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Informationen zum Dokument  BGer C 151/2006  Materielle Begründung
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BGer C 151/2006 vom 20.02.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
C 151/06
 
Urteil vom 20. Februar 2007
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Schön, Frésard,
 
Gerichtsschreiber Hadorn.
 
Parteien
 
S.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann, Hauptstrasse 36, 4702 Oensingen,
 
gegen
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn, Untere Sternengasse 2, 4500 Solothurn, Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
 
vom 9. Mai 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2005 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn (AWA) den Anspruch der S.________ (geb. 1967) auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2005 wegen arbeitgeberähnlicher Stellung ab. Daran hielt das AWA mit Einspracheentscheid vom 18. November 2005 fest.
 
B.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 9. Mai 2006 ab.
 
C.
 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihr Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2005 zuzüglich Verzugszins zu 5% seit wann Rechtens auszurichten. Ferner wird um unentgeltliche Verbeiständung ersucht.
 
Das AWA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75). Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 9. Mai 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Vorschrift zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) und die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen, die Arbeitslosenentschädigung beantragen (BGE 123 V 234 E. 7 S. 236), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. Korrekt sind auch die Ausführungen zur Auskunftspflicht der Verwaltung (Art. 27 Abs. 1 bis 3 ATSG; BGE 131 V 472).
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2005.
 
Die Beschwerdeführerin war seit dem 28. September 2004 als Gesellschafterin mit Einzelprokura und einem Stammanteil von Fr. 5000.- bei der Firma B.________ im Handelsregister eingetragen. Damit belegte sie in diesem Betrieb eine arbeitgeberähnliche Stellung. Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass die Versicherte dank dieser Position die Möglichkeit besass, auf den Geschäftsgang Einfluss zu nehmen. Ob sie effektiv solche Befugnisse ausgeübt hat, ist ebenso irrelevant wie die Frage, ob sie in dieser Firma je einen Lohn bezogen hat. Die Rechtsprechung nach BGE 123 V 234 E. 7 S. 236 will nicht nur dem ausgewiesenen Missbrauch an sich begegnen, sondern bereits dem Risiko eines solchen, das der Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung an arbeitgeberähnliche Personen inhärent ist (ARV 2003 S. 240, C 92/02). Selbst wenn sie, wie im Vertrag vom 23. September 2004 festgehalten, keine operativen Tätigkeiten ausgeübt haben will, war sie doch laut Handelsregistereintrag Gesellschafterin mit Einzelprokura und gab damit Dritten gegenüber verbindlich kund, dass sie über die entsprechenden Kompetenzen verfügte. Der genannte Vertrag schliesst im Übrigen nicht aus, dass sie auf den Geschäftsgang im nicht operativen Bereich, z. B. bei strategischen Entscheidungen mitwirken kann. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, von Drittpersonen in Unkenntnis der Rechtslage zu einem Eintrag ins Handelsregister überredet worden zu sein und anschliessend nicht gewusst zu haben, wie der Eintrag gelöscht werden kann, hat dafür nicht die Arbeitslosenversicherung einzustehen. Der vorliegende Fall ist nicht identisch mit demjenigen des Urteils G. vom 23. Mai 2005 (C 32/04), besass doch der dortige Versicherte keine Zeichnungsberechtigung und trat erst nach Beginn des Bezugs von Arbeitslosenentschädigung in die streitige arbeitgeberähnliche Position ein. Er war somit auf Grund eines von der arbeitgeberähnlichen Stellung unabhängigen, zeitlich vorausgegangenen Versicherungsfalls arbeitslos geworden. Sodann ist angesichts der neu gegründeten Firma B.________ die Rechtsprechung zu beachten, wonach es nicht Aufgabe der Arbeitslosenversicherung ist, die in solchen Fällen anfänglich fehlenden Einnahmen zu ersetzen (ARV 2005 S. 19, C 117/04; Urteil V. vom 3. Mai 2006, C 306/05). Dass die Versicherte vom 11. Oktober 2004 bis Ende Januar 2005 während rund dreieinhalb Monaten in der Firma D.________ gearbeitet hat, ehe sie Arbeitslosenentschädigung beantragte, hilft ihr nicht weiter. Nach der Rechtsprechung (SVR 2004 ALV Nr. 15 S. 46, C 171/03; Urteil K. vom 2. Juli 2004, C 15/04) hätte eine derartige Beschäftigung in einem Drittbetrieb mindestens sechs Monate dauern müssen, damit ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung trotz der weiterhin bestehenden arbeitgeberähnlichen Stellung in Frage gekommen wäre. Sodann lässt sich die behauptete mündliche Zusage von Leistungen durch die Sachbearbeiterin der Verwaltung an Hand der Akten nicht erhärten. Zudem kann nicht von einer übermässigen Verzögerung des Verfahrens die Rede sein, wenn die Versicherte einen Monat nach der Anmeldung zum Leistungsbezug auf die Problematik der arbeitgeberähnlichen Stellung hingewiesen wurde.
 
4.
 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden, da die entsprechenden Voraussetzungen (dazu BGE 125 V 201 E. 4a S. 202) erfüllt sind. Die Beschwerdeführerin wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach sie dem Gericht Ersatz zu leisten haben wird, falls sie dereinst dazu im Stande sein sollte.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann, Oensingen, aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (inkl. MWST) ausgerichtet.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 20. Februar 2007
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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