung eines Schriftenwechsels, erledigt.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 14. Dezember 2007
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Widmer
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).