VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.788/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.788/2006 vom 05.02.2007
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.788/2006 /leb
 
Urteil vom 5. Februar 2007
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Merkli, Präsident,
 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Departement für Justiz und Sicherheit
 
des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude,
 
8510 Frauenfeld,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
 
Gegenstand
 
Ausweisung,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
 
vom 1. November 2006.
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 A.________ (geb. 1963) stammt aus der Türkei. Am 20. Dezember 1991 heiratete er seine in der Schweiz niedergelassene Landsmännin B.________. Die Ehe wurde am 4. Mai 1999 geschieden, nachdem A.________ am 28. März 1997 die Niederlassungsbewilligung erhalten hatte. Die Kinder C.________ und D.________ (geb. 1993) bzw. E.________ (geb. 1994) wurden der Mutter zugeteilt, die in den Kanton Zürich zog.
 
1.2 Am 8. Juli 2005 wies das Ausländeramt des Kantons Thurgau A.________ für drei Jahre aus der Schweiz aus, da er und seine Familie fortgesetzt und erheblich von der öffentlichen Sozialhilfe abhängig seien, eine Besserung der Situation nicht absehbar erscheine und er weder sozial noch beruflich als integriert gelten könne. Das Departement für Justiz und Sicherheit sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wiesen die hiergegen gerichteten Beschwerden am 29. Juni bzw. 1. November 2006 ab.
 
1.3 Mit Eingabe vom 28. Dezember 2006 beantragt A.________, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau aufzuheben, da er sonst die Kontakte zu seinen Kindern auf ein absolutes Minimum beschränken müsste.
 
2.
 
2.1 Der angefochtene Entscheid datiert vom 1. November 2006; die vorliegende Eingabe ist somit noch als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen und nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) zu erledigen (Art. 132 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht, BGG; SR 173.110, AS 2006 1205 ff.: Mitteilungen des Bundesgerichts zum Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes, Ziff. I, publ. in: ZBl 108/2007 S. 56). Da sich die Beschwerde gestützt auf die eingeholten Akten als offensichtlich unbegründet erweist, kann dies ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG geschehen:
 
2.2
 
2.2.1 Nach Art. 10 Abs. 1 ANAG (SR 142.20) darf ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen (lit. b) oder wenn er oder eine Person, für die er zu sorgen hat, der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Masse zur Last fällt (lit. d). Die Ausweisung soll nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen "angemessen", d.h. verhältnismässig (BGE 125 II 521 E. 2a S. 523) erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz sowie die dem Betroffenen und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 ANAV). Die Ausweisung wegen einer erheblichen Fürsorgeabhängigkeit darf bloss dann angeordnet werden, wenn dem Ausgewiesenen die Heimkehr in seinen Heimatstaat möglich und zumutbar ist (Art. 10 Abs. 2 ANAG).
 
2.2.2 Dass eine Fürsorgeabhängigkeit als fortgesetzt im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG zu gelten hat, ergibt sich nicht allein daraus, dass im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheids Unterstützungsleistungen bezogen werden, sonst könnte eine Ausweisung bzw. Heimschaffung dadurch verhindert werden, dass auf Fürsorgeleistungen vorübergehend verzichtet wird. Es muss vielmehr auf die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung abgestellt werden, da es bei der Entfernung wegen Bedürftigkeit vorab darum geht, eine zusätzliche und damit künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu verhindern. Dabei ist von den aktuellen Verhältnissen im Zeitpunkt des zu fällenden Entscheids auszugehen. Erforderlich ist, dass aufgrund sämtlicher Umstände eine andauernde Unterstützungsbedürftigkeit konkret zu befürchten ist; blosse Bedenken genügen nicht (vgl. BGE 119 Ib 1 E. 3b S. 6 mit Hinweis). Der Begriff der "öffentlichen Wohltätigkeit" im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG erfasst nur Fürsorgeleistungen im technischen Sinn, nicht aber Sozialversicherungsleistungen, zu denen auch die Ergänzungsleistungen zu zählen sind (Urteil 2A.495/2004 vom 13. Januar 2005, E. 2 mit weiteren Hinweisen, publ. in: Pra 2005 Nr. 143 S. 968 ff.).
 
