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Informationen zum Dokument  BGer I 624/2006  Materielle Begründung
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BGer I 624/2006 vom 06.06.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
I 624/06
 
Urteil vom 6. Juni 2007
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
 
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
 
Parteien
 
N.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Costantino Testa, Gurtengasse 2, 3011 Bern,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 31. Mai 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.a Der 1955 geborene N.________ erlernte den Beruf eines Kellners und übte diesen aus. Am 10. September 2001 meldete er sich wegen Rückenbeschwerden nach mehrfachen Diskushernienoperationen zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung in Form von Berufsberatung, einer Umschulung oder einer Rente an. Die IV-Stelle des Kantons Bern holte verschiedene Arztberichte ein und liess durch Dr. med. M.________, Spezialärztin für Neurochirurgie FMH, ein Gutachten erstellen. Gestützt darauf eröffnete sie dem Versicherten mit Verfügung vom 1. Juli 2002, er habe bei einem Invaliditätsgrad von 41 % ab 1. August 2001 Anspruch auf eine Viertelsrente. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 2. Dezember 2002), während das damals zuständige Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 23. September 2003 in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde den vorinstanzlichen Entscheid und die Verfügung vom 1. Juli 2002 aufhob und die Sache an die Verwaltung zurückwies, damit diese vor einem Entscheid über einen Rentenanspruch berufliche Massnahmen in Form von Berufsberatung, eventuell einer Umschulung oder Arbeitsvermittlung an die Hand nehme.
 
A.b In der Folge leitete die IV-Stelle eine Berufsberatung ein, wobei sich diese gemäss Schlussbericht vom 16. Juli 2004 auf die Beratung zur Stellensuche in einer leidensangepassten Tätigkeit beschränkte. Umschulungsmöglichkeiten wurden danach nicht geprüft. Mit Verfügung vom 28. Juli 2004 schloss die IV-Stelle ihre Arbeitsvermittlungsbemühungen ab. Diese wurde rechtskräftig. Über den Anspruch auf Umschulung wurde nicht verfügt. Der Versicherte gelangte am 5. April 2004 an die IV-Stelle und machte eine Rentenrevision infolge Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend. Die IV-Stelle holte wiederum verschiedene Arztberichte ein und liess N.________ erneut durch Dr. med. M.________ begutachten. Gemäss deren Bericht vom 14. Juni 2005 haben sich die neurologischen und radiologisch/neuroradiologischen Befunde seit ihrer ersten Begutachtung nicht verändert, weshalb auch ihre Einschätzung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit identisch blieb. Mit Verfügung vom 20. Juli 2005 sprach die IV-Stelle dem Versicherten bei einem nunmehr ermittelten Invaliditätsgrad von 46% erneut eine Viertelsrente nebst Zusatzrenten ab 1. August 2001 zu. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 27. Oktober 2005).
 
B.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 31. Mai 2006), nachdem es beim behandelnden Dr. med. A.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, einen Bericht eingeholt hatte.
 
C.
 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt N.________ beantragen, es sei ihm in Aufhebung des kantonalen Entscheides ab 1. April 2005 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 31. Mai 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
 
2.
 
2.1 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.2 Mit Blick auf diese neue Kognitionsregelung für die Invalidenversicherung ist aufgrund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 105 Abs. 2 OG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheides in tatsächlicher Hinsicht (aArt. 132 lit. b OG) ebenso zu unterbleiben wie eine Prüfung der Ermessensbetätigung (aArt. 132 lit. a OG) nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle (BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 mit Hinweisen). Auch besteht (entgegen aArt. 132 lit. c OG) Bindung an die Parteianträge, handelt es sich doch nicht um eine Abgabestreitigkeit (Art. 114 Abs. 1 OG; zum Ganzen BGE 132 V 393).
 
