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Informationen zum Dokument  BGer 2A_124/2007  Materielle Begründung
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BGer 2A_124/2007 vom 25.10.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.124/2007 /aka
 
Urteil vom 25. Oktober 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Walter Regli,
 
gegen
 
Kantonale Steuerverwaltung Appenzell Innerrhoden, Marktgasse 2, 9050 Appenzell,
 
Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht, Unteres Ziel 20, 9050 Appenzell.
 
Gegenstand
 
Verrechnungssteuer 2001,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht, vom 5. Dezember 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Ehegatten X.________ reichten für das Steuerjahr 2001 - wie schon in den Vorjahren - keine Steuererklärung ein. Dementsprechend wurden sie mit Verfügung vom 12. Dezember 2002 für das Steuerjahre 2001 für die Staats-, Bezirks- und Gemeindesteuern und für die direkte Bundessteuer nach pflichtgemässem Ermessen eingeschätzt. In der gleichen Verfügung wurde der Rückerstattungsanspruch für die Verrechnungssteuer der Fälligkeiten 2001 auf null festgesetzt. Die Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
 
Am 30. September 2004 reichten die Steuerpflichtigen ein Wiedererwägungsgesuch betreffend die Ermessensveranlagung vom 12. Dezember 2002 für das Steuerjahr 2001 ein. Dem Wiedererwägungsgesuch legten sie die ausgefüllte (aber nicht unterzeichnete) Steuererklärung 2001b samt Wertschriftenverzeichnis für die Fälligkeiten des Jahres 2001 bei. Begründet wurde das Gesuch damit, dass der Steuerpflichtige seit 2001 als CEO der Y.________ unselbständig erwerbstätig sei und die Buchhaltung infolge des Wechsels von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit erschwert worden sei.
 
Mit Verfügung vom 26. November 2004 nahm die Kantonale Steuerverwaltung Appenzell I.Rh. das Wiedererwägungsgesuch betreffend die Ermessensveranlagung als Revisionsgesuch entgegen; sie trat jedoch darauf nicht ein, weil die Steuerpflichtigen die neu vorgebrachten Tatsachen bei zumutbarer Sorgfalt bereits im ordentlichen Verfahren hätten geltend machen können.
 
In einer weiteren Verfügung vom 30. August 2005 trat die Kantonale Steuerverwaltung Appenzell I.Rh. auch auf den Rückerstattungsantrag für die Verrechnungssteuer nicht ein, weil über den Rückerstattungsanspruch für Fälligkeiten des Jahres 2001 mit Veranlagungsverfügung vom 12. Dezember 2002 rechtskräftig entschieden worden sei. Eine Einsprache wies sie am 15. Dezember 2005 ab.
 
B.
 
Gegen den Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2005 erhoben die Steuerpflichtigen Beschwerde beim Kantonsgericht Appenzell I.Rh. Sie beantragten, die Ermessensveranlagung vom 12. Dezember 2002 betreffend Rückerstattung der Verrechnungssteuer sei als nichtig zu erklären und es sei ihnen die Verrechnungssteuer für die Fälligkeiten des Jahres 2001 zurückzuerstatten.
 
Mit Entscheid vom 5. Dezember 2006 wies das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. (Abteilung Verwaltungsgericht) die Beschwerde ab und bestätigte die Verfügung der kantonalen Steuerverwaltung vom 30. August 2005 sowie deren Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2005.
 
C.
 
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. führen die Ehegatten X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher sie die vor dem Kantonsgericht gestellten materiellen Anträge erneuern.
 
Die Steuerverwaltung des Kantons Appenzell I.Rh., das Kantonsgericht Appenzell I.Rh. sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung verzichteten auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Da der hier angefochtene Entscheid vor diesem Datum erging, findet auf das vorliegende Verfahren noch das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) mit den seitherigen Änderungen Anwendung (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).
 
2.
 
