VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer U 391/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer U 391/2006 vom 08.02.2007
 
Tribunale federale
 
{T 7}
 
U 391/06
 
Urteil vom 8. Februar 2007
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
 
Gerichtsschreiber Wey.
 
Parteien
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 8085 Zürich, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
M.________, 1967, Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Köppel, Grossfeldstrasse 45, 7320 Sargans.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
 
vom 14. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1967 geborene M.________ arbeitete seit Oktober 1997 als Bäckerin-Konditorin in der Konditorei X.________ und war bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend Zürich) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Als sie am 27. Juni 1998 mit ihrem Personenwagen auf einer schmalen Nebenstrasse eine unübersichtliche Kurve befuhr, kam ihr ein anderes Fahrzeug entgegen, mit dem sie kollidierte. Dabei erlitt sie ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit Brachialgie links sowie ein akutes thorako-lumbovertebrales Schmerzsyndrom bei Wirbelkörperfraktur L1 (Bericht des Allgemeinpraktikers Dr. H.________ vom 28. August 1998). Die Zürich richtete Taggelder aus und übernahm die Heilbehandlung. Als Folge des Unfalls wurde die Versicherte später im Hinblick auf eine kaufmännische Tätigkeit umgeschult (Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 12. April 2001). Mit Verfügung vom 2. Juni 2004, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 5. April 2005, stellte die Zürich ihre Leistungen ein und sprach der Versicherten eine Integritätsentschädigung in der Höhe von Fr. 43'740.- zu. Ein Rentenanspruch wurde verneint.
 
B.
 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde insoweit gut, als die Versicherte "ab Einstellung der Taggeldleistungen Anspruch auf eine Invalidenrente [...] von 23 %" habe.
 
C.
 
Die Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
 
Während M.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 E. 1.2).
 
2.
 
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die hier massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, insbesondere diejenigen über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (BGE 123 V 99 E. 2a; RKUV 2002 Nr. U 465, S. 437 [= Urteil W. vom 18. Juni 2002, U 164/01]) sowie denjenigen über die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2 UVG [in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348 E. 3.4, 128 V 30 E. 1, 104 V 136 E. 2a und b) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
3.
 
Die Vorinstanz hat einen Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden der Versicherten ("reaktive depressive Störung mit Angstbereitschaft und erhöhter Vulnerabilität"; vgl. interdisziplinäres Gutachten der Ärzte der Klinik Y.________ vom 15. April 2004, S. 25) und dem Unfallereignis vom 27. Juni 1998 richtigerweise verneint. Ebenfalls korrekt ist die vorinstanzliche Feststellung, die Beschwerdegegnerin sei in einer leidensangepassten Tätigkeit (leichte bis mittelschwere Arbeit mit maximalen Gewichtsbelastungen bis 15 kg, vorgeneigte statische Belastungen im Stehen und Sitzen nur manchmal, d.h. maximal 33 % eines normalen Arbeitstags) zu 100 % arbeitsfähig. Die gegenteiligen Vorbringen der Versicherten blieben denn auch ohne Begründung.
 
4.
 
Näher zu prüfen sind nachfolgend die für den Rentenanspruch massgebenden Vergleichseinkommen.
 
4.1 Gemäss Angaben des ehemaligen Arbeitgebers vom 4. April 2005 hätte die Versicherte im Jahr 2004 ohne gesundheitliche Einschränkungen einen Verdienst (so genanntes Valideneinkommen) von Fr. 55'900.- (Fr. 4300.- x 13) zu erwirtschaften vermocht. Da, wie bereits die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, keine konkreten Anhaltspunkte für einen über den Angaben des Arbeitgebers liegenden Lohnanstieg bestehen, ist die vorinstanzliche Bemessung des Valideneinkommens rechtens.
 
4.2 Für die Ermittlung des Invalideneinkommens ist bei Fehlen eines tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens rechtsprechungsgemäss grundsätzlich nicht auf die unverbindlichen Empfehlungen des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes (SKV; heute: Kaufmännischer Verband [KV]) abzustellen, sondern auf die auf tatsächlich erzielten Gehältern beruhenden Tabellenlöhne gemäss der schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE; Urteil S. vom 23. November 2006, I 708/06, E. 4.6 mit Hinweisen). Die Salärempfehlungen des SKV/KV hat das Bundesgericht lediglich in Ausnahmefällen beigezogen, namentlich wenn diese (ausnahmsweise; vgl. etwa Urteil W. vom 2. Juni 2006, I 419/05, E. 4.2) bereits Grundlage für die Ermittlung des Invalideneinkommens bildeten (vgl. etwa Urteile M. vom 21. März 2003, I 7/03, E. 3, und M. vom 26. Januar 2005, I 543/04, E. 3.3.3).
 
Gemäss Tabelle TA7 der LSE 2004 verdienten Frauen im Bereich "andere kaufmännisch-administrative Tätigkeiten" im Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) durchschnittlich Fr. 4797.- pro Monat, was aufgerechnet auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,6 Stunden (Die Volkswirtschaft 12/2006, S. 82, Tabelle B9.2, Total) ein Jahresgehalt von Fr. 59'867.- ergibt. Die Zürich ging im Einspracheentscheid vom 5. April 2005 von einem Abzug vom Tabellenlohn (vgl. BGE 126 V 79 f. E. 5b/aa-cc) von 10 % aus. Diese Betrachtungsweise ist nicht zu beanstanden. Dabei ist namentlich in Betracht zu ziehen, dass die Versicherte nach erfolgter Umschulung in ihrer neuen Tätigkeit nicht eingeschränkt ist und sich damit ein Abzug einzig rechtfertigt, weil sie voraussichtlich (ohne entsprechende Erfahrungen) im ersten Dienstjahr beginnen und dadurch eine Lohneinbusse hinnehmen muss. Nach Berücksichtigung des 10%igen Abzugs resultiert ein Jahreseinkommen von Fr. 53'880.-.
 
4.3 Die Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen (Valideneinkommen: Fr. 55'900.-; Invalideneinkommen: Fr. 53'880.-) führt zu einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 3,6 %.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 14. Juni 2006 aufgehoben.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
 
Luzern, 8. Februar 2007
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).