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Informationen zum Dokument  BGer 6P.221/2006  Materielle Begründung
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BGer 6P.221/2006 vom 27.12.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6P.221/2006
 
6S.494/2006 /rom
 
Urteil vom 27. Dezember 2006
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Postfach 157, 4502 Solothurn.
 
Gegenstand
 
6P.221/2006
 
Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV (Strafverfahren; Willkür, faires Verfahren),
 
6S.494/2006
 
Strafzumessung (Art. 63 StGB); Landesverweisung (Art. 55 StGB),
 
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.221/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.494/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 11. September 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte X.________ am 11. September 2006 zweitinstanzlich wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung und Raufhandels zu einer Gefängnisstrafe von 12 Monaten (unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft) und verwies ihn für 4 Jahre des Landes, beides unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von fünf Jahren.
 
B.
 
X.________ führt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen er je beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 11. September 2006 sei aufzuheben.
 
C.
 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn beantragen übereinstimmend die Abweisung der Beschwerden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf drei voneinander unabhängigen Sachverhalten:
 
Dem Beschwerdeführer wird erstens vorgeworfen, in der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 2002 in Renens als Sicherheitsverantwortlicher eines Unterhaltungsbetriebs einem Gast durch heftiges Stossen gegen eine Mauer sowie durch Schläge und Tritte gegen dessen Kopf und Oberkörper vorsätzlich Verletzungen zugefügt zu haben.
 
Zweitens wird ihm vorgehalten, am 30. Juni 2002 in einer Bar in Selzach an einem Raufhandel beteiligt gewesen zu sein.
 
Drittens schliesslich wird ihm angelastet, am 30. April 2003 in Winterthur durch Schlagen und Treten eines sich am Boden befindlichen Opfers dieses vorsätzlich verletzt zu haben.
 
I. Staatsrechtliche Beschwerde
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe durch ihr vollumfängliches Eintreten auf die Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn das kantonale Prozessrecht willkürlich angewendet (Art. 9 BV) und gegen das Prinzip des fairen Verfahrens verstossen (Art. 29 Abs. 1 BV). Indem die Vorinstanz die Anschlussappellation nicht auf die Thematik der Hauptappellation eingegrenzt habe, habe sie im Ergebnis einen bereits in Rechtskraft erwachsenen Teil des erstinstanzlichen Urteils nochmals beurteilt.
 
2.2 Gestützt auf Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erschiene oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis eines Entscheides unhaltbar ist (BGE 127 I 54 E. 2b; 123 I 1 E. 4a, je mit Hinweisen).
 
Gemäss dem in Art. 29 Abs. 1 BV verankerten Gebot des fairen Verfahrens hat jede Person in gerichtlichen Verfahren Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung (vgl. auch BGE 129 I 85 E. 4.1).
 
2.3 Soweit die Einwände des Beschwerdeführers den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügen, sind sie unbegründet.
 
Die Staatsanwaltschaft hat innert der Rechtsmittelfrist Anschlussappellation erhoben. Der zulässige Umfang der Anschlussappellation beurteilt sich nach kantonalem Recht. Während einige Kantone eine teilweise Beschränkung der Anschlussappellation vorsehen, hat diese in anderen Kantonen unbegrenzte Wirkung in dem Sinne, dass sie nicht an den Umfang der Hauptappellation gebunden ist (Robert Hauser/ Erhard Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Auflage, Basel 2005, § 99 N. 15 f.). Dem anwendbaren Art. 175 Abs. 1 StPO/SO a.F. lässt sich keine ausdrückliche Begrenzung der Anschlussappellation entnehmen. Die kantonale Rechtsprechung legt die Bestimmung in dem Sinne aus, dass eine Beschränkung der Hauptappellation die Thematik der Anschlussappellation nicht einschränkt (Solothurnische Gerichtspraxis [SOG] 1975 Nr. 22).
 
Diese Auslegung ist weder unhaltbar noch verstösst sie gegen das Prinzip des fairen Verfahrens, gilt diese Praxis doch unabhängig davon, welche Partei appelliert hat. Die Waffengleichheit wird somit gewahrt. Abgesehen davon wäre es dem Beschwerdeführer offen gestanden, durch den Rückzug der Appellation auch die Anschlussappellation dahinfallen zu lassen (vgl. Art. 175 Abs. 3 StPO/SO).
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3.
 