Die Beschwerdeführer machen keinen Revisions- bzw. Wiedererwägungsgrund mehr geltend. Streitig ist einzig noch, ob das Begehren um Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf den Fälligkeiten des Jahres 2001 deshalb zu behandeln ist, weil der Entscheid über den Rückerstattungsanspruch (mit null Franken) gemäss Veranlagungsverfügung (Ermessensveranlagung) vom 12. Dezember 2002 nichtig ist.
 
3.
 
3.1 Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit, d.h. absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, wird nur angenommen, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwer wiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 133 II 136 E. 3.2.1; 132 II 21 E. 3.1 S. 27 mit Hinweisen).
 
3.2 Von Nichtigkeit in diesem Sinne kann hinsichtlich der Verfügung vom 12. Dezember 2002 nicht gesprochen werden. Zwar war die Verfügung, mit welcher der Rückerstattungsanspruch auf null festgesetzt wurde, im Lichte der Rechtsprechung (vgl. BGE 113 Ib 128) allenfalls unrichtig, weil der Steuerverwaltung die Höhe des Wertschriftenvermögens und die daraus fliessenden Erträge aus den in früheren Jahren eingereichten Wertschriftenverzeichnissen dem Grundsatz nach bekannt waren und sie bei der Ermessenstaxation auch entsprechende Beträge einsetzte. Indessen ist die Verfügung nicht angefochten worden und in Rechtskraft erwachsen. Es könnte darauf nur zurückgekommen werden, wenn ein Revisions- bzw. Wiederherstellungsgrund gegeben wäre oder wenn die Einsprachefrist wieder hergestellt werden müsste. Beides ist offensichtlich nicht der Fall und wird in der Beschwerde auch nicht geltend gemacht. Ohnehin wäre fraglich, ob die Beschwerdeführer aus der zitierten Rechtsprechung etwas zu ihren Gunsten ableiten könnten, nachdem sie bereits in den Vorjahren ihre Deklarationspflicht vernachlässigt haben (vgl. auch BGE 113 Ib 128 E. 2c S. 130 f.).
 
3.3 Dass der Entscheid über den Rückerstattungsanspruch bei der Verrechnungssteuer mit der ordentlichen Veranlagung verbunden wurde, entspricht allgemeiner Übung (vgl. Art. 52 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965, VStG, SR 642.21StG) und hat ebenfalls keine Nichtigkeit der Verfügung vom 12. Dezember 2002 zur Folge. Die Besonderheit bei diesem Vorgehen besteht lediglich darin, dass die Verwaltung über den Rückerstattungsanspruch befunden hat, obschon ein solcher Antrag nicht gestellt wurde. Die Beschwerdeführer gingen damit ihres Rechts, den Rückerstattungsanspruch zu beziffern, verlustig. Im Kanton Appenzell bestand indessen - entsprechend oder analog Art. 31 Abs. 3 VStG - bereits früher die Praxis, dass antragslos zurückerstattet wird, wenn bis zum 31. März, d.h. mit der Steuererklärung, kein Rückerstattungsantrag vorliegt (vgl. W. Robert Pfund/Bernhard Zwahlen, Verrechnungssteuer II. Teil, Basel 1985, N 5.3 zu Art. 29 Abs. 4 VStG). Im vorliegenden Fall reichten die Beschwerdeführer für das Steuerjahr 2001 (Übergangsjahr wegen Wechsels des Bemessungssystems) trotz Mahnungen vom 23. November 2001, 5. April 2002, 22. August 2002 und 16. Oktober 2002 weder die Steuererklärung 2001a noch 2001b ein. Wenn daher die Steuerverwaltung gleichzeitig mit der Veranlagungsverfügung und ohne Rückerstattungsantrag über den Anspruch befand, ist das unter den gegebenen Umständen kein Mangel, welcher die Annahme von Nichtigkeit rechtfertigen würde, zumal die Beschwerdeführer die Möglichkeit hatten, Einsprache zu erheben, worauf sie ausdrücklich hingewiesen wurden.
 
4.
 
Die Beschwerde ist unbegründet und daher abzuweisen. Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 und 7 OG). Ein Anspruch auf Parteientschädigung besteht nicht (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Kantonalen Steuerverwaltung Appenzell I.Rh., dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh. sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 25. Oktober 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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