VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1P_98/2007  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1P_98/2007 vom 13.09.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.98/2007 /daa
 
Urteil vom 13. September 2007
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
 
Gerichtsschreiber Thönen.
 
Parteien
 
- A.________, Beschwerdeführer 1,
 
- B.________ AG, Beschwerdeführerin 2,
 
beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Strehle,
 
gegen
 
C.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Laszlo Georg Séchy,
 
Statthalteramt des Bezirkes Bülach, Bahnhofstrasse 3, Postfach, 8180 Bülach,
 
Bezirksgericht Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, Spitalstrasse 13, 8180 Bülach.
 
Gegenstand
 
Rechtsverweigerung, Kostenentscheid,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügungen
 
des Bezirkes Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen,
 
vom 22. Dezember 2006 und vom 2. Februar 2007.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ und die B.________ AG erstatteten am 14. November 2003 beim Statthalteramt des Bezirkes Bülach Strafanzeige gegen C.________ und eine weitere Person wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung.
 
Mit Strafverfügung vom 14. Juli 2005 bestrafte das Statthalteramt C.________ wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung mit einer Busse von Fr. 300.--. Die strafbare Handlung soll mit einer E-Mail vom 7. Mai 2003 begangen worden sein.
 
Mit Verfügung vom 2. Dezember 2005 hob die Einzelrichterin des Bezirksgerichtes Bülach diese Strafverfügung auf und sprach C.________ vom Vorwurf des Verstosses gegen eine amtliche Verfügung frei. Dagegen führten A.________ und die B.________ AG Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, welches darauf nicht eintrat, und danach erfolgreich Beschwerde an das Bundesgericht (Urteil 1P.600/2006 vom 21. Dezember 2006). Der Fall ist wieder beim Obergericht hängig.
 
B.
 
Gegen die genannte Strafverfügung vom 14. Juli 2005 führten A.________ und die B.________ AG am 9. September 2005 Rekurs und wandten sich gegen die teilweise Einstellung des Strafverfahrens. Sie gingen davon aus, dass die Strafverfügung nicht nur eine Bussenverfügung wegen der E-Mail vom 7. Mai 2003, sondern bezüglich eines Schreibens vom 13. November 2003 sinngemäss auch eine Verfahrenseinstellung enthalte.
 
Die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach trat mit Verfügung vom 22. Dezember 2006 auf den Rekurs nicht ein. Sie auferlegte die Kosten des Rekursverfahrens von insgesamt Fr. 1'044.-- den Rekurrenten, und sprach C.________ eine Prozessentschädigung von Fr. 600.-- zu (Dispositiv-Ziffer 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, die Strafverfügung vom 14. Juli 2005 beinhalte keine teilweise Einstellung des Strafverfahrens. Es fehle somit an einem formellen Anfechtungsobjekt in Form einer Einstellungsverfügung. Im Übrigen sei die betreffende Handlung verjährt.
 
Mit Verfügung vom 2. Februar 2007 erläuterte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach Dispositiv-Ziffer 4 ihrer Verfügung vom 22. Dezember 2006 dahingehend, dass die Rekurrenten (A.________ und B.________ AG) zur Zahlung der Prozessentschädigung verpflichtet werden.
 
C.
 
A.________ und die B.________ AG führen mit Eingabe vom 28. Februar 2007 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 9 BV und Art. 13 EMRK. Sie beantragen, die angefochtenen Verfügungen vom 22. Dezember 2006 und vom 2. Februar 2007 seien aufzuheben und die Sache sei zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem stellen sie das Gesuch, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren.
 
D.
 
Das Statthalteramt und die Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. C.________ beantragt, die B.________ AG sei zu verpflichten, einen aktuellen Handelsregisterauszug sowie eine aktuelle Prozessvollmacht beizubringen. Im Übrigen hat er auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Mit Schreiben vom 6. und 10. Juli 2007 hat die Rechtsvertreterin für die B.________ AG und A.________ je eine schriftliche Vollmacht eingereicht.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Gemäss Art. 132 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) ist dieses Gesetz auf ein Beschwerdeverfahren nur anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem 1. Januar 2007 ergangen ist.
 
Die vorliegende Beschwerde richtet sich im Wesentlichen gegen die zuvor ergangene Verfügung vom 22. Dezember 2006. Daher ist sie nach der Rechtsmittelordnung zu beurteilen, die vor dem Inkrafttreten des BGG galt. Anwendbar ist namentlich das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 (OG).
 
1.2 Die Verfügung vom 22. Dezember 2006 wurde den Beschwerdeführern am 29. Januar 2007 zugestellt. Die Beschwerde vom 28. Februar 2007 erfolgte innert der Frist von 30 Tagen (Art. 89 Abs. 1 OG).
 
