VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 4C.56/2005  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 4C.56/2005 vom 12.01.2006
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4C.56/2005 /ruo
 
Urteil vom 12. Januar 2006
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
 
Gerichtsschreiber Mazan.
 
Parteien
 
Verband X.________,
 
Beklagter und Berufungskläger,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert G. Briner,
 
gegen
 
Z.________,
 
Kläger und Berufungsbeklagten,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Lucas Anderes.
 
Gegenstand
 
Zusammenarbeitsvertrag,
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Dezember 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der Verband X.________ (Beklagter) ist ein Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB. Der Beklagte führte eine Informatik-Abteilung, die im Jahre 2001 in Schwierigkeiten geriet. Am 10. April/11. Juni 2001 schloss der Beklagte mit Z.________ (Kläger) einen Zusammenarbeitsvertrag, der am 1. Mai 2001 in Kraft treten sollte. Unter diesem Vertrag verpflichtete sich der Kläger dazu, Kunden bei der Einführung der vom Beklagten vertriebenen Software zu beraten.
 
Anlässlich der Delegiertenversammlung des Beklagten vom 22. Mai 2001 wurde die Jahresrechnung 2000, insbesondere auch die Rechnung der Informatik-Abteilung, nicht genehmigt. An der Delegiertenversammlung des Beklagten vom 4. September 2001 wurde die Auflösung der Informatik-Abteilung beschlossen. Als Folge davon kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 21. September 2001 den Zusammenarbeitsvertrag mit dem Kläger per Ende November 2001.
 
B.
 
Nachdem der Beklagte seine in Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitvertrages festgehaltene Pflicht, für eine Auslastung des Klägers mit Aufträgen mit durchschnittlich 50 % zu sorgen, nicht erfüllt hatte, machte der Kläger Ansprüche auf Bezahlung einer Entschädigung für ausbleibende Aufträge geltend.
 
Mit Klage vom 17. März 2003 vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich belangte der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Fr. 96'075.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 1. August 2001. Später reduzierte er die Klage um Fr. 3'752.-- plus Zins zu 5 % ab 1. August 2001. Mit Urteil vom 14. Dezember 2004 verpflichtete das Handelsgericht den Beklagten zur Zahlung von Fr. 92'323.-- nebst 5 % Zins seit 16. Dezember 2002.
 
C.
 
Mit Berufung vom 31. Januar 2005 beantragt der Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 14. Dezember 2004 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Vervollständigung des Sachverhaltes und zur Neuentscheidung ans Handelsgericht zurückzuweisen.
 
Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung, soweit auf sie einzutreten sei.
 
D.
 
Eine Nichtigkeisbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich ist mit Zirkulationsbeschluss vom 31. August 2005 abgewiesen worden, soweit darauf einzutreten war.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Die Berufung ist in der vorliegenden Zivilstreitigkeit zulässig, da sich das Rechtsmittel des mit seinen Begehren unterlegenen Beklagten gegen den letztinstanzlichen Entscheid einer oberen kantonalen Instanz richtet (Art. 48 Abs. 1 OG), der erforderliche Streitwert erreicht ist (Art. 46 OG) und die Berufung fristgerecht der schweizerischen Post übergeben worden ist (Art. 54 OG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. b OG).
 
1.2 Da in der Berufungsschrift selber darzulegen ist, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil bundesrechtswidrig sein soll, darf sich der Berufungskläger nicht damit begnügen, auf die Akten oder auf seine kantonalen Rechtsschriften zu verweisen. Soweit der Beklagte in seiner Berufung auf Rechtsschriften im kantonalen Verfahren verweist, ist auf die Berufung nicht einzutreten (BGE 116 II 92 E. 2 S. 93 f.).
 
2.
 
2.1 Die vom Beklagten verfasste und von den Parteien umstrittene Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages hat folgenen Wortlaut:
 
"Der Verband X.________ ist dafür besorgt, dass der Berater durchschnittlich zu 50 % mit Aufträgen ausgelastet ist. Absenzen wie Ferien, Unfall, Krankheit und andere gehen zu Lasten des Beraters."
 
Die Vorinstanz ist im Ergebnis zum Schluss gelangt, dass der im zitierten Text als Berater bezeichnete Kläger diese Bestimmung nach Treu und Glauben als Garantieabrede im Sinne von Art. 111 OR verstehen durfte, mit welcher sich der Beklagte verpflichtet habe, ihn bei Ausbleiben von Aufträgen schadlos zu halten.
 
