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Informationen zum Dokument  BGer 1A.269/2006  Materielle Begründung
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BGer 1A.269/2006 vom 28.02.2007
 
Tribunale federale
 
{T 1/2}
 
1A.269/2006 /ggs
 
Urteil vom 28. Februar 2007
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
 
Gerichtsschreiberin Schilling.
 
Parteien
 
Stadtgemeinde Brig-Glis, 3900 Brig-Glis,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat
 
Dr. Willy Borter,
 
gegen
 
Schweizerische Bundesbahnen SBB (SBB AG), Infrastruktur, Netz- und Programmmanagement Lärm, Schanzenstrasse 5, 3000 Bern 65,
 
Bundesamt für Verkehr (BAV), Bollwerk 27, 3003 Bern,
 
Eidgenössische Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt, p.A. Bundesverwaltungsgericht,
 
Abteilung I, Schwarztorstrasse 53, Postfach,
 
3000 Bern 14.
 
Gegenstand
 
Eisenbahnlärmsanierung in Brig-Glis,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt vom 7. November 2006.
 
Sachverhalt:
 
Am 5. Juli 2004 reichten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB (SBB AG; im Folgenden SBB) dem Bundesamt für Verkehr (BAV) ein überarbeitetes Gesuch für die Eisenbahnlärmsanierung auf dem Gebiet der Gemeinde Brig-Glis ein. Gemäss den Plänen sollen vier Lärmschutzwände mit einer Gesamtlänge von 1'392 m erstellt sowie insgesamt 53 Schallschutzfenster eingebaut werden. Gegen dieses Sanierungsvorhaben erhob u.a. die Stadtgemeinde Brig-Glis Einsprache. Nach Anhörung verschiedener kantonaler und eidgenössischer Behörden erteilte das BAV dem Projekt mit Verfügung vom 28. September 2005 die Plangenehmigung und gewährte die verlangten Erleichterungen. Der Antrag der Gemeinde Brig-Glis um Erhöhung der Lärmschutzwände im Bereich des Spitals Brig und des "Alten Spitals" wurde gutgeheissen. Im Übrigen wies das BAV die Einsprache der Gemeinde ab, soweit auf sie eingetreten und sie nicht als gegenstandslos abgeschrieben wurde.
 
Die Stadtgemeinde Brig-Glis erhob gegen die Plangenehmigung des BAV bei der Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission INUM) Beschwerde. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 7. November 2006 ab.
 
Gegen den Entscheid der Rekurskommission INUM hat die Stadtgemeinde Brig-Glis Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt.
 
Die SBB und das BAV ersuchen um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht hat als Nachfolgeorganisation der Rekurskommission INUM auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid der Rekurskommission INUM ist im Jahr 2006 ergangen. Das Rechtsmittelverfahren bestimmt sich daher noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; vgl. Art. 132 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht, AS 2006 S. 1205).
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin macht erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren geltend, bei der Rhonetalstrecke der SBB handle es sich um eine Neubaustrecke, werde doch die bestehende Anlage im Zusammenhang mit dem Bau der NEAT-Linie Lötschberg um zwei Eisenbahntrassees erweitert. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Lärmsanierung der Eisenbahnen vom 24. März 2000 (BGLE; SR 742.144) und der Verordnung über die Lärmsanierung der Eisenbahnen vom 14. November 2001 (VLE; SR 742.144.1) seien demnach nicht anwendbar. Die Sanierung richte sich vielmehr nach den Vorschriften des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01) und der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41).
 
Dass hier gestützt auf nicht anwendbare Gesetzesbestimmungen ein falsches Verfahren eingeleitet worden sei, hätte die Beschwerdeführerin indessen schon in ihrer Einsprache vorbringen müssen. Erweiterungen des Streitgegenstandes sind im nachfolgenden Beschwerde- und im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig. Auf die Rüge, die spezialrechtlichen Bestimmungen über die Eisenbahn-Lärmsanierung seien zu Unrecht angewendet worden, ist daher nicht einzutreten (vgl. zur Publ. bestimmtes Urteil 1A.108/2006 vom 7. November 2006 E. 2).
 
3.
 
