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Informationen zum Dokument  BGer I 683/2006  Materielle Begründung
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BGer I 683/2006 vom 29.08.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
I 683/06
 
Urteil vom 29. August 2007
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
 
Gerichtsschreiber Lanz.
 
Parteien
 
A.________, 1960, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Marc Brügger-Kuret, Bahnhofstrasse 15, 8570 Weinfelden,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 8. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1960 geborene mazedonische Staatsangehörige A.________ war ab März 2001 als Montagemitarbeiterin in der Firma E.________ AG, tätig. Am 17. Mai 2003 wurde sie von einer unter paranoider Schizophrenie leidenden Nachbarin angegriffen und am Hals gewürgt. Der gleichentags notfallmässig aufgesuchte Arzt fand eine Weichteilquetschung am lateralen Halsdreieck und Hinweise auf eine stumpfe Verletzung des Armplexus mit vorübergehenden ausstrahlenden Schmerzen vor. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als obligatorischer Unfallversicherer anerkannte ihre Leistungspflicht für das Ereignis vom 17. Mai 2003. Sie gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Wegen einer sich entwickelnden psychischen Problematik wurde A.________ vom 10. November 2003 bis 13. Februar 2004 in der Psychiatrischen Klinik X.________ stationär behandelt. Mit rechtskräftiger Verfügung vom 27. August 2004 schloss die SUVA den Fall zum 31. August 2004 unter Verneinung eines Anspruchs auf eine UVG-Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung ab. Zur Begründung führte sie aus, die noch geklagten Beschwerden seien nicht mit einem unfallbedingten organischen Gesundheitsschaden, sondern mit einer psychischen Störung zu erklären, für die dem Ereignis vom 17. Mai 2003 keine rechtsrelevante Bedeutung zukomme. Im September 2004 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle zog nebst weiteren Abklärungen die Akten des Unfallversicherers bei und holte ein Gutachten des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 8. Februar 2005 ein. Darin werden eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) und eine Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (ICD-10: F43.25) diagnostiziert. Mit Verfügung vom 20. Juni 2005 verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente, da keine invalidisierende gesundheitliche Störung vorliege. Daran hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 15. Dezember 2005 fest.
 
B.
 
Beschwerdeweise beantragte A.________, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Ergänzung der Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen. Weiter ersuchte sie um Sistierung des Beschwerdeverfahrens bis zum Abschluss privater medizinischer Abklärungen. Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau verneinte die Voraussetzungen für eine Verfahrensistierung und wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 8. Juni 2006).
 
C.
 
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zu ergänzenden Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen.
 
Die IV- Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Mit Eingabe vom 17. November 2006 lässt A.________ nochmals Stellung nehmen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
 
1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 noch nicht hängig war, sind hingegen die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen, für Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung geltenden Anpassungen von Art. 132 und Art. 134 OG anwendbar (Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). Geprüft wird daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG, in Kraft seit 1. Juli 2006, in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Zudem ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung).
 
2.
 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente der Invalidenversicherung.
 
2.1 Die gesetzlichen Bestimmungen über die hiefür vorausgesetzte Invalidität (Art. 28 Abs. IVG) und über deren Umschreibung bei im Gesundheitsfall mutmasslich erwerbstätigen Versicherten als Erwerbsunfähigkeit durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit (Art. 7 und 8 ATSG je in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 IVG) sind im angefochtenen Entscheid richtig wiedergegeben. Dasselbe gilt für die dazu ergangene Rechtsprechung. Es betrifft dies nebst den massgeblichen beweisrechtlichen Regeln, wie dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis; vgl. auch Art. 61 lit. c ATSG) und den Anforderungen an beweiskräftige Arztberichte (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff. mit Hinweisen), in erster Linie auch die Frage, unter welchen Umständen eine psychische Gesundheitsstörung, namentlich auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, als invaliditätsbegründend angesehen werden kann (BGE 130 V 352; vgl. auch BGE 131 V 49, 130 V 396).
 