2.3
 
2.3.1 Der Beschwerdeführer stellt den vom Verwaltungsgericht ermittelten Sachverhalt nicht in Frage, weshalb dieser für das Bundesgericht verbindlich ist (Art. 105 Abs. 2 OG): Danach bestanden gegen ihn am 7. Juli 2004 vier Betreibungen über Fr. 22'434.15; am 12. Juni 2006 waren es bereits deren 23 für einen Betrag von Fr. 72'130.15 (und 8 offene Verlustscheine über Fr. 29'478.55). Der Schuldenberg des Beschwerdeführers ist im entsprechenden Zeitraum somit deutlich angestiegen; in seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gab er an, insgesamt rund Fr. 259'000.-- Schulden zu haben. Seit anfangs 2004 bis zum 31. März 2006 musste er vom Sozialamt mit Fr. 67'070.10 unterstützt werden. Auch seine ehemalige Frau und seine Kinder sind auf die öffentliche Fürsorge angewiesen (Fr. 119'417.65 bis 16. Juni 2006). Der Beschwerdeführer kam seinen Unterhaltspflichten - selbst in Zeiten, in denen er sich in Beschäftigungsprogrammen befand bzw. gestützt hierauf Arbeitslosenversicherungsgelder beziehen konnte - nicht nach; die Alimente mussten jeweils durch die Behörden bevorschusst werden. Seit 2002 hat sich der Beschwerdeführer nie auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft integrieren können. Unter diesen Umständen ist davon ausgehen, dass er und seine Familie auch künftig fortgesetzt und erheblich der öffentlichen Fürsorge anheim fallen dürften. Der Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG ist somit erfüllt.
 
2.3.2 Der Beschwerdeführer stellt selber nicht in Frage, dass ihm eine Rückkehr in die Türkei, wo er während rund dreissig Jahren gelebt hat und verwurzelt ist (vgl. etwa seinen dortigen Aufenthalt im Oktober 2004), zugemutet werden kann. Er verweist indessen auf die Beziehungen zu seinen Kindern, die dadurch beeinträchtigt würden. Zu Unrecht: Zwar kann es das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen, wenn einem Ausländer die Anwesenheit in der Schweiz verweigert wird und deshalb die familiären Beziehungen zu nahen Verwandten mit einem gefestigten Aufenthaltsrecht nicht (mehr) gelebt werden können (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f. mit Hinweisen). Der nicht sorgeberechtigte Ausländer kann diese zum Vornherein aber nur im beschränkten Rahmen des ihm eingeräumten Besuchsrechts pflegen; hierzu ist nicht erforderlich, dass er sich dauernd im gleichen Land aufhält wie das Kind. Es ist daher zulässig, ihm den Aufenthalt zu verweigern; den Anforderungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK ist Genüge getan, wenn er das Besuchsrecht vom Ausland her oder im Ausland ausüben kann, wobei die entsprechenden Modalitäten allenfalls geeignet aus- bzw. umzugestalten sind. Anders hat das Bundesgericht einzig für den Fall entschieden, dass in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung zu den Kindern besteht, diese wegen der Distanz zum Heimatland praktisch nicht mehr aufrechterhalten werden kann und das bisherige Verhalten des Betroffenen in der Schweiz zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (BGE 120 Ib 1 E. 3c S. 5, 22 E. 4a/b S. 25 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt: Der Beschwerdeführer ist seinen Unterhaltspflichten nie (auch nicht mit symbolischen Beiträgen) nachgekommen; er hat vor dem Verwaltungsgericht zudem selber eingeräumt, dass er die Kinder bloss "selten sehe". Der angefochtene Entscheid verletzt unter diesen Umständen kein Bundesrecht. Für alles Weitere wird auf die Ausführungen in den kantonalen Entscheiden verwiesen (vgl. Art. 36a Abs. 3 OG).
 
3.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 i.V.m. Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement für Justiz und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 5. Februar 2007
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).