1.3 Der Beschwerdegegner bezweifelt, ob die Vertreterin von der Beschwerdeführerin 2 für das bundesgerichtliche Verfahren gültig bevollmächtigt wurde. Ob die Vollmacht der Beschwerdeführerin 2 den Anforderungen genügt, braucht nicht weiter untersucht zu werden, da jedenfalls der Beschwerdeführer 1 gültig bevollmächtigt ist. Deshalb stellt sich die Frage einer allfälligen Verbesserung nicht.
 
1.4 Die Beschwerdeführer wurden zur Zahlung der Gerichtskosten von Fr. 1'044.-- und einer Prozessentschädigung von Fr. 600.-- verpflichtet (Dispositiv-Ziff. 2 bis 4 der Verfügung vom 22. Dezember 2006 und Erläuterungsverfügung vom 2. Februar 2007). In dieser Hinsicht greifen die angefochtenen Verfügungen in rechtlich geschützte Interessen der Beschwerdeführer ein. Insoweit sind sie gemäss Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Allerdings ist eine uneingeschränkte Überprüfung der Sache ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung ist der durch eine strafbare Handlung angeblich Geschädigte bzw. der Anzeiger grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Einstellung des Strafverfahrens staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Der Strafanspruch steht ausschliesslich dem Staat zu (BGE 131 I 455 E. 1.2.1 S. 458 f.; 128 I 218 E. 1.1 S. 119; 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.). Folglich bleibt die verfassungsrechtliche Kontrolle auf den Kostenspruch als solchen beschränkt und kann nicht dazu führen, dass indirekt auch der angefochtene Entscheid in der Sache überprüft wird (vgl. BGE 129 II 297 E. 2.2 S. 300; 109 Ia 90/91).
 
2.
 
Die Beschwerdeführer rügen eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV). Die Strafverfügung vom 14. Juli 2005 sei eine rekursfähige Einstellungsverfügung, soweit sie sich mit dem Schreiben vom 13. November 2003 befasse.
 
2.1 Die Frage ist nur insoweit zu behandeln, als sie dazu führte, dass die Beschwerdeführer mit ihrem Rekurs unterlagen und infolgedessen kostenpflichtig wurden.
 
2.2 Gemäss dem anwendbaren kantonalen Recht (§ 396a StPO/ZH) erfolgen die Auflage der Kosten und die Zusprechung einer Entschädigung in der Regel im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten. Von dieser Regel kann in begründeten Fällen abgewichen werden, namentlich wenn sich eine Partei in guten Treuen zu ihren Anträgen veranlasst sah.
 
2.3 Angefochten sind die Verfügung vom 22. Dezember 2006 und die Erläuterung vom 2. Februar 2007. Die Einzelrichterin ist aus mehreren Gründen auf das kantonale Rechtsmittel nicht eingetreten. Im Vordergrund steht die Erwägung, wonach es an einem Anfechtungsobjekt mangle: Die Annahme der Beschwerdeführer, die Strafverfügung vom 14. Juli 2005 beinhalte auch eine Einstellung, wird verworfen. Im Rekursverfahren gegen die Strafverfügung stelle sich die Frage einer allfälligen Unterlassung des Statthalteramtes nicht. Diesbezüglich hätten die Beschwerdeführer bei der für das Polizeiwesen zuständigen Direktion Rekurs gegen das "Verfahren" einlegen müssen (Verfügung vom 22. Dezember 2006, Erwägung Ziff. 5.1.2).
 
2.4 Diese Entscheidgründe sind haltbar. Die Strafverfügung vom 14. Juli 2005 enthält bezüglich des Schreibens vom 13. November 2003 formell keine Anordnung. Deshalb stellt der Nichteintretensentscheid keine Rechtsverweigerung dar. Angesichts dieses Ergebnisses ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Kostenentscheid verfassungsmässige Rechte verletzen soll. Eine willkürliche Anwendung von § 396a StPO/ZH liegt nicht vor, wenn die Einzelrichterin im Hinblick auf den Hauptgrund für das Nichteintreten davon absah, vom Unterliegen-Prinzip abzuweichen. Damit erübrigt es sich, auf die weitergehenden Rügen einzugehen.
 
3.
 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Bei diesem Ausgang wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos, und die Beschwerdeführer haben die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu bezahlen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdegegner hat vor Bundesgericht nur Anträge bezüglich der Vollmacht der Beschwerdeführerin 2 und der aufschiebenen Wirkung, jedoch keinen Antrag in der Hauptsache gestellt. Es ist ihm daher bloss eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Statthalteramt des Bezirkes Bülach und dem Bezirksgericht Bülach, Einzelrichterin in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 13. September 2007
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).