Demnach setzt die Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens, so auch einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, zunächst eine fachärztliche (psychiatrisch) gestellte Diagnose nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystem voraus. Wie jede andere psychische Beeinträchtigung begründet indes auch eine diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung als solche noch keine Invalidität. Vielmehr besteht eine Vermutung, dass die somatoforme Schmerzstörung oder ihre Folgen mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sind. Bestimmte Umstände, welche die Schmerzbewältigung intensiv und konstant behindern, können den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess unzumutbar machen, weil die versicherte Person alsdann nicht über die für den Umgang mit den Schmerzen notwendigen Ressourcen verfügt. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, entscheidet sich im Einzelfall anhand verschiedener Kriterien. Im Vordergrund steht die Feststellung einer psychischen Komorbidität von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer. Massgebend sein können auch weitere Faktoren, so: chronische körperliche Begleiterkrankungen; ein mehrjähriger, chronifizierter Krankheitsverlauf mit unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerdauernde Rückbildung; ein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens; ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr beeinflussbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn; "Flucht in die Krankheit"); das Scheitern einer konsequent durchgeführten ambulanten oder stationären Behandlung (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) trotz kooperativer Haltung der versicherten Person (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f., 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353 ff. mit Hinweisen). Je mehr dieser Kriterien zutreffen und je ausgeprägter sich die entsprechenden Befunde darstellen, desto eher sind - ausnahmsweise - die Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 mit Hinweis auf: Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 77).
 
2.2 Im Rahmen der geänderten Kognitionsregelung gemäss Art. 132 Abs. 2 OG ist zwischen frei überprüfbarer Rechtsfrage (Art. 104 lit. a OG) einerseits und lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel zu prüfender Tatfrage (Art. 104 lit. b OG und Art. 105 Abs. 2 OG) anderseits zu unterscheiden (E. 1.2 hievor; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 2.2 S. 396 und E. 3 Ingress S. 397). Dabei gilt für die Beurteilung, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung - oder ein sonstiger vergleichbarer pathogenetisch (ätiologisch) unklarer syndromaler Zustand (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 399) - mit invalidisierender Wirkung vorliegt, Folgendes: Zu den vom Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfbaren Tatsachenfeststellungen zählt zunächst, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliegt, und bejahendenfalls sodann, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten.
 
3.
 
3.1 Eine geistige Gesundheitsstörung steht hier nicht zur Diskussion. Die Vorinstanz hat sodann erkannt, dass kein - gegebenenfalls invalidisierender - körperlicher Gesundheitsschaden besteht. In psychischer Hinsicht bejahte sie das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Insoweit ist der angefochtene Entscheid unbestritten und im Rahmen der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden.
 
Die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung vermag eine invalidisierende Arbeitsunfähigkeit nur dann zu begründen, wenn aufgrund weiterer Faktoren (ausnahmsweise) auf Unzumutbarkeit einer willentlichen Schmerzüberwindung und eines Wiedereinstiegs in den Arbeitsprozess zu schliessen ist (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 354). Dabei steht im vorliegenden Fall aufgrund der nach Lage der Akten zutreffenden und nicht bestrittenen Auffassung des kantonalen Gerichts einzig das Vorliegen einer psychischen Komorbidität von hinreichender Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer zur Diskussion.
 
3.2 Die Vorinstanz hat hiezu erwogen, gemäss dem von der IV-Stelle eingeholten Gutachten des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 8. Februar 2005 liege nebst der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung lediglich eine nicht im Vordergrund stehende Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten vor, welche keine hinreichende psychische Komorbidität darstelle. Eine posttraumatische Belastungsstörung, wie sie geltend gemacht worden sei, schliesse der Experte überzeugend aus. Die Notwendigkeit weiterer medizinischer Abklärungen sei in antizipierter Beweiswürdigung zu verneinen.
 
Die Beschwerdeführerin lässt einwenden, die Verneinung einer posttraumatischen Belastungsstörung sei von der Vorinstanz in offensichtlich unrichtiger und unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen vorgenommener Sachverhaltsfeststellung erfolgt. Diese Gesundheitsschädigung stelle eine psychische Komorbidität dar, welche eine Überwindung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mittels zumutbarer Willensanstrengung ausschliesse.
 
3.3 Eine posttraumatische Belastungsstörung wurde erstmals im hausärztlichen Bericht vom 1. März 2004 erwähnt. Im Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik X.________ vom 2. März 2004, in welcher die Versicherte vom 10. November 2003 bis 13. Februar 2004 hospitalisiert gewesen war, wurden dann, noch ohne nähere Begründung, die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) und einer anhaltenden somatoformen Belastungsstörung (ICD-10: F45.4) gestellt. Dies wurde mit Bericht derselben Klinik vom 1. April 2004 mit einer einlässlichen Schilderung der Situation begründet. Sodann wurde im Bericht der Klinik für Neurologie des Spitals Y.________ vom 8. Juli 2004 zwar nur der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung geäussert. Es wurde dabei aber einlässlich auf den Ablauf des Vorfalls vom 17. Mai 2003 und das spätere Erleben der Beschwerdeführerin Bezug genommen und ausgeführt, aus welchen Gründen man zu dieser Verdachtsdiagnose gelangte.
 