In den vorinstanzlichen Verfahren war umstritten, ob entlang der Gebiete "Oberi Eiuleesser" und "Jesuitengrund", die westlich des Zentrums Brig und südlich der Rhone liegen, ebenfalls Schallschutzmauern zu erstellen seien. Das BAV lehnte solche baulichen Vorkehren ab, weil keine Sanierungspflicht für Bauzonen bestehe, die am 1. Januar 1985 noch nicht erschlossen waren. Die Rekurskommission INUM erwog ihrerseits, es könne dahingestellt bleiben, ob die Gebiete damals schon erschlossen waren, da sie im fraglichen Zeitpunkt nicht mehr zur Bauzone gehört hätten. 1985 habe ein Gebiet nur als Bauzone gelten können, wenn es den Anforderungen des 1980 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) entsprochen habe. Nutzungspläne, die den Vorgaben des RPG genügten, hätten bis spätestens 1988 vorliegen müssen. Sei diese achtjährige Frist nicht eingehalten worden, so habe ein altrechtlicher, nicht bundesrechtskonformer Plan in Bezug auf die Umschreibung des Baugebietes seine Gültigkeit verloren. 1985 und 1988 habe aber für die - unüberbauten - Gebiete "Oberi Eiuleesser" und "Jesuitengrund" noch der kommunale Zonenplan vom März 1976 gegolten und sei damit die Frist für die Überführung in einen RPG-konformen Nutzungsplan unbeachtet geblieben. Da die Gebiete den Anforderungen von Art. 15 RPG nicht entsprochen hätten, hätten sie ihre Baulandqualität verloren. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch auf Lärmsanierungsmassnahmen nach BGLE.
 
Gegen diese Ausführungen wendet die Beschwerdeführerin ein, die beiden fraglichen Gebiete seien im kommunalen Zonenplan von 1976 als Bauzonen ausgeschieden worden. Gemäss der kantonalen Verordnung vom 7. Februar 1980 zur vorläufigen Regelung der Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung gelte in Gemeinden mit rechtskräftiger Bau- und Zonenordnung jenes Gebiet als Bauzone, das im Zonenplan als Bauzone ausgeschieden sei. Mit dieser Verordnung habe das kantonale Recht eine Regelung für die Ausscheidung vorläufiger Bauzonen aufgestellt, die ersatzweise bis zur Ausscheidung bundesrechtskonformer Bauzonen Gültigkeit habe. Die Gebiete "Oberi Eiuleesser" und "Jesuitengrund" seien somit im Jahre 1985 nicht nur bereits erschlossen gewesen, sondern hätten nach Bundes- und kantonalem Recht als Bauzone gegolten.
 
Mit diesen Argumenten vermag die Beschwerdeführerin jedoch nicht zu begründen, dass für die fraglichen Gebiete eine Pflicht zur Vornahme baulicher Schallschutzmassnahmen bestehe.
 
3.1 Es trifft zwar zu, dass die Gebiete "Oberi Eiuleesser" und "Jesuitengrund", die im Zonenplan vom 26. September 1976/20. April 1977 der Bauzone zugewiesen worden waren, gemäss Art. 4 lit. a der kantonalen Verordnung zur vorläufigen Regelung der Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 7. Februar 1980 vorübergehend zur Bauzone im Sinne des RPG gehörten. Diese Verordnung ist jedoch durch das kantonale Gesetz zur Ausführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 23. Januar 1987 (in Kraft seit 1.1.1989) abgelöst worden, das keine entsprechende Bestimmung mehr enthält. Dieses sieht vielmehr in Art. 21 gleich wie Art. 15 RPG vor, dass Bauzonen Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert fünfzehn Jahren benötigt und erschlossen wird. Diesen Vorgaben haben die beiden umstrittenen Gebiete, die nicht im weitgehend überbauten Gebiet liegen und auch heute noch nicht überbaut sind, Ende der achtziger Jahre, als die Frist zur Anpassung der kommunalen Nutzungspläne an das RPG ablief, offensichtlich nicht entsprochen.
 
Was die Erschliessung der beiden Gebiete anbelangt, so hat die Gemeinde im vorinstanzlichen Verfahren nicht belegen können, dass die Grundstücke eine für die vorgesehene bauliche Nutzung genügende Erschliessung aufgewiesen hätten. Das Bundesgericht hat denn auch in einem Enteignungsverfahren, welches das westlich an die "Oberi Eiuleesser" anschliessende Gebiet betraf, im Jahr 1986 festgestellt, dass die zu enteignenden Grundstücke strassenmässig nur ungenügend erschlossen waren und es auch an den nötigen Versorgungs- und Entsorgungsleitungen fehlte (Urteil E.16-39/1985 vom 8. Oktober 1986 i.S. Brig-Visp-Zermatt-Bahn gegen Burgerschaft Brig-Glis und Mitbeteiligte E. 4a). Dies dürfte zumindest auch für das benachbarte Gebiet "Oberi Eiuleesser" zugetroffen haben.
 
