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Informationen zum Dokument  BGer 4P.204/2006  Materielle Begründung
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BGer 4P.204/2006 vom 07.11.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.204/2006 /len
 
Urteil vom 7. November 2006
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
 
Gerichtsschreiberin Hürlimann.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Locher,
 
gegen
 
Y.________ AG,
 
Beschwerdegegnerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Hess-Odoni,
 
Handelsgericht des Kantons St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV (Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen
 
vom 26. Juni 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die drei Ehepaare A.________, B.________ und C.________ erwarben ein Grundstück in D.________, um gemeinsam ein Dreifamilienhaus zu bauen. Sie schlossen sich zu einem Baukonsortium zusammen und versicherten sich bei der X.________ (Beschwerdeführerin).
 
A.a Mit der Planung und Realisierung des Bauvorhabens beauftragten die Bauherren die E.________ AG. Mit der Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) schlossen die Konsortialen einen Vertrag für Bauingenieurleistungen. Gegenstand dieses Ingenieurvertrags war die Projektierung der Baugrube, der Baugrubensicherung sowie der Tragkonstruktion, die Baukontrolle betreffend Tragkonstruktion sowie die Bauleitung in Bezug auf die Baugrube und deren Sicherung.
 
A.b Im Spätsommer 1996 erstellte die Beschwerdegegnerin die Ausschreibungsunterlagen unter anderem für die Baugrubensicherung, wobei sie die Errichtung einer Nagelwand in Aussicht nahm. Die F.________ AG offerierte alle beschriebenen Leistungen im Zusammenhang mit der Baugrube und deren Sicherung.
 
A.c Die F.________ AG unterbreitete in der Folge eine kostengünstigere Variante für die Baugrubensicherung. Anstatt der von der Beschwerdegegnerin ausgeschriebenen Nagelwand schlug sie einen vertikalen Betonriegel und eine flacher ausgestaltete Böschung vor. Die E.________ AG nahm das Angebot der F.________ AG im Oktober 1996 für die Bauherrschaft an, wobei sie ausdrücklich darauf hinwies, dass die Unternehmervariante der Baugrubensicherung "in vorheriger Absprache mit dem Bauingenieur resp. Bauleitung" erfolgen müsse.
 
A.d Nachdem das bestehende Gebäude Ende 1996 abgebrochen worden war, begann die F.________ AG am 14. Januar 1997 mit dem Aushub. Am 23. Januar 1997 stürzte die Baugrube teilweise ein. Als Ursache wurde zunächst ein Wasserrohrbruch in der Nachbarschaft vermutet. Tags darauf fand auf der Baustelle eine Besprechung statt, an der die Beschwerdegegnerin nicht vertreten war.
 
A.e Am 27. Januar 1997 sollte die Beschwerdegegnerin den Baugrund für die Bodenplatte an Ort und Stelle beurteilen. Dabei stellte der Ingenieur der Beschwerdegegnerin fest, dass die im Aushubplan vorgesehene Bodenvernagelung völlig fehlte und dass eine seiner Ansicht nach völlig ungenügende Baugrubensicherung ausgeführt worden war, worauf am folgenden Tag eine Besprechung vor Ort unter Beizug aller Beteiligten, darunter der Beschwerdegegnerin und eines Geologen stattfand.
 
A.f Am 29. Januar 1997 kam es trotz eingeleiteter Sofortmassnahmen zu weiteren Hangrutschungen, die erst am 23. Februar 1997 gestoppt werden konnten. Durch diese Rutschungen entstanden an verschiedenen Häusern sowie an der Biserhofstrasse und den darin enthaltenen Werkleitungen erhebliche Schäden. Ein Haus musste gar abgebrochen werden.
 
B.
 
In der Folge fanden verschiedene Besprechungen der am Bau beteiligten Personen statt, zu denen auch Vertreter der jeweiligen Haftpflichtversicherungen beigezogen wurden. Die Beschwerdeführerin als Haftpflichtversicherung der Bauherrschaft übernahm federführend einstweilen die Schadensregulierung. Trotz Vorliegens eines Parteigutachtens konnten sich die Parteien anschliessend nicht über die interne Aufteilung der Schadenstragung einigen.
 
