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Informationen zum Dokument  BGer 6B_462/2007  Materielle Begründung
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BGer 6B_462/2007 vom 12.11.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_462/2007 /rom
 
Urteil vom 12. November 2007
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Niklaus Ruckstuhl,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel.
 
Gegenstand
 
Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305ter StGB),
 
Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 3. April 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, befand X.________ am 3. April 2007 zweitinstanzlich der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305ter StGB) für schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 5'000.-- respektive bei schuldhafter Nichtbezahlung zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Das Gericht erwog, X.________ habe in seiner Funktion als Kadermitarbeiter der Migros Bank am 11./12. Oktober 1999 trotz objektiver Anhaltspunkte, dass ein formell berechtigter Kontoinhaber an einem auf dessen Konto einbezahlten Betrag von Fr. 2'385'000.-- nicht auch wirtschaftlich berechtigt war, keine weiteren Identifizierungshandlungen zur Eruierung der wirtschaftlichen Berechtigung unternommen. Alsdann habe X.________ - ohne weitere Abklärungen zu tätigen - auf Aufforderung des Kontoinhabers hin, die Auszahlung eines Grossteils dieses Betrags veranlasst.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 3. April 2007 sei aufzuheben. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
 
C.
 
Mit Vernehmlassungen vom 13. September 2007 bzw. 28. September 2007 beantragen die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und das Appellationsgericht die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 hat X.________ zu diesen Eingaben Stellung bezogen. In ihren Dupliken vom 16. Oktober 2007 bzw. 29. Oktober 2007 halten die Staatsanwaltschaft und das Appellationsgericht an ihren Anträgen fest.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts und damit einen Verstoss gegen Art. 9 BV vor. Entgegen der Darstellung im angefochtenen Urteil seien ihm nämlich nicht rund zwei Wochen, sondern lediglich zwei Arbeitstage zur Vorbereitung der zweitinstanzlichen Hauptverhandlung zur Verfügung gestanden. Zwar sei der Verhandlungstermin vom 3. April 2007 (bereits) mit Verfügung vom 9. März 2007 angesetzt worden. Da jedoch sein Verteidiger vom 9. bis 27. März 2007 in den Ferien geweilt sei, am 27. März 2007 die Sitzungen des Kantonsgerichts vom 28. März 2007 - bei welchen er als Richter geamtet habe - vorbereitet habe und am 29. März 2007 an der Universität Luzern als Dozent engagiert gewesen sei, habe die tatsächliche Vorbereitungszeit nur zwei Arbeitstage betragen.
 
Wie sich aus den Verfügungen vom 22. und 29. März 2007 (vgl. act. 514 f. und 521) und der Urteilsbegründung ergibt, ist die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht (ebenfalls) davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer - entgegen der offensichtlich auf einem Versehen beruhenden Feststellung in Ziffer 1.1 des angefochtenen Urteils - nicht zwei Wochen, sondern zwei Arbeitstage zur Vorbereitung seines Plädoyers zur Verfügung standen. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung liegt somit nicht vor.
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Frist von zwei Tagen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung sei zu kurz bemessen. Im Ergebnis würden hierdurch seine in Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK garantierten Verteidigungsrechte missachtet. Angesichts der Komplexität des Falls sei es für seinen Rechtsvertreter nicht zumutbar gewesen, innert zwei Tagen sein Plädoyer unter Einbezug der Appellationsantwort der Staatsanwaltschaft zu erarbeiten. Zudem sei die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bezüglich der nach dem neuen Allgemeinen Teil des StGB auszusprechenden Strafe seinem Anwalt erst am Vortag der Verhandlung per Fax zugestellt worden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die drohende Verjährung nicht ihm, sondern den Strafverfolgungsbehörden anzulasten sei.
 
3.2 Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten auf ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Wie viel Zeit erforderlich ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Massgebend sind die Umstände des konkreten Falls. Dabei sind etwa Umfang und Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, die jeweilige Art des Verfahrens sowie das Verfahrensstadium und die Lage der Verteidigung zu berücksichtigen (Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999 Rz. 509 f.; Arthur Haefliger/ Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 221; Jochen Frowein/Wolfgang Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl u.a. 1996, Art. 6 Rz. 179).
 
Als Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ist das Recht auf rechtzeitige Bekanntgabe des gerichtlichen Verhandlungstermins im Sinne einer strafprozessualen Garantie auch in Art. 32 Abs. 2 BV enthalten.
 