3.
 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die zur Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlich sind, richtig dargelegt: Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG je in der bis 31. Dezember 2003 und der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung), Bemessung des Invaliditätsgrads bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.4 S. 348, 128 V 29 E. 1 S. 30, 104 V 135 E. 2a und b S. 136), Regeln zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352, 122 V 157 E. 1c S. 160 mit Hinweisen) und Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 1 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 ATSG). Darauf wird verwiesen.
 
4.
 
Da mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine ganze Rente ab April 2005 gefordert wird, sind sich die Parteien darüber einig, dass dem Beschwerdeführer zu Recht eine Viertelsrente ab 1. August 2001 gewährt worden ist. Streitig und zu prüfen ist aufgrund der Vorbringen einzig, ob er ab Beginn des Jahres 2005 in einer den somatischen Befunden angepassten wechselbelastenden leichten Tätigkeit nur zu 60 % oder - aufgrund verschlechterter Gesundheit, insbesondere wegen hinzugekommenen psychischen Beschwerden - überhaupt nicht mehr arbeitsfähig ist.
 
4.1 In kognitionsrechtlicher Hinsicht handelt es sich bei der Bemessung der Arbeits(un)fähigkeit um eine Frage tatsächlicher Natur - zumindest soweit auf konkreter Beweiswürdigung und nicht auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhend -, deren Beantwortung durch die Vorinstanz das Bundesgericht grundsätzlich bindet (Erwägung 2.1).
 
4.2 Die Vorinstanz geht aufgrund der Berichte der behandelnden Ärzte, Dr. med. X.________ und Dr. med T.________, und insbesondere der Dr. med. M.________ davon aus, dass sich der somatische Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit dem Jahre 2002 nicht wesentlich verschlechtert hat. Dieser Würdigung wird auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts entgegengehalten. Sie ist für das Bundesgericht daher verbindlich. Das kantonale Gericht hat weiter festgestellt, eine psychisch bedingte zusätzliche Arbeitsunfähigkeit sei gemäss den Berichten des Dr. med. A.________ erst seit dem 6. Oktober 2005 ausgewiesen, weshalb sie bis zu dem hier relevanten Zeitpunkt des Einspracheentscheides am 27. Oktober 2005 (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) nicht als revisionsrechtlich relevante Tatsache habe berücksichtigt werden können. Damit hat es weder Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, noch den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt (E. 2.1). Solches wird vom Beschwerdeführer denn auch nicht geltend gemacht. Vielmehr lässt er vorbringen, sein Hausarzt, Dr. T.________, habe ihn zu Beginn des Jahres 2005 an Dr. med. Y.________, Spezialarzt für innere Medizin FMH, psychosomatische und psychosoziale Medizin APPM, gewiesen, weil sich schon damals Zeichen psychopathologischer Beschwerden gezeigt hätten. Von dort sei er an Dr. med. A.________ weitergewiesen worden, was belege, dass ab Januar 2005 psychiatrische Aspekte eine Rolle gespielt hätten.
 
Einen blossen Verdacht auf einen psychischen Gesundheitsschaden vermag eine ärztliche Diagnose und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsfähigkeit nicht zu ersetzen. Es kann indessen dahingestellt bleiben, ob die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände die vorinstanzliche Schlussfolgerung in Zweifel zu ziehen vermögen, da die einlässlich und nachvollziehbar begründete Tatsachenfeststellung eines Beginns der psychiatrisch begründeten Arbeitsunfähigkeit ab 6. Oktober 2005 durch das kantonale Gericht jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig ist und daher im Rahmen der Kognition nach Art. 105 Abs. 2 OG Stand hält.
 
4.3 Nach dem Gesagten hält die Betrachtungsweise der Vorinstanz, wonach die versicherungsrechtlichen Auswirkungen der ab 6. Oktober 2005 attestierten und neu geltend gemachten gesundheitlichen Verschlechterung als Revisionsgesuch zu interpretieren und von der Verwaltung in einem neuen Verfahren zu prüfen sein wird, vor Bundesrecht stand.
 
5.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).
 
6.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt wird.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
 
Luzern, 6. Juni 2007
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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