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Informationen zum Dokument  BGer 4P.64/2006  Materielle Begründung
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BGer 4P.64/2006 vom 24.05.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4P.64/2006 /ast
 
Urteil vom 24. Mai 2006
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
 
Gerichtsschreiber Arroyo.
 
Parteien
 
A.X._________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Urs Hess-Odoni,
 
gegen
 
Y.________ & Cie.,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Urs Rudolf,
 
Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, Postfach, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Art. 9 und 29 BV (Beweiswürdigung im Zivilprozess),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil der Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom 16. Januar 2006.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.X._________ (Beschwerdeführerin) führt als Inhaberin ein Unternehmen mit dem Zweck der Vermittlung von Finanzierungen und Immobilien sowie Beratungen. Die Firma heisst seit dem 16. Mai 1994 "A.X._________ Consulting". Zuvor hiess sie "X.________ Consulting", wobei das Unternehmen in M.________/LU domiziliert war.
 
Die Bank H.________ gewährte der Y.________ & Cie. (Beschwerdegegnerin) mit Vertrag vom 13. Dezember 1998/11. Januar 1999 ein Darlehen über 16,1 Millionen Franken zur Ablösung bestehender Darlehen bei der Bank I.________ sowie zur teilweisen Auszahlung von Gesellschaftern. Am 3. August 1999 gewährte die Bank H.________ der Beschwerdegegnerin zudem ein weiteres Darlehen von 11,5 Millionen Franken zur anteiligen Finanzierung einer Überbauung (N.________ in M.________).
 
Die Beschwerdeführerin stellte am 4. November 2003 beim Amtsgericht Luzern-Land das Begehren, die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihr Fr. 346'150.-- nebst 5% Zins seit 1.1.2000 sowie Fr. 247'250 nebst 5% Zins zu bezahlen. Sie brachte vor, die Beschwerdegegnerin habe die X.________ Consulting beauftragt, Baufinanzierungen bzw. Kredite gegen eine Provision von 2% zu vermitteln. Diese Aufträge habe die X.________ Consulting erfüllt, indem sie der Beschwerdegegnerin zunächst für die Überbauung N.________ 1 + 2 einen Kredit von 16,1 Millionen Franken und sodann für die Überbauung N.________ 3 einen solchen von 11,5 Millionen Franken vermittelt habe. Die Beschwerdegegnerin habe diese Leistungen zwar dankend und vorbehaltlos angenommen, habe aber die Rechnungen vom 20. Januar 1999 und vom 1. September 1999 nicht beglichen.
 
B.
 
Das Amtsgericht Luzern-Land wies die Klage mit Urteil vom 17. Februar 2005 ab. Das Amtsgericht gelangte in eingehender Würdigung der Beweise zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe den ihr obliegenden Beweis einer Provisionsvereinbarung und damit des Abschlusses eines Mäklervertrages mit der Beschwerdegegnerin durch übereinstimmende ausdrückliche Willenserklärung nicht erbracht; die Beschwerdeführerin habe auch nicht beweisen können, dass sie klargestellt hätte, sie wolle von der Beschwerdegegnerin als Zweitbeauftragter eine Provision beanspruchen. Da die Beschwerdeführerin bzw. ihr Ehemann B.X.________ bereits von der Bank H.________ beauftragt war, das Geschäft gegen eine Provision (von 0,5%, d.h. für die beiden Darlehen zusammen von Fr. 138'000.--) zu vermitteln, und dies der Beschwerdegegnerin bekannt war, falle auch der Abschluss eines Mäklervertrages durch Duldung oder Genehmigung ausser Betracht.
 
C.
 
Mit Urteil vom 16. Januar 2006 wies das Obergericht des Kantons Luzern auf Appellation der Beschwerdeführerin die Klage ebenfalls ab. Es führte aus, die Appellation genüge über weite Strecken nicht den Begründungsanforderungen; ein Abstellen auf die Behauptungen der beweispflichtigen Beschwerdeführerin komme wegen der Bestreitung der Beschwerdegegnerin nicht in Frage; die amtsgerichtliche Feststellung, die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann seien für die umstrittene Kreditvermittlung faktisch gleichzusetzen, basiere auf umfassender Beweiswürdigung, ohne dass sich der bei den Akten liegenden Visitenkarte die Funktion oder Stellung von B.X.________ bei der X.________ Consulting entnehmen lasse; das Amtsgericht habe die Aussagen der Tochter C.X.________ differenziert gewürdigt; die Schlussfolgerung des Amtsgerichts aus der Zeugenbefragung D.________ sei nachvollziehbar und das Gericht habe seinen Schluss auch auf die Zeugenaussagen E.________, F.________ und G.________ abgestützt; die amtsgerichtliche Annahme eines Freundschaftsverhältnisses beruhe auf Beweiswürdigung und die Vermutung, die Vermittlung sei deshalb im Zweifel unentgeltlich, gerechtfertigt. Schliesslich hielt das Obergericht fest, dass die Beschwerdeführerin nichts Schriftliches beizubringen vermöge und dies sich prozessrechtlich zu ihren Ungunsten auswirke.
 
D.
 
Die Beschwerdeführerin hat gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 16. Januar 2006 sowohl staatsrechtliche Beschwerde wie auch eidgenössische Berufung eingereicht. In der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Sie rügt, das Obergericht habe das Willkürverbot von Art. 9 BV verletzt, indem es in gehöriger Form beantragte Beweise nicht abgenommen sowie die Beweise willkürlich gewürdigt und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren gemäss Art. 29 BV verletzt habe.
 