3.1 Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei in Willkür verfallen, weil sie einerseits die Aussagen des Opfers des Vorfalls vom 18./19. Mai 2002 in Renens nicht als Rückzug des Strafantrags interpretiert habe, und weil sie andererseits betreffend der Tat vom 30. April 2003 in Winterthur den gegen Unbekannt gestellten Strafantrag als gültig eingestuft habe, obwohl dem Opfer die Identität des Täters - d.h. des Beschwerdeführers - bekannt gewesen sei.
 
3.2 Umstritten ist nicht die Auslegung von Art. 28 ff. StGB, welche im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde zu prüfen wäre, sondern die Frage, ob die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt beziehungsweise die Beweise willkürlich gewürdigt habe. Dieser Aspekt unterliegt der Überprüfung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren.
 
In der Sache jedoch kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden:
 
Im "Fall Renens" hat die Vorinstanz, ohne in Willkür zu verfallen, annehmen dürfen, es liege kein unbedingter Rückzug des Strafantrags vor, hat doch das Opfer ausdrücklich zu Protokoll gegeben, es wolle den Strafantrag aufrecht erhalten und es der Justiz überlassen, den oder die Schuldigen zu ermitteln (Akten Richteramt Solothurn-Lebern, Strafabteilung, act. 53).
 
In Bezug auf den "Fall Winterthur" hat das Obergericht willkürfrei festgestellt, dass die Hintergründe der Tat und damit insbesondere auch die Frage der persönlichen Verbindung zwischen Täter und Opfer weitgehend ungeklärt geblieben sind. Die Argumentation der Vorinstanz, es könne dem Opfer nicht nachgewiesen werden, dass ihm zur Zeit der Antragstellung die Identität des Täters bekannt gewesen sei, weshalb ein gegen unbekannte Täterschaft gerichteter Strafantrag zulässig sei, ist deshalb haltbar.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt abzuweisen.
 
II. Nichtigkeitsbeschwerde
 
4.
 
4.1 Der Beschwerdeführer wendet sich mit Nichtigkeitsbeschwerde vorab gegen die Strafzumessung des Obergerichts. Er macht geltend, dieses habe nicht nur die Begründungspflicht verletzt, sondern im Ergebnis auch eine unvertretbar hohe Strafe verhängt.
 
4.2 Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe innerhalb des anzuwendenden Strafrahmens nach dem Verschulden des Täters zu und berücksichtigt dabei die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen.
 
Das Bundesgericht hat die Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung wiederholt dargelegt. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. nur BGE 129 IV 6 E. 6.1; 127 IV 101 E. 2c, je mit Hinweisen).
 
4.3 Die Vorinstanz ist bei der Bemessung der Strafe von der einfachen Körperverletzung (Art. 123 StGB) als schwerste Tat ausgegangen, und es hat die Delikts- und Tatmehrheit strafschärfend gewichtet (Art. 68 Ziff. 1 StGB). Der Strafrahmen beträgt auch mit der Strafschärfung zwischen drei Tagen und höchstens drei Jahren Gefängnis.
 
4.3.1 Die Vorinstanz hat im Rahmen der Tatkomponenten das Ausmass des verschuldeten Erfolges, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolges, die Willensrichtung, mit welcher der Beschwerdeführer gehandelt hat, und dessen Beweggründe berücksichtigt. Sie ist dabei zum nicht zu beanstandenen Schluss gekommen, dass insbesondere im "Fall Renens" in Anbetracht der recht gravierenden Verletzungen des Opfers (Hirnblutung) und der brutalen und rücksichtslosen Vorgehensweise des Beschwerdeführers dessen Verschulden schwer wiegt.
 
4.3.2 Als Täterkomponenten hat die Vorinstanz das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sowie dessen Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren in die rechtliche Würdigung miteinbezogen. Das Obergericht hat dabei sachgerecht zum einen die stabilen persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten bewertet, zum anderen aber seine Vorstrafen, seine fehlende Einsicht in das Unrecht der Taten und seine Delinquenz trotz laufender Strafverfahren negativ gewichtet.
 
4.4 Die Vorinstanz hat sämtlichen für die Strafzumessung massgeblichen Gesichtspunkten Beachtung geschenkt und sie plausibel und nachvollziehbar gewürdigt. Von einer zu starken oder zu geringen Gewichtung einzelner dieser Faktoren kann keine Rede sein. Die deutliche Erhöhung der Strafe gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil gründet sich insbesondere auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer zusätzlich wegen Raufhandels schuldig gesprochen worden ist.
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb, soweit sie sich gegen die Strafzumessung richtet, abzuweisen.
 