Am 27. Juni 2003 gelangte die Beschwerdeführerin an das Handelsgericht des Kantons St. Gallen mit dem Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 1'700'000.-- zuzüglich 5% Zins seit 1. August 1999 zu bezahlen. Sie machte damit einen Teil des von ihr bezahlten Betrages geltend. Das Handelsgericht wies die Klage mit Entscheid vom 4. Mai 2005 ab. Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin am 20. Juni 2005 beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht hob den Entscheid des Handelsgerichts am 26. Oktober 2005 auf, worauf das Bundesgericht die parallel dazu erhobene Berufung mit Beschluss vom 21. November 2005 als gegenstandslos abschrieb. Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen befand am 26. Juni 2006 im Sinn der Erwägungen des Entscheids des Kassationsgerichts erneut über die Sache und wies die Klage wiederum ab.
 
C.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 29. August 2006 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Juni 2006 sei aufzuheben und zur Neubeurteilung im Sinn der Erwägungen an das Handelsgericht zurückzuweisen.
 
Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Vernehmlassung, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell beantragt sie Abweisung der Beschwerde.
 
Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen verzichtete auf eine Vernehmlassung.
 
D.
 
In der gleichen Sache gelangt die Beschwerdeführerin auch mit Berufung ans Bundesgericht.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Werden in der gleichen Streitsache staatsrechtliche Beschwerde und Berufung erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und der Entscheid über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren.
 
2.
 
Nach Art. 86 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Gegen Urteile des Handelsgerichts ist gemäss Art. 237 lit. a ZPO SG die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht zulässig. Nichtigkeitsgründe sind gemäss Art. 239 ZPO SG neben Verletzungen des kantonalen Rechts (lit. a) tatsächliche Feststellungen, die dem Inhalt der Akten offensichtlich widersprechen oder sonst willkürlich sind (lit. b). Dass das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Juni 2006 mit Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen aus diesen Gründen angefochten werden kann, ergibt sich auch aus der dem angefochtenen Entscheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung.
 
Die Beschwerdeführerin rügt, das Handelsgericht habe willkürlich festgestellt, das Projekt der Beschwerdegegnerin habe nicht als Grundlage für die tatsächlich ausgeführte Unternehmervariante gedient und die Beschwerdeführerin habe nicht behauptet, dieses Projekt sei Grundlage der tatsächlich ausgeführten Variante gewesen. Sie rügt weiter, das Handelsgericht habe willkürlich festgestellt, die Beschwerdegegnerin sei durch den Architekten stillschweigend von der Bauleitung befreit worden, denn sie habe damit ihrem Entscheid einen von den Parteien nie vorgetragenen Sachverhalt zugrundegelegt und ihr auch mit einer entsprechenden rechtlichen Würdigung das rechtliche Gehör verletzt. Schliesslich rügt sie, das Handelsgericht habe willkürlich eine kausalitätsunterbrechende Drittursache unterstellt.
 
Die Rügen, welche die Beschwerdeführerin gegen die tatsächlichen Feststellungen des Handelsgerichts erhebt, hätte sie mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons St. Gallen erheben können. Insofern ist der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft. Auf die entsprechenden Rügen ist nicht einzutreten. Soweit die Beschwerdeführerin überdies sinngemäss die Rechtsanwendung kritisieren wollte, können ihre Rügen in der vorliegenden berufungsfähigen Zivilrechtsstreitigkeit mit Berufung vorgetragen werden und sind im vorliegenden Verfahren nicht zu hören (Art. 84 Abs. 2 OG).
 
3.
 
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Gerichtsgebühr ist der Beschwerdeführerin aufzuerlegen. Diese hat der durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdegegnerin deren Parteikosten für das vorliegende Verfahren zu ersetzen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren
 
nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 7. November 2006
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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