E.
 
Die Beschwerdegegnerin schliesst in der Antwort auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) ist gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (§ 245 ZPO LU) grundsätzlich zulässig (Art. 86 OG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihren Begehren unterlegen und daher zur Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG); die Beschwerdefrist ist eingehalten worden (Art. 89 OG).
 
2.
 
Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift insbesondere die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtsgrundsätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f). Die Beschwerdeführer müssen in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen nennen und im Einzelnen dartun, inwiefern diese verletzt sein sollen (BGE 130 I 258 E.1.3; 130 I 26 E. 1.2 S. 31; 129 III 626 E. 4 S. 629; 129 I 281 E. 1.1 S. 284). Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3).
 
2.1 In den Ziffern 3 bis 6 der Beschwerde wird nicht ansatzweise dargetan, inwiefern das angefochtene Urteil die angeführten verfassungsmässigen Rechte verletzt. In den Ziffern 7 bis 14 der Beschwerde wird Erwägung 1.2 des angefochtenen Urteils in allgemeiner Weise kritisiert, ohne dass im Einzelnen aufgezeigt würde, inwiefern Art. 9 und 29 BV verletzt sein sollen. In den Ziffern 15 bis 17 wird sodann gerügt, das Obergericht habe seine Prüfung des erstinstanzlichen Urteils in unzulässiger Weise auf eine Willkürprüfung eingeschränkt, ohne dass die kantonalen Normen oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze auch nur aufgeführt würden, welche dadurch verletzt bzw. verfassungswidrig angewandt worden sein sollen.
 
2.2 Nach konstanter Rechtsprechung ist in der Beschwerdeschrift selbst zu begründen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie verletzt worden sein sollen (BGE 130 I 290 E. 4.10 S. 302; 129 I 113 E. 2.1 S. 120, je mit Verweisen). Die Behauptung, es sei in den kantonalen Rechtsschriften aufgezeigt worden, welche Zeugen weswegen nochmals zu befragen seien genügt dieser Anforderung ebenso wenig wie die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe sich in ihrer Rechtsschrift im kantonalen Verfahren detailliert mit der Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts auseinandergesetzt. Inwiefern der Schluss des Obergerichts, dass sich ihre Vorbringen in einer blossen Bestreitung der Feststellungen der ersten Instanz erschöpfen, verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzen sollte, lässt sich der Beschwerde nicht ansatzweise entnehmen. Der Behauptung, es sei "Tatsache, dass das Appellationsverfahren im Kanton Luzern einen vollen Devolutiveffekt entfaltet, sodass das Obergericht im Umfang der Rügen selbstverständlich das vorinstanzliche Urteil voll überprüfen muss", lässt sich weder entnehmen, welche prozessualen Normen des kantonalen Rechts verfassungswidrig angewandt worden sein sollen, noch inwiefern in diesem Zusammenhang die angeführten Art. 9 und 29 BV verletzt sein sollen. Auf die Rügen, welche die Beschwerdeführerin offenbar gegen Erwägung 1.2 des angefochtenen Urteils vorbringen will, kann mangels hinreichender Begründung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht eingetreten werden. Insbesondere kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden und ist keine Begründung für die Ansicht erkennbar, dass "formelle Rechtsverweigerungen" vorliegen, die "unabhängig vom Inhalt der Argumentation im Detail" zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte führen sollten.
 
2.3 In Erwägung 5 des angefochtenen Urteils hat das Obergericht geschlossen, es sei der Begründung des erstinstanzlichen Urteils sehr wohl zu entnehmen, aus welchen Gründen die Aussagen der Zeugin C.X.________ - der Tochter der Beschwerdeführerin - mit besonderer Vorsicht zu würdigen seien; der pauschale Vorwurf der Beschwerdeführerin, das Amtsgericht habe mit "Fiktionen und unhaltbaren Annahmen" gearbeitet, stelle keine hinreichende Appellationsbegründung dar. Das Obergericht fügte sodann bei, das Amtsgericht habe differenziert argumentiert und insbesondere auf die zeitliche Diskrepanz und die Unvereinbarkeit mit dem übrigen Beweisergebnis hingewiesen sowie auf den Umstand, dass die Zeugin nach eigenen Aussagen vom massgebenden Geschehen nur punktuell etwas mitbekommen habe. Die Beschwerdeführerin rügt insofern, das Obergericht habe seine Prüfung in unzulässiger Weise auf eine Willkürrüge eingeschränkt und sei über weite Strecken auf die Appellationsbegründung nicht eingetreten, womit Art. 9 und 29 BV verletzt worden seien. Die Rüge beruht auf der Prämisse, dass das kantonale Prozessrecht dem Obergericht eine vollständige und freie Überprüfung der Beweiswürdigung im Appellationsverfahren vorschreibt und dass die Beschwerdeführerin die prozessualen Anforderungen des kantonalen Rechts an die Begründung der Appellation eingehalten hat. Dafür findet sich in der Beschwerde keine Begründung; denn es werden die einschlägigen Normen des kantonalen Rechts nicht genannt und es wird erst recht nicht aufgezeigt, inwiefern diese in Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Beschwerdeführerin ausgelegt oder angewendet worden sein sollen. Auf die Beschwerde ist insgesamt mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr ist dem Ausgang des Verfahrens entsprechend zu verlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführerin hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin deren Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). Gebühr und Parteientschädigung richten sich nach dem Streitwert.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'500.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Mai 2006
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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