5.
 
5.1 Der Beschwerdeführer wendet sich schliesslich gegen die verhängte Landesverweisung von 4 Jahren.
 
Die Vorinstanz begründet diese Nebenstrafe mit der hohen Aggressivität und Gewaltbereitschaft, welche der Beschwerdeführer bei seinen Taten an den Tag gelegt habe.
 
5.2 Gemäss Art. 55 Abs. 1 StGB kann der Richter den Ausländer, der zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird, für 3 bis 15 Jahre aus dem Gebiet der Schweiz verweisen. Die Landesverweisung ist Nebenstrafe und Sicherungsmassnahme zugleich. Obwohl der Massnahmenaspekt im Vordergrund steht, gebietet ihr Charakter als Nebenstrafe die Bemessung nach den in Art. 63 StGB verankerten Kriterien, mithin unter Berücksichtigung des Verschuldens des Täters, seiner Beweggründe für die Tat, seines Vorlebens und seiner persönlichen Verhältnisse. Dabei ist im Einzelfall sowohl dem Straf- als auch dem Sicherungszweck Rechnung zu tragen. Die kantonalen Gerichte verfügen insoweit über einen erheblichen Ermessensspielraum, in welchen das Bundesgericht nur eingreift, wenn die Vorinstanz von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn sie wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise falsch gewichtet hat oder wenn sie in Überschreitung ihres Ermessens eine unverhältnismässig strenge oder milde Entscheidung getroffen hat (BGE 123 IV 107 E. 1; 121 IV 3 E. 1a, je mit Hinweisen).
 
5.3 Art. 55 StGB spricht schlechthin vom Ausländer. Das ist jeder, der nicht das Schweizer Bürgerrecht besitzt. Die Landesverweisung eines niedergelassenen Ausländers ist möglich. Gegenüber einem Ausländer, der seit langem in der Schweiz lebt, hier verwurzelt ist, kaum mehr Beziehungen zum Ausland hat und durch eine Landesverweisung deshalb hart getroffen würde, darf diese jedoch nur mit Zurückhaltung ausgesprochen werden (BGE 123 IV 107 E. 1).
 
5.3.1 Art. 8 Ziff. 1 EMRK - und seit dem 1. Januar 2000 auch ausdrücklich Art. 13 Abs. 1 BV - gewährleistet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der eine familiäre Beziehung oder nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat. Wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen (BGE 129 II 218 E. 4.1; 126 II 425 E. 2; BGE 122 II 1 E. 1e). Ein Eingriff ist aber zulässig, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Die Konvention verlangt also eine Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten und öffentlichen Interessen, wobei die öffentlichen in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als notwendig erweist. Nebst den persönlichen und familiären Verhältnissen ist insbesondere der Art und Schwere des strafbaren Verhaltens Rechnung zu tragen und einzubeziehen, seit wann der Ausländer bereits in der Schweiz weilt, wie lange seine Taten zurückliegen und wie er sich seither verhalten hat (Urteil des Bundesgerichts 6S.355/2002 vom 8. Januar 2003, E. 1, publiziert in Pra 2003 Nr. 216 S. 1201).
 
5.3.2 Des Landes verwiesen werden können auch anerkannte Flüchtlinge. Hier gelten indes Einschränkungen. Gemäss Art. 32 Ziff. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention; SR 0.142.30) weisen die vertragschliessenden Staaten einen Flüchtling, der sich rechtmässig auf ihrem Gebiet aufhält, nur aus Gründen der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung aus. Dem trägt Art. 65 des Asylgesetzes vom 11. August 1998 (AsylG; SR 142.31) Rechnung, nach welcher Bestimmung Flüchtlinge - unter Vorbehalt von Art. 5 AsylG - nur ausgewiesen werden dürfen, wenn sie die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden oder die öffentliche Ordnung in schwerwiegender Weise verletzt haben. Es müssen die Grundlagen des staatlichen Zusammenlebens gefährdet sein. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist die Nebenstrafe gar nicht erst auszusprechen (Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 55 N. 2a; vgl. auch Béatrice Keller, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 55 N. 16 f.). Eine absolute Schranke der Ausweisung ergibt sich aus dem Folterverbot oder dem Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gemäss Art. 25 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK (Trechsel, a.a.O., Art. 55 N. 3). Das Gericht hat bei der Aussprechung einer Landesverweisung gegen einen Flüchtling diese asylrechtlichen Ausweisungsbeschränkungen zu beachten und Art. 55 StGB im Lichte von Art. 32 Ziff. 1 Flüchtlingskonvention und Art. 65 AsylG, d.h. gegebenenfalls restriktiver als gegenüber anderen Ausländern, auszulegen und anzuwenden (BGE 123 IV 107 E. 1; 119 IV 195 E. 2, je mit Hinweisen). Gegenüber anerkannten Flüchtlingen erfordert die Entscheidung über die Verhängung einer Landesverweisung folglich eine besonders sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verhütung weiterer Delikte durch den ausländischen Straftäter und dessen privatem Interesse am weiteren Verbleib in der Schweiz.
 