Im Einzelnen hat die Vorinstanz erwogen, mangels Parteibehauptungen könne nicht auf einen tatsächlichen Konsens geschlossen werden, dass sich die Parteien über einen Vertragsinhalt mit oder ohne Garantieabrede geeinigt hätten. Demnach sei die Bestimmung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Wenn der Beklagte habe "besorgt dafür" sein müssen, dass der Kläger mit durchschnittlich 50 % ausgelastet sei, habe er damit eine Verpflichtung zur Erzielung eines Ergebnisses übernommen. Gegenstand dieser Verpflichtung sei gemäss Ziff. 4.4 eine bestimmte durchschnittliche Auslastung des Klägers mit Beratungsaufträgen durch Dritte gewesen. Für den Fall, dass der Kläger die vertraglich vereinbarte Auslastung mit Aufträgen nicht erreiche, sei Ziff. 4.4 als Verpflichtung des Beklagten zu verstehen, den Kläger ersatzweise schadlos zu halten. Dieser Vertragsinhalt entspreche der Garantie im Sinn von Art. 111 OR. Insbesondere sei ein Verpflichtungswille des Beklagten zu bejahen, weil nebst dem Wortlaut von Ziff. 4.4 auch die Interessenlage des Beklagten für eine Verpflichtung zur Schadloshaltung spreche. Ein solches Interesse sei darin zu erblicken, dass der Kläger mit der Beratung von Kunden bei der Einführung der Software auch den Vertrieb der Software durch den Beklagten unterstützt habe.
 
2.2 Der Beklagte macht im wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe Art. 18 OR verletzt, indem sie den Zusammenarbeitsvertrag zwischen den Parteien nicht qualifiziert habe. Der Vertrag hätte als (atypisches) Auftragsverhältnis qualifiziert werden müssen, weil er die Basis für die dem Kläger von den gemeinsamen Kunden erteilten und jederzeit kündbaren Beratungsmandate gebildet habe. Weil der Beklagte somit gar nicht in der Lage gewesen sei, eine bestimmte Auslastung des Klägers herbeizuführen, liege auch ein Fall anfänglicher objektiver Unmöglichkeit vor. Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages sei nicht klar genug, um eine Garantie mit Schadloshaltung im Sinne von Art. 111 OR zu definieren. Weil offensichtlich gewesen sei, dass es nicht in der Macht des Beklagten liege, eine Auslastung von 50 % herbeizuführen, hätte aus Ziff. 4.4 umso deutlicher hervorgehen müssen, dass sich der Beklagte nach Art. 111 OR dazu verpflichten habe.
 
2.3 Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertagsauslegung auf Beweiswürdigung, die der bundesgerichtlichen Überprüfung im Berufungsverfahren grundsätzlich entzogen ist (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen).
 
2.3.1 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz kein Beweisverfahren zur Feststellung einer tatsächlichen Willensübereinstimmung durchgeführt, weil entsprechende Behauptungen nicht vorgetragen worden seien. Wenn aber kein tatsächlicher Konsens behauptet wurde, erweist sich von Vornherein auch der Einwand des Beklagten als unbegründet, es sei kein Beweisverfahren durchgeführt worden. Massgebend ist allein, wie Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages nach Treu und Glauben zu verstehen war.
 
2.3.2 Unbegründet ist auch die Rüge des Beklagten, die Vorinstanz habe den Zusammenarbeitsvertrag nicht abschliessend qualifiziert. Der Umstand, dass das Handelsgericht die Frage der Vertragsqualifikation offen liess, bedeutet keineswegs, dass deswegen die Auslegung der allein entscheidenen Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages falsch ist. Im Gegenteil hat das Handelsgericht die erwähnte Ziff. 4.4 zutreffend als Garantieverpflichtung qualifiziert. Insbesondere gelingt es dem Beklagten nicht, die überzeugende Auffassung des Handelsgerichts zu widerlegen, dass aufgrund seines eigenen persönlichen Interesses, dass seine Kunden vom Kläger bei der Einführung der Software unterstützt würden, bei ihm in Bezug auf Ziff. 4.4 ein Verpflichtungswille zu unterstellen sei. Vielmehr ist der Vorinstanz beizupflichten, dass der Kläger, der seine Arbeitskapazität in weit gehender Abhängigkeit von der Geschäftstätigkeit des Beklagten und in dessen Interesse diesem absprachegemäss zur Verfügung stellte, nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, dass der Beklagte ihn schadlos halte, wenn das konkret zugesicherte Arbeitsvolumen nicht verschafft werden konnte (BGE 125 III 305 E. 2b S. 309).
 
2.3.3 Unbegründet ist auch der Vorwurf des Beklagten, die Vorinstanz habe zu Unrecht angenommen, er habe eine anfängliche objektive Unmöglichkeit verneint. Der Beklagte scheint zu übersehen, dass das Handelsgericht Ziff. 4.6 seiner Duplik zutreffend wiedergegeben hat. Er selbst hat an dieser Stelle nämlich ausgeführt, wenn Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages als Garantie auszulegen sei - was wie erwähnt der Fall ist (Erw. 2.3.2) -, kein Fall von objektiver Unmöglichkeit vorliege.
 
