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Informationen zum Dokument  BGer 1P.503/2005  Materielle Begründung
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BGer 1P.503/2005 vom 20.01.2006
 
Tribunale federale
 
{T 1/2}
 
1P.503/2005 /ggs
 
Urteil vom 20. Januar 2006
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Aeschlimann, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
Parteien
 
1. Schweizerische Volkspartei des Kantons Aargau,
 
2. Lieni Füglistaller,
 
3. Pascal Furer,
 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher Peter Krebs,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Aargau, Regierungsgebäude, 5001 Aarau,
 
Grosser Rat des Kantons Aargau, Regierungsgebäude, 5001 Aarau,
 
Gegenstand
 
Art. 85 lit. a OG (Projektgenehmigung und Bewilligung eines Verpflichtungskredits für das Zentralgefängnis in Lenzburg),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Grossen Rats des Kantons Aargau vom 21. Juni 2005.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Gestützt auf § 20 Abs. 1 der Aargauer Strafprozessordnung vom 11. November 1958 (StPO), wonach "der Grosse Rat abschliessend über den Weiterbestand und die Erweiterung der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" entscheidet, beschloss der Grosse Rat des Kantons Aargau am 21. Juni 2005:
 
1. Das Projekt Zentralgefängnis wird genehmigt.
 
2. Es wird ein Verpflichtungskredit für einmalige Ausgaben in der Höhe von Fr. 35'200'000.-- (Indexstand 1. April 2004; ZKB-Index 107,6) bewilligt. Der Kredit verändert sich um die indexbedingten Mehr- und Minderkosten. Das Zentralgefängnis hat dem Minergie-Standard, mit 42 kWh/m2 Grenzwert, zu entsprechen.
 
3. Es wird für die wiederkehrenden Mehrkosten ab Inbetriebnahme des Zentralgefängnisses ein jährlicher Verpflichtungskredit von Fr. 2'200'000.-- bewilligt."
 
Vorgängig der Abstimmung hatte sich die Ratsvorsitzende geweigert, über folgenden, von Pascal Furer namens der SVP-Fraktion eingebrachten Antrag 4 abstimmen zu lassen:
 
"Es wird festgestellt, dass der Beschluss dem fakultativen Referendum gemäss § 63 Abs. 1 lit. d der Kantonsverfassung unterliegt."
 
B.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 18. August 2005 wegen Verletzung des Stimmrechts beantragen die Schweizerische Volkspartei des Kantons Aargau (SVP/AG), Lieni Füglistaller und Pascal Furer:
 
1. Der Beschluss des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 21.06.2005 betreffend Projektgenehmigung und Verpflichtungskredit für ein neues Zentralgefängnis in Lenzburg sei wie folgt zu ergänzen:
 
'[..]
 
4. Dieser Beschluss wird dem fakultativen Referendum gemäss § 63 Abs. 1 lit. d der Kantonsverfassung unterstellt.'
 
1. Eventualiter sei der Beschluss des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 21.06.2005 betreffend Projektgenehmigung und Verpflichtungskredit für ein neues Zentralgefängnis in Lenzburg aufzuheben.
 
2. Subeventualiter sei der Grosse Rat des Kantons Aargau anzuweisen, bezüglich des Beschlusses des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 21.06.2005 betreffend Projektgenehmigung und Verpflichtungskredit für ein neues Zentralgefängnis in Lenzburg eine Abstimmung betreffend das Behördenreferendum gemäss § 62 Abs. 1 lit. e der Kantonsverfassung betreffend die Unterstellung des Beschlusses unter das fakultative Referendum durchzuführen.
 
3. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu verleihen.
 
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Aargau."
 
C.
 
Mit Verfügung vom 8. September 2005 erkannte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
 
D.
 
In seiner Vernehmlassung beantragt der Regierungsrat des Kantons Aargau auch im Namen des Grossen Rats, die Beschwerde abzuweisen. In ihrer Replik halten die SVP/AG, Lieni Füglistaller und Pascal Furer an ihren Anträgen vollumfänglich fest. Mit gemeinsamer Stellungnahme beharren Regierungsrat und Grosser Rat auf ihrem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Auf Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG hin beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger in kantonalen Wahlen und Abstimmungen. Kennt ein Kanton das Institut des obligatorischen oder fakultativen Finanzreferendums, so kann Anfechtungsobjekt der Stimmrechtsbeschwerde jeder Ausgabenbeschluss des Gemeinwesens oder ein darüber ergangener Rechtsmittelentscheid sein, unabhängig davon, ob er von der Exekutive oder vom Parlament gefasst wurde (Urteil des Bundesgerichts vom 8. November 1993 in ZBl 95 1994 222 E. 1a; BGE 118 Ia 184 E. 1a; 113 Ia 388 E. 1b).
 