5.4 Der Beschwerdeführer hat sich, wie dargelegt, mehrerer Vergehen schuldig gemacht (einfache Körperverletzungen, Raufhandel). Er lebt seit dem 20. September 1991 in der Schweiz. Er ist anerkannter Flüchtling und verfügt zudem über eine Niederlassungsbewilligung C. Seit 1994 ist er mit einer Mazedonierin verheiratet. Die vier gemeinsamen Kinder haben ihre Kindheit bisher in der Schweiz verbracht. Der Beschwerdeführer hat eine feste Arbeitsstelle.
 
5.5 Die Erwägungen der Vorinstanz zur Anordnung der Landesverweisung genügen den Anforderungen an die Begründung einer solchen Nebenstrafe nicht. Die Vorinstanz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, aufgrund der hohen Aggressivität und Gewaltbereitschaft, welche der Beschwerdeführer offenbart habe, auf ein Sicherungsbedürfnis der Schweiz zu schliessen.
 
Selbst das Begehen sehr schwerer Anlasstaten würde jedoch für sich alleine für die Anordnung einer Landesverweisung nicht genügen. Voraussetzung für die Bejahung eines Sicherungsbedürfnisses ist die erhebliche Gefahr, dass der Betroffene in absehbarer Zeit rückfällig wird (vgl. Keller, a.a.O., Art. 55 N. 11). Vor allem aber ist eine umfassende Güterabwägung zwischen den sich entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen unabdingbar. Diese Abwägung nimmt die Vorinstanz - obwohl sie die massgeblichen Kriterien richtig auflistet - vorliegend nicht vor, unterlässt sie es doch, die sich aus dem Flüchtlingsstatus des Beschwerdeführers ergebenden Gesichtspunkte einzubeziehen und seine persönlichen Interessen am Verbleib in der Schweiz zu gewichten. Ebenso wenig finden sich im angefochtenen Urteil Erwägungen zum Schutz des Familienlebens, welches, wie aufgezeigt, von Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK gewährleistet wird. Die Vorinstanz geht namentlich nicht darauf ein, ob es der Ehefrau und den gemeinsamen Kindern zumutbar wäre, dem Beschwerdeführer ins Ausland zu folgen.
 
5.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie in ihrer Entscheidung den Sicherungsaspekt zu stark in den Vordergrund rückt und die entgegenstehenden persönlichen und familiären Interessen weitestgehend ausser Acht lässt.
 
Das angefochtene Urteil ist deshalb in diesem Punkt aufzuheben.
 
III. Kosten
 
6.
 
Während die staatsrechtliche Beschwerde vollumfänglich abzuweisen ist, soweit überhaupt darauf einzutreten ist, ist die Nichtigkeitsbeschwerde teilweise gutzuheissen.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten des staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens (Art. 156 Abs. 1 OG). In Bezug auf die Nichtigkeitsbeschwerde hat er die Kosten im Rahmen seines Unterliegens zu übernehmen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Soweit er obsiegt, steht ihm eine Parteientschädigung zu. Da Kosten- und Entschädigungsanteile sich die Waage halten, sind dem Beschwerdeführer weder Kosten aufzuerlegen noch ist ihm eine Parteientschädigung zuzusprechen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 11. September 2006 bezüglich der Nebenstrafe der Landesverweisung aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Für das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde werden weder Kosten erhoben noch wird eine Parteientschädigung ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. Dezember 2006
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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