Ob die beiden umstrittenen Gebiete im fraglichen Zeitpunkt als Bauzone gelten konnten und ob sie erschlossen waren, kann aber letztlich aus folgenden Gründen offen gelassen werden:
 
3.2 Das Gebiet "Oberi Eiuleesser" ist sowohl im Zonenplan der Stadtgemeinde Brig von 1976 wie auch im nunmehr überarbeiteten Zonenplan, der am 22. Mai 2006 von der Urversammlung beschlossen wurde, als Zone für öffentliche Anlagen der Burgerschaft bezeichnet worden. Auf diesem Boden, der zum grösseren Teil in eine Quellenschutzzone (Zone II und III) einbezogen worden ist, ist ein Biotop geschaffen worden, das gemäss dem regionalen Leitbild Brig-Glis/Naters vom 24. November 2003 allenfalls durch einen kleinen See ergänzt und als Freizeitanlage ausgestaltet werden soll. Falls auf dieser Freizeitanlage auch Bauten mit lärmempfindlichen Räumen erstellt werden sollten, so könnten diese zweifellos auf der lärmabgewandten Seite erstellt werden, wo die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden können.
 
Das östlich des erwähnten Biotops liegende Gebiet "Jesuitengrund" gehört nach dem überarbeiteten kommunalen Zonenplan zur Wohn- und Gewerbezone WG4, in der nur gestützt auf einen mit einer Baulandumlegung verbundenen Sondernutzungsplan gebaut werden darf. Auch in diesem Gebiet kann durch zweckmässige Anordnung der Gewerbebauten und Wohngebäude, wie sie in der kommunalen Nutzungsplanung vorgesehen wird, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte bei lärmempfindlichen Räumen vermieden werden.
 
Können somit in den fraglichen Gebieten aufgrund des kantonalen und kommunalen Bau- und Planungsrechts am Ort der Lärmimmissionen planerische, gestalterische oder bauliche Massnahmen getroffen werden, mit denen die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden können, besteht für die Bahnunternehmung keine Pflicht zur Erstellung von Schallschutzmauern (vgl. Art. 13 Abs. 4 lit. b LSV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 VLE).
 
4.
 
Die Beschwerdeführerin verlangt schliesslich, dass die Sanierung der BLS-Rhonebrücke auch im Rahmen des für die Gemeinde Brig-Glis durchgeführten Verfahrens geprüft werde und nicht nur im Verfahren für das Gemeindegebiet Naters. Es verstosse gegen das Koordinationsgebot, die Sanierungsabschnitte nach den Gemeindegrenzen zu richten, obwohl beide angrenzenden Gemeinden vom Brückenlärm betroffen seien. Die formelle Koordination verlange eine gemeinsame öffentliche Auflage aller Gesuchsunterlagen und eine gemeinsame oder gleichzeitige Eröffnung zusammenhängender Verfügungen. Die Aufteilung in zwei Sanierungsverfahren könne - entgegen dem Gebot der materiellen Koordination - ebenfalls dazu führen, dass keine inhaltliche Abstimmung vorgenommen werde und widersprüchliche Verfügungen ergingen.
 
Auch diese Rügen der mangelnden Koordination und der unzweckmässigen Abgrenzung der Sanierungsabschnitte hat die Beschwerdeführerin erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgebracht. In ihrer Einsprache vom 6. Oktober 2004 hat sie mit Hinweis darauf, dass u.a. das Spital Brig im Nahbereich der Brücke liege, lediglich die Sanierung der Rhonebrücke verlangt. Auf die Vorbringen betreffend mangelnde Koordination der Verfahren ist daher ebenfalls nicht einzutreten (vgl. oben E. 2). Im Übrigen hat die Rekurskommission INUM zu Recht festgehalten, dass die das Gemeindegebiet Brig-Glis belastenden Immissionen der Brücken-Überfahrten im Sanierungsverfahren Brig-Glis mitberücksichtigt worden sind und den grenzüberschreitenden Einwirkungen auch im Verfahren Naters Rechnung getragen werden wird. Die gesamtheitliche Betrachtung erscheint somit als gewährleistet. Inwiefern widersprüchliche Entscheide gefällt werden könnten, ist nicht ersichtlich.
 
5.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten als unbegründet abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
 
Da die Einsprache der Gemeinde als Einsprache im Sinne von Art. 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711) betrachtet werden kann, ist die Kosten- und Entschädigungsregelung in sinngemässer Anwendung der Spezialvorschrift von Art. 116 Abs. 1 EntG zu treffen (vgl. Urteil 1A.108/2006 vom 7. November 2006 E. 5). Danach ist die Gerichtsgebühr, die niedrig gehalten werden kann, den SBB als Inhaberinnen der zu sanierenden Eisenbahnanlagen zu überbinden. Eine Parteientschädigung ist der vollständig unterliegenden Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB AG) auferlegt.
 
3.
 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, den Schweizerischen Bundesbahnen SBB (SBB AG), Infrastruktur, Netz- und Programmmanagement Lärm, dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt bzw. dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. Februar 2007
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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