1.2 Bei den Beschwerdeführern handelt es sich einerseits um Stimmberechtigte des Kantons Aargau, welche ohne weiteres zur Stimmrechtsbeschwerde befugt sind (BGE 121 I 357 E. 2a; 120 Ia 194 E. 1c), anderseits um eine im Kanton aktive, als Verein organisierte politische Partei, die nach der Rechtsprechung ebenfalls beschwerdebefugt ist.
 
1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
 
1.4 Auf Stimmrechtsbeschwerde hin prüft das Bundesgericht die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Recht aller Stufen, das den Inhalt des Stimmrechts umschreibt oder mit diesem in engem Zusammenhang steht, mit freier Kognition. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich allerdings der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auffassung an, sofern es sich dabei um das Parlament oder das Volk handelt (BGE 129 I 185 E. 2; 118 Ia 422 E. 1e; 113 Ia 390 E. 3 mit Hinweisen).
 
2.
 
Unstrittig ist, dass der Grosse Rat mit dem angefochtenen Entscheid eine neue Ausgabe von 35,2 Mio. Franken und jährlich wiederkehrende Ausgaben von 2,2 Mio. Franken beschloss. Ein Ausgabenbeschluss in dieser Höhe untersteht nach § 63 Abs. 1 lit. d der Aargauer Kantonsverfassung vom 25. Juni 1980 (KV) grundsätzlich dem fakultativen Referendum. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann das Referendum indessen unter folgenden Voraussetzungen ausgeschlossen werden:
 
2. Die Volksabstimmung über neue Ausgaben betreffend Bauten und Baubeiträge darf nur ausgeschlossen und die endgültige Zuständigkeit der Behörden angeordnet werden, sofern durch Gesetz oder durch einen Beschluss des Grossen Rates, welcher der Volksabstimmung untersteht,
 
a) die Kosten bestimmt oder
 
b) bei kantonalen Bauten Objekt und Standort festgelegt oder
 
c) bei Baubeiträgen die Objekte bezeichnet sind."
 
Regierung und Grosser Rat vertreten die Auffassung, nach dem am 2. Juli 2002 revidierten § 20 Abs. 1 der Aargauer Strafprozessordnung vom 11. November 1958 (StPO) sei der Grosse Rat abschliessend für die umstrittene Ausgabe zuständig. Dieser lautet wie folgt:
 
1. Der Grosse Rat entscheidet abschliessend über den Weiterbestand und die Erweiterung der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg und des Jugendheimes Aarburg."
 
Die Beschwerdeführer bestreiten, dass diese Bestimmung als rechtsgültige, das Referendum ausschliessende Kompetenzdelegation verstanden werden kann.
 
3.
 
3.1 Eine neue Ausgabe ist der Volksabstimmung unter anderem dann nicht zu unterstellen, wenn die Ausgabenbewilligungskompetenz für den betreffenden Aufgabenbereich vom Volk an das Parlament oder an die Regierung delegiert worden ist. Mit der Delegation überträgt der Gesetzgeber die Kompetenz zur Bewilligung von ganz oder teilweise neuen Ausgaben einem hierfür primär nicht zuständigen Organ (BGE 108 Ia 234 E. 3a S. 237; 105 Ia 80 E. 4 S. 82; Adrian Hungerbühler, Begriff der gebundenen Ausgabe und Delegation der Ausgabenkompetenz, in: Ausgewählte Fragen des Finanzreferendums, hrsg. Yvo Hangartner, 1992, S. 81 ff.). Die Delegation von Ausgabenbewilligungsbefugnissen an das Parlament oder die Regierung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig, wenn sie durch das kantonale Recht nicht ausgeschlossen wird, wenn sie in einem der Volksabstimmung unterliegenden Erlass erfolgt und wenn sie auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist. Zudem darf das Institut des Finanzreferendums nicht durch eine Mehrzahl von Kompetenzdelegationen ausgehöhlt werden (BGE 121 I 291 E. 2c; Urteil des Bundesgerichts vom 5. November 1993 in ZBl 95/1994 228 E. 7 S. 232, je mit Hinweisen).
 
3.2 Nach § 63 Abs. 2 KV können die Ausgaben für kantonale Bauten, sofern Objekt und Standort feststehen, per Gesetz in die Kompetenz des Grossen Rates gelegt werden. Diese Regelung der Delegation von Finanzkompetenzen entspricht unbestrittenermassen der oben dargelegten bundesgerichtlichen Praxis. Einzige strittige Frage ist somit, ob § 20 Abs. 1 StPO die (abschliessende) Ausgabenkompetenz für den Neubau einer Justizvollzugsanstalt in Lenzburg dem Grossen Rat zuweist. Trifft dies zu, so hat der Grosse Rat von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen. Es steht im nicht zu, von der verfassungsmässigen Zuständigkeitsordnung abzuweichen und den Entscheid den Stimmberechtigten zu überlassen.
 