2.3.4 Weiter kritisiert der Beklagte das angefochtene Urteil, weil sein Einwand nicht berücksichtigt worden sei, dass der Kläger seinen Anspruch wider Treu und Glauben geltend mache, da er nie nach Aufträgen gefragt habe. Diese Rüge ist aus zwei Gründen verfehlt. Einerseits hat das Handelsgericht verbindlich festgestellt, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, es seien gar keine Aufträge zu vergeben gewesen. Wenn aber feststeht, dass keine Beratungsaufträge vergeben werden konnten, ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, nach Aufträgen zu fragen. Andrerseits hat die Vorinstanz zutreffend ausgeführt, dass sich der Beklagte nicht zur Erteilung von Aufträgen, sondern ausschliesslich zur Schadloshaltung verpflichtet habe. Auch insofern bestand für den Kläger kein Anlass, beim Beklagte Aufträge zu verlangen, obwohl dieser nach dem Vertragskonzept der Parteien gar keine Aufträge zu vergeben hatte.
 
2.3.5 Nicht haltbar ist auch die Behauptung des Beklagten, das Schreiben seines Rechtsvertreters vom 13. November 2001 stelle für den Fall, dass die klägerische Auslegung von Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages richtig wäre, eine Irrtumsanfechtung dar. Die Vorinstanz hat unwidersprochen festgestellt, dass im Schreiben vom 13. November 2001 die Ablehnung der klägerischen Vertragsauslegung klar und deutlich zum Ausdruck komme. Demgegenüber könne diesem Schreiben nach Treu und Glauben weder eine ausdrückliche noch stillschweigende Vertragsanfechtung entnommen werden. Soweit der Beklagte die Einrede des Willensmangels im vorliegenden Verfahren erneut erhebt, ist auf die Berufung nicht einzutreten, da in der Berufung nicht angegeben wird, inwiefern dem Schreiben vom 13. November 2001 mehr als eine vom Kläger abweichende Vertragsauslegung zu entnehmen sein soll (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
 
2.4 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Vorinstanz Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages zutreffend als Garantie im Sinn von Art. 111 OR ausgelegt und den Einwand der objektiven Unmöglichkeit bzw. der Anfechtbarkeit der Vereinbarung wegen Willensmangel zu Recht verneint hat.
 
3.
 
3.1 Weiter beanstandet der Beklagte die Berechnung des Schadenersatzanspruches durch die Vorinstanz, indem diese zu Unrecht die ganze Zeit, für die der Kläger gemäss Zusammenarbeitsvertrag hätte ausgelastet sein sollen, als verrechenbare Zeit angesehen habe. Das Handelsgericht hat in diesem Zusammenhang Ziff. 4.4 des Zusammenarbeitsvertrages ausgehend vom Wortlaut so ausgelegt, dass nur verrechenbare Aufträge Gegenstand der Auslastungsverpflichtung bildeten. Diese Auslegung ist schlüssig, weil es wenig Sinn machen würde, wenn der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Verpflichtung eingehen würde, ihn entschädigungslos zu beschäftigen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger, der ja nur zu 50 % hätte ausgelastet werden müssen, daneben vielleicht auch zu nicht verrechenbaren Zeiten beschäftigt gewesen wäre.
 
3.2 Weiter rügt der Beklagte, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht die Beweislast für die Aufwendungen und Auslagen auferlegt, die dem Kläger durch das Ausbleiben der Aufträge erspart geblieben seien. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass ihm offensichtlich unmöglich sei, die ersparten Aufwendungen und Auslagen des Beklagten zu behaupten; es sei gerichtsnotorisch, dass die Bearbeitung von Aufträgen mit Auslagen verbunden sei. Zu dieser Begründung ist zu bemerken, dass schwer nachvollziehbar ist, weshalb dem Beklagten der Beweis von gerichtsnotorischen Tatsachen hätte unmöglich sein sollen. Im Übrigen wird vom Beklagten zu Recht nicht grundsätzlich beanstandet, dass ihm die Beweislast überbunden wurde.
 
3.3 Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Inkraftsetzung des Zusammenarbeitsvertrages von den Parteien ohne Vorbehalt bezüglich der Ausbildung des Klägers auf den 1. Mai 2001 festgelegt wurde. Das Handelsgericht hat damit den Einwand des Beklagten entkräftet, dass der Kläger infolge Ausbildungsnachholbedarfes ohnehin erst ab Oktober 2001 einsatzbereit gewesen wäre. Soweit der Beklagte in der Berufung den gleichen Einwand erneut erhebt, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Verpflichtung zur Auslastung mit durchschnittlich 50 % am 1. Mai 2001 zu laufen begann und dass dem Kläger daneben Zeit geblieben wäre, seine Ausbildung zu vervollständigen.
 
4.
 
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.
 
3.
 
Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Januar 2006
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).