Demgegenüber vertritt Dr. med. S.________ im Gutachten vom 8. Februar 2005 die Auffassung, es liege nebst der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4), welche im Vordergrund stehe, keine posttraumatische Belastungsstörung, sondern eine Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten (ICD-10: F43.25) vor.
 
Der Ausschluss einer posttraumatischen Belastungsstörung wird von Dr. med. S.________ indessen lediglich kurz und namentlich damit begründet, dem Ereignis vom 17. Mai 2003 mangle in jeder Art und Weise die Schwere, welche die - nach Auffassung des Experten "inflationär verwendete" - Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertige. Festzuhalten ist sodann, dass im Gutachten vom 8. Februar 2005 lediglich der - wie gesagt nicht näher begründete - Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik X.________ vom 2. März 2004 erwähnt wird. Die Berichte derselben Klinik vom 1. April 2004 und der Klinik für Neurologie des Spitals Y.________ vom 8. Juli 2004, in welchen die Diagnose resp. Verdachtsdiagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung jeweils eingehend begründet wurde, lagen dem Experten demnach - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht vor. Jedenfalls setzt sich das Gutachten vom 8. Februar 2005 mit diesen medizinischen Vorberichten nicht auseinander. Die Expertise des Dr. med. S.________ wirft auch in anderer Hinsicht Fragen auf. So dauern die Symptome einer - von Dr. med. S.________ anstelle einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostizierten - Anpassungsstörung meist nicht länger als sechs Monate nach dem belastenden Ereignis, ausser bei der längeren depressiven Reaktion. Bei längerem Andauern der Symptome - wie dies hier der Fall ist - sollte die Diagnose geändert werden (Dilling/ Mombour/Schmidt [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V [F], Klinisch-diagnostische Leitlinien, 5. Aufl., S. 171). Weiter fällt auf, dass Dr. med. S.________ durchaus davon ausgeht, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der psychischen Problematik eingeschränkt ist. Dies erscheint mit Blick auf BGE 130 V 352 zumindest diskutabel, wenn, wie vom Experten beschrieben, nebst der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung lediglich eine klar hinter dieser zurückstehende Anpassungsstörung vorliegt.
 
3.4 Zusammenfassend bestehen erhebliche, nicht überzeugend ausgeräumte Widersprüche und Ungereimtheiten im psychiatrischen Gutachten vom 8. Februar 2005 selbst, aber auch zwischen den Aussagen des Experten und den übrigen fachärztlichen Stellungnahmen. Die medizinischen Akten gestatten daher bei pflichtgemässer Beweiswürdigung nicht die zuverlässige Beurteilung, ob nebst der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ein psychischer Gesundheitsschaden vorliegt, welcher allenfalls im Sinne von BGE 130 V 352 als psychische Komorbidität zur anhaltenden somatoformen Schmerzstörung eine Arbeitsunfähigkeit zu begründen vermöchte. Indem das kantonale Gericht in antizipierter Beweiswürdigung einen zusätzlichen Abklärungsbedarf verneinte, hat es den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig und damit bundesrechtswidrig festgestellt. Die Sache wird daher an die IV-Stelle zurückgewiesen. Diese wird ergänzende Abklärungen zum psychischen Gesundheitszustand treffen und gestützt darauf, unter Mitberücksichtigung des Privatgutachtens vom 14. Juli 2006, über den streitigen Leistungsanspruch neu zu befinden haben.
 
4.
 
Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Zudem hat sie der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung, einschliesslich der Kosten für das Privatgutachten vom 14. Juli 2006 von Fr. 3600.-, zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 8. Juni 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 15. Dezember 2005 werden aufgehoben. Die Sache wird an die IV-Stelle des Kantons Thurgau zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf eine Invalidenrente neu verfüge.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
 
4.
 
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 6100.- (einschliesslich Mehrwertsteuer und Kosten Privatgutachten) zu bezahlen.
 
5.
 
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
6.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
 
Luzern, 29. August 2007
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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