3.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Gesetzesbestimmungen in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihr zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode auszulegen. Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die zu ermitteln dem Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben des Gesetz- bzw. Verfassungsgebers aufgegeben ist (eingehend zur Auslegungsmethodik: BGE 128 I 34 E. 3a).
 
4.
 
4.1 Der Regierungsrat führt in der Vernehmlassung aus, nach § 20 Abs. 1 StPO in der - mittlerweile revidierten - Fassung vom 11. November 1958 habe die Ausgabenkompetenz für die Errichtung oder den Ausbau von neuen Vollzugsanstalten beim Grossen Rat gelegen, das Finanzreferendum sei in diesen Fällen ausgeschlossen gewesen. Diese Delegationsnorm habe § 63 Abs. 2 KV der am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen neuen Kantonsverfassung nicht mehr genügt, weshalb ab diesem Datum alle kantonalen Bauten im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs dem Finanzreferendum unterstanden hätten. Um diese unerwünschte Folge der neuen Kantonsverfassung zu beseitigen, sei dann § 20 Abs. 1 StPO revidiert worden. Der Zweck dieser Revision sei stets offen gelegt worden und unbestritten geblieben. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen in der Botschaft vom 23. Februar 2001 zuhanden des Grossen Rates sollte ausdrücklich auch das geplante Zentralgefängnis in Lenzburg von der Kompetenznorm von § 20 Abs. 1 StPO erfasst werden. Diese Bestimmung sei in der ganzen parlamentarischen Beratung unbestritten gewesen und von den Stimmberechtigten am 24. November 2002 angenommen worden.
 
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer erfülle § 20 Abs. 1 StPO die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausgabendelegation an den Grossen Rat für das Zentralgefängnis. Schon der Wortlaut der Bestimmung, in der von der "Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" die Rede sei, zeige, dass dieser Begriff nicht nur die bestehende Strafanstalt Lenzburg, sondern die im Gefängniskonzept vorgesehene kombinierte Anstalt (bestehende Anstalt und geplantes Zentralgefängnis) in Lenzburg umfasse. Selbst wenn der Wortlaut indessen nicht eindeutig genug sein sollte, müsse für die Auslegung der erst vor kurzer Zeit geschaffenen Bestimmung in erster Linie auf die Materialien abgestellt werden. Hierbei komme den Erläuterungen in der Botschaft des Regierungsrates eine vorrangige Bedeutung zu, zumal die fragliche Delegationsnorm in der parlamentarischen Diskussion unbestritten geblieben sei. Darin werde, was auch die Beschwerdeführer anerkennen würden, in aller gewünschten Klarheit festgehalten, dass die Umschreibung "Erweiterung der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" die bestehende Strafanstalt Lenzburg und das geplante Zentralgefängnis umfasse und dass § 20 Abs. 1 StPO eine Delegationsnorm im Sinne von § 63 Abs. 2 KV für das gesamte Projekt darstelle.
 
4.2 Nach dieser Darstellung will der Grosse Rat mit dem angefochtenen Beschluss neben der bestehenden Strafanstalt Lenzburg ein neues Zentralgefängnis bauen, um dann beide Anstalten gemeinsam als "Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" zu betreiben. Eine "Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" besteht nach diesen Ausführungen derzeit nicht. Die in § 20 Abs. 1 StPO verwendete Formulierung, wonach der Grosse Rat abschliessend über den "Weiterbestand und Erweiterung der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" befindet, setzt an sich das Bestehen einer "Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" voraus. Da dies jedoch offenkundig nicht der Fall ist, kann die Bestimmung nur so verstanden werden, dass der Grosse Rat abschliessend über den Weiterbestand der Strafanstalt Lenzburg und deren Erweiterung zur "Justizvollzugsanstalt in Lenzburg" entscheidet. Der Regierungsrat hat denn auch in seiner Botschaft an den Grossen Rat zur Revision der StPO im Jahre 2002 klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bestimmung in diesem Sinn zu verstehen ist. In der Beratung des Grossen Rates sei - die Beschwerdeführer widersprechen dem nicht - unumstritten gewesen, dass der Neubau des Zentralgefängnisses unter die Delegationsnorm fallen solle.
 
