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Informationen zum Dokument  BGer 6S.445/2006  Materielle Begründung
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BGer 6S.445/2006 vom 23.11.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6S.445/2006 /rom
 
Urteil vom 23. November 2006
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
 
Gerichtsschreiber Monn.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer,
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 16. Juni 2006.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die polnische Staatsangehörige X.________, die mit einem Schweizer eine Tochter hat, reiste am 11. Februar 2004 in die Schweiz ein. Nach Ablauf des für polnische Staatsangehörige ohne Visum geltenden bewilligungsfreien Aufenthalts von drei Monaten hielt sie sich weiterhin in Zürich auf, weil sie mit ihrer Tochter in der Schweiz bleiben wollte, obwohl ihr vom Migrationsamt des Kantons Zürich Ausreisefristen per 15. Juli und 30. November 2004 sowie letztmals per 15. März 2005 gesetzt wurden. Nachdem das Bundesamt für Migration dem Migrationsamt des Kantons Zürich mit Schreiben vom 18. Juli 2005 mitgeteilt hatte, dass die inzwischen stattgefundene Einbürgerung der Tochter gültig sei, wurde die mit Verfügung vom 15. März 2005 erlassene Einreisesperre am 29. Juli 2005 aufgehoben.
 
X.________ wird vorgeworfen, sich vom 16. März 2005 (erster Tag nach Ablauf der ihr zuletzt angesetzten Ausreisefrist) bis zum 19. Juli 2005 (Eingang des Schreibens des Bundesamtes für Migration vom 18. Juli 2005) unrechtmässig in der Schweiz aufgehalten zu haben.
 
Das Obergericht des Kantons Zürich bestrafte X.________ mit Urteil vom 16. Juni 2006 im Berufungsverfahren wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) im Sinne von dessen Art. 23 Abs. 1 al. 4 mit einer Busse von Fr. 500.--.
 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Es sei die Richtigkeit der Handlungen und Entscheide des Migrationsamtes des Kantons Zürich zu überprüfen. Ihr sei die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.
 
2.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde führt im Falle ihrer Gutheissung nur dazu, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird (Art 277ter Abs. 1 BStP). Soweit die Bescherdeführerin einen Freispruch und damit einen Entscheid in der Sache verlangt, ist darauf nicht einzutreten.
 
Mit Nichtigkeitsbeschwerde kann nur die Verletzung eidgenössischen Rechts, nicht aber der Bundesverfassung gerügt werden (Art. 269 Abs. 1 und 2 BStP in Verbindung mit Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Soweit sich die Beschwerdeführerin nicht auf das eidgenössische Recht im Sinne von Art. 269 Abs. 1 BStP bezieht, kann darauf nicht eingetreten werden.
 
Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid sind für das Bundesgericht im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 Satz 2 BStP). Soweit die Beschwerdeführerin davon abweicht, kann darauf nicht eingetreten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin stellte sich im kantonalen Verfahren unter anderem auf den Standpunkt, sie sei zum Aufenthalt in der Schweiz berechtigt gewesen. Ihre Tochter sei das Kind eines Schweizers und besuche hier die Schule. Als Inhaberin der elterlichen Sorge sei sie für das Wohl ihrer Tochter verantwortlich. Es hätte dem Kindeswohl geschadet, die Schule in der Schweiz und den Kontakt zum Vater zu unterbrechen. Das Kind müsse die deutsche Sprache lernen, damit ein Kontakt zum Vater möglich sei. Sie habe das Kind auch nicht einfach alleine lassen können. Das Migrationsamt habe durch die Aufforderung zur Ausreise gegen das Kindeswohl gehandelt (vgl. angefochtenen Entscheid S. 5/6 E. 2).
 
Die Vorinstanz stellt demgegenüber in tatsächlicher Hinsicht fest, die von der Beschwerdeführerin angeführte Begründung mit dem Kindeswohl und dem einzuleitenden Kontakt zwischen ihrer Tochter und dem Vater sei vorgeschoben und erfolge wider besseres Wissen. Die Beschwerdeführerin habe mehrfach einräumen müssen, dass keine regelmässigen Kontakte zwischen Vater und Tochter stattgefunden hätten. Der Vater habe überdies klargestellt, dass er keinerlei Kontakte mit der Beschwerdeführerin und seiner Tochter wünsche und die Beschwerdeführerin seit mehr als einem Jahr keinen Kontakt mehr zu ihm aufgenommen habe. Unter den gegebenen Umständen wäre das Kindeswohl auch nicht beeinträchtigt gewesen, wenn die Tochter auch nach den ersten fünf Lebensjahren in Polen gelebt hätte, dort eingeschult worden wäre und dort Deutsch gelernt hätte (vgl. angefochtenen Entscheid S. 9/10 E. 4.2.3).
 
Bei der für das vorliegende Verfahren verbindlichen Sachlage, von der die Vorinstanz ausgeht, wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, die Schweiz zu verlassen (vgl. BGE 122 II 289 E. 3c S. 298; 127 II 60 E. 2a S. 67). Ein Rechtfertigungsgrund für ihr Verbleiben in der Schweiz lag nicht vor. Der angefochtene Schuldspruch ist bundesrechtlich offensichtlich nicht zu beanstanden.
 
4.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege muss in Anwendung von Art. 152 Abs. 1 OG abgewiesen werden, weil die Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos waren. Der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin (vgl. angefochtenen Entscheid S. 11/12 E. 2) ist durch eine herabgesetzte Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 153a Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. November 2006
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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