3.3 Die Vorinstanz hat erwogen, wegen der drohenden Verfolgungsverjährung habe die Verhandlung relativ kurzfristig angesetzt werden müssen. Dabei sei der Termin für die Verhandlung erst nach diversen Kontakten und Abklärungen in Absprache mit dem Sekretariat des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers festgelegt worden. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, dass der Verteidiger den Beschwerdeführer bereits vor der ersten Instanz vertreten und somit Kenntnis vom Fall und den Akten gehabt habe. Ferner habe der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers seine Appellation schriftlich begründet und dafür eine Frist von 2 1/2 Monaten eingeräumt erhalten, weshalb für die Hauptverhandlung kein grosser Vorbereitungsaufwand mehr von Nöten gewesen sei. Insbesondere seien keine Zeugen geladen gewesen, so dass es einzig um die Ausarbeitung des Plädoyers gegangen sei. Schliesslich zeige der Parteivortrag, dass die Verteidigung sehr wohl in der Lage gewesen sei, sich gründlich auf die Verhandlung vorzubereiten (angefochtenes Urteil S. 3).
 
3.4 Die vorinstanzliche Argumentation erweist sich als stichhaltig:
 
Der Beschwerdeführer wusste um den Verjährungseintritt vom 11. April 2007 und musste deshalb mit einer Ansetzung der Hauptverhandlung kurz nach Abschluss des Schriftenwechsels rechnen. Auch kann von einem Rechtsanwalt bei zeitlicher Dringlichkeit eines Falls erwartet werden, dass er andere Arbeiten aufschiebt. Von dem auf den 3. April 2007 angesetzten Verhandlungstermin erfuhr das Sekretariat des Vertreters des Beschwerdeführers bereits am 12. März 2007. Es blieb mithin genügend Zeit, um mit ihm entweder für den 30. März oder den 2. April 2007 einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Wie die Vorinstanz zudem verbindlich festgestellt hat, ist der Verhandlungstermin mit dem Sekretariat des Verteidigers abgesprochen worden. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann insoweit von den Gerichtsbehörden nicht verlangt werden, dass sie zur Vereinbarung eines Verhandlungstermins bis zur Rückkehr des Parteivertreters aus den Ferien zuwarten.
 
Im zu beurteilenden Fall fällt insbesondere auch massgeblich ins Gewicht, dass der Verteidiger den Beschwerdeführer bereits vor der ersten Instanz vertreten hat und folglich mit der Materie vertraut war. Die schriftliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils wurde dem Beschwerdeführer bereits Ende Oktober 2006 zugestellt, und für die Begründung seiner Appellation wurde ihm eine grosszügig bemessene Frist von 2 1/2 Monaten gewährt. Während dieser Zeitspanne konnte sich sein Verteidiger vertieft mit den sich stellenden Rechtsfragen befassen, so dass sich der Vorbereitungsaufwand für die Hauptverhandlung in engen Grenzen hielt. Dies gilt umso mehr, als dass der Sachverhalt unbestritten ist und keine Fragen, welche nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren behandelt wurden, zu thematisieren waren (vgl. hierzu Wolfgang Wohlers, Bemerkungen zu BGE 131 I 185, AJP 5/2006, S. 624). Zudem ist der Fall nicht besonders umfangreich und nicht von grosser rechtlicher Komplexität. Im Übrigen macht der Beschwerdeführer weder geltend noch weist er nach, dass die kurze Vorbereitungsfrist tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung seiner Verteidigungsrechte gehabt hätte.
 
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich rügt, er habe nicht hinreichend Zeit erhalten, sich mit den nach dem neuen Allgemeinen Teil des StGB drohenden Sanktionen auseinander zu setzen, kann ihm nicht gefolgt werden, wusste er doch um die ab dem 1. Januar 2007 geltende neue Rechtslage. Zur Beurteilung der Strafmassanträge der Staatsanwaltschaft bedurfte er deshalb keiner besonderen Vorbereitungszeit. Ferner ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft nach der kantonalen Strafprozessordnung ihre Anträge auch erst im Anschluss an ihr Plädoyer hätte stellen können (vgl. § 180 f. StPO/BS), weshalb der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht ausreichend Zeit gehabt, sich mit der Appellationsantwort und den Strafmassanträgen zu befassen, bereits aus diesem Grund nicht verfängt.
 
3.5 Unabhängig davon, ob er die aufgrund der drohenden Verjährung entstandene Zeitknappheit durch Verfahrensverzögerungen mitzuverantworten hat oder nicht, ist im konkreten Fall eine Vorbereitungszeit von zwei Werktagen als ausreichend für die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte zu bewerten. Die Vorinstanz hat deshalb mit der eher kurzfristigen Ansetzung des Verhandlungstermins weder gegen Art. 29 Abs. 2 oder Art. 32 Abs. 2 BV noch gegen Art. 6 Ziff. 1 bzw. Ziff. 3 lit. b EMRK verstossen.
 
4.
 
Die Beschwerde ist demnach vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. November 2007
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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