4.3 Ein präziserer Wortlaut von § 20 Abs. 1 StPO wäre zwar wünschenswert gewesen, doch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mit dieser Formulierung künftige Erweiterungen der Justizvollzugsanstalt in Lenzburg erfasst werden, was bei der Verwendung des Begriffs "Strafanstalt Lenzburg" nicht der Fall gewesen wäre. Die Unklarheit des Wortlautes ist somit die Folge der gesetzgebungstechnisch nicht optimal bewältigten Erweiterung und Umbenennung der Strafanstalt Lenzburg. Aus den Materialien, welchen bei einer derart jungen Revision ein besonders hoher Stellenwert zukommt (BGE 112 Ia 97 E. 6c), ergibt sich der gesetzgeberische Wille indessen mit ausreichender Klarheit. Unschön ist zwar, dass in der Abstimmungsbotschaft an die Stimmberechtigten § 20 StPO mit keinem Wort kommentiert wird, was der erheblichen Bedeutung dieser Delegationsnorm nicht entspricht. Dies lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Stimmrechts indessen gerade noch rechtfertigen, da die Revision von § 20 Abs. 1 StPO nicht die Schaffung einer neuen Delegationsnorm zum Gegenstand hatte, sondern deren Anpassung an die von der neuen Kantonsverfassung erhöhten verfassungsrechtlichen Anforderungen an Delegationsnormen (vgl. vorn E. 2), denen § 20 in seiner alten Fassung nicht mehr entsprach; dem Grossen Rat wurden damit keine neuen Ausgabenkompetenzen eingeräumt, sondern es wurden "bloss" vorbestehende ins neue Recht überführt.
 
Es kann zudem ausgeschlossen werden, dass sich die Stimmbürger bei der Abstimmung über die Bedeutung von § 20 Abs. 1 StPO nicht genügend im Klaren waren. Entweder hatten sie sich bereits über die parlamentarischen Beratungen informiert und kannten damit die Bedeutung, die dieser Bestimmung nach dem Willen von Regierung und Parlament zukommen sollte. Oder sie hatten sich ausschliesslich aus den Abstimmungserläuterungen informiert, in denen die Unterscheidung der Begriffe "Strafanstalt Lenzburg" und "Justizvollzuganstalt in Lenzburg" und die Bedeutung, die ihr Regierungsrat und Grosser Rat zumessen, nicht erwähnt wird, und die sie folglich nicht kannten. Ohne dieses Vorwissen kann § 20 Abs. 1 StPO indessen vernünftigerweise nicht anders verstanden werden, als dass ein Ausbau der altbekannten Strafanstalt Lenzburg, in welcher Form, nach welchem Konzept und unter welcher Benennung auch immer dies geschehen soll, wie bisher von der Delegationsnorm erfasst wird.
 
Ist somit davon auszugehen, dass die Stimmberechtigten bei der Abstimmung über die Teilrevision der StPO von 2002 wissen konnten und mussten, dass damit dem Grossen Rat weiterhin die abschliessende Ausgabenkompetenz für die Erweiterung der Strafvollzugsanstalt Lenzburg mit der Errichtung eines Zentralgefängnisses eingeräumt wurde, so hat der Grosse Rat mit dem angefochtenen Beschluss, mit welchem er in eigener Kompetenz das entsprechende Projekt genehmigte und den dafür erforderlichen Kredit beschloss, das Stimmrecht der Beschwerdeführer nicht verletzt.
 
4.4 Es kommt hinzu, dass es sich bei den beiden natürlichen Beschwerdeführern nicht nur um Stimmbürger, sondern um Parlamentarier handelt, die bereits während der letzten Amtsperiode, in welcher die umstrittene StPO-Revision beschlossen wurde, dem Grossen Rat angehörten und dort ihre hier ebenfalls als Beschwerdeführerin auftretende Partei vertraten. Aus der parlamentarischen Beratung wussten somit die Beschwerdeführer - oder sie hätten zumindest wissen müssen -, dass sich der Grosse Rat für befugt hielt und hält, gestützt auf diese Bestimmung in eigener Kompetenz in Lenzburg ein Gefängnis zu bauen. Es ist damit fraglich, ob sie nach Treu und Glauben überhaupt befugt wären, geltend zu machen, § 20 Abs. 1 StPO sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Kompetenzdelegation an den Grossen Rat, nachdem sie in der parlamentarischen Beratung keine derartigen Bedenken vorbrachten. Nachdem die Beschwerde nach dem Gesagten ohnehin unbegründet ist, kann dies indessen offen bleiben.
 
5.
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Praxisgemäss sind bei einer Stimmrechtsbeschwerde keine Kosten zu erheben.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem Regierungsrat und dem Grossen Rat des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 20. Januar 2006
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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