VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6A.4/2006  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6A.4/2006 vom 27.02.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6A.4/2006 /ast
 
Urteil vom 27. Februar 2006
 
Kassationshof
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, Präsident,
 
Bundesrichter Karlen, Zünd,
 
Gerichtsschreiber Borner.
 
Parteien
 
B.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Müller,
 
gegen
 
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen.
 
Gegenstand
 
Entzug des Führerausweises; Dauer des Entzugs,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, vom 14. Dezember 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.________ lenkte am Nachmittag des 10. Juli 2005 einen Personenwagen ausserorts auf der Julierpassstrasse im Bereich der Capalotta-Ebene in Richtung Bivio. Eine Geschwindigkeitsmessung der Kantonspolizei Graubünden ergab für ihn eine rechtlich relevante Geschwindigkeit von 110 km/h.
 
Das Kreisamt Surses büsste B.________ am 9. November 2005 wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln mit Fr. 12'000.--.
 
B.
 
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen entzog B.________ am 7. September 2005 den Führerausweis für die Dauer von 3 Monaten (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG).
 
Einen Rekurs des Betroffenen wies die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen am 14. Dezember 2005 ab.
 
C.
 
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Entzugsdauer auf einen Monat festzusetzen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen.
 
Die Verwaltungsrekurskommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde (act. 6).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Der Beschwerdeführer anerkennt, die ausserorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h überschritten und damit den objektiven Tatbestand der schweren Verkehrsregelverletzung erfüllt zu haben. Aufgrund der besonderen konkreten Umstände treffe ihn jedoch kein schweres Verschulden.
 
Vor der Geschwindigkeitsüberschreitung sei er längere Zeit in einer Kolonne hinter einem ausgesprochen langsam fahrenden Personenwagen hergefahren. Mehrere Fahrzeuglenker hätten hinter ihm aufgeschlossen und er habe zum Überholen angesetzt, zumal die Strecke übersichtlich gewesen sei und es keinen Gegenverkehr gehabt habe. Während des Überholmanövers habe der andere Fahrzeuglenker ebenfalls beschleunigt, so dass er vor der Entscheidung gestanden sei, den Überholvorgang durch Beschleunigen seines Wagens abzuschliessen oder sich zurückfallen zu lassen. Letzteres sei ihm zu gefährlich erschienen, da hinter ihm bereits zwei weitere Fahrzeuge auf die linke Fahrbahnseite ausgeschwenkt seien und ein Überholmanöver eingeleitet hätten.
 
2.
 
Ob die Darstellung des Beschwerdeführers den tatsächlichen Geschehnissen entspricht, muss ernsthaft bezweifelt werden. Im Anschluss an das Überholmanöver wurde der Beschwerdeführer von der Bündner Kantonspolizei angehalten und zur Geschwindigkeitsüberschreitung befragt. Dabei gab er auf einem vorgedruckten Formular an, den Tatbestand anzuerkennen und die geltende Höchstgeschwindigkeit gekannt zu haben. Obwohl das Formular freien Platz aufweist, um weitere Bemerkungen anzubringen, erwähnte der Beschwerdeführer nichts von den "besonderen Umständen" seines Überholmanövers. Ein solches Verhalten ist nicht nachvollziehbar. Wenn der andere Fahrzeuglenker den Beschwerdeführer tatsächlich veranlasst gehabt haben sollte, eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung zu begehen, hätte er dies unmittelbar danach der Polizei gegenüber auch geäussert.
 
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer den Strafbefehl wegen schwerer Verkehrsregelverletzung, welche ein qualifiziertes Verschulden voraussetzt, nicht anfocht. Wenn sich die Dinge, wie vom Beschwerdeführer behauptet, zugetragen haben sollten, leuchtet nicht ein, weshalb er dies nicht im ordentlichen Strafverfahren geltend gemacht hat.
 
3.
 
Selbst wenn man vom Sachverhalt ausgeht, wie ihn der Beschwerdeführer darstellt, trifft ihn ein qualifiziertes Verschulden.
 
Nach seinen Angaben fuhr der andere Lenker ausgesprochen langsam, d.h. deutlich unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Letztere Geschwindigkeit hätte dem Beschwerdeführer normalerweise genügt, um den anderen Fahrzeuglenker zu überholen. Da dieser aber spätestens auf gleicher Höhe mit ihm erheblich beschleunigte, ging der Beschwerdeführer die Gefahr ein, sich mit dem anderen Lenker ein Rennen zu liefern. Denn er konnte im Voraus nicht wissen, wie lange der andere Fahrzeuglenker mit seiner Beschleunigung mithalten würde. Dass ein solches Verhalten mit einem qualifizierten Verschulden einhergeht, bedarf keiner weiteren Erörterung.
 
Gemildert wird das Verschulden auch nicht durch das Verhalten zweier Autolenker, die in der Zwischenzeit hinter ihm ein Überholmanöver eingeleitet haben sollen. Nachdem er realisiert hatte, dass er sein Manöver nicht regelkonform würde durchführen können, hätte er durch mehrmaliges kurzes Antippen der Bremsen den hinter ihm Fahrenden gefahrlos anzeigen können, dass er sein Überholmanöver abbrechen werde. Zudem hätte er sich auch nicht weit zurückfallen lassen müssen, nachdem der Lenker auf der Normalspur sein Fahrzeug erheblich beschleunigt hatte und dadurch unmittelbar dahinter Raum frei wurde.
 
4.
 
Damit erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden, insbesondere auch auf die allgemeinen Erwägungen zum schweren Fall, zum neuen Massnahmenrecht des SVG und der Rechtsprechung dazu.
 
5.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, sowie dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. Februar 2006
 
Im Namen des Kassationshofes
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).