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Informationen zum Dokument  BGer 5P.172/2003  Materielle Begründung
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BGer 5P.172/2003 vom 01.07.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.172/2003 /mks
 
Urteil vom 1. Juli 2003
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Dr. Peter Conrad, Schwertstrasse 1, Postfach 1760,
 
5401 Baden,
 
gegen
 
B.________,
 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher
 
Dr. Urs Oswald, Postfach 31, 5330 Zurzach,
 
Obergericht des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Gegenstand
 
Art. 9 BV (definitive Rechtsöffnung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, vom 21. März 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Zahlungsbefehl Nr. 2....... des Betreibungsamts C._______ vom 29. Mai 2002 betrieb B.________ (Beschwerdegegnerin) A.________ (Beschwerdeführer) für eine Forderung von Fr. 50'521.-- nebst Zins und Kosten. Sie stützte ihre Forderung auf das Scheidungsurteil vom 3. April 2002. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsvorschlag. Die Beschwerdegegnerin verlangte in der Folge definitive Rechtsöffnung für den genannten Betrag einschliesslich Zins und Kosten. Der Beschwerdeführer beantragte deren Abweisung. Am 14. Oktober 2002 wies der Präsident des Bezirksgerichts Zurzach das Begehren um definitive Rechtsöffnung ab. Er anerkannte zwar, dass sich die Forderung der Beschwerdegegnerin auf das Scheidungsurteil und damit auf einen definitiven Rechtsöffnungstitel stützen könne. Der Beschwerdeführer habe aber nachgewiesen, dass seine Schuld im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG durch Verrechnung getilgt sei.
 
B.
 
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdegegnerin Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau, welches diese am 21. März 2003 guthiess und die definitive Rechtsöffnung erteilte.
 
C.
 
Gegen diesen Entscheid hat A.________ am 1. Mai 2003 staatsrechtliche Beschwerde erhoben im Wesentlichen mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Das Begehren, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hat der Präsident der II. Zivilabteilung am 23. Mai 2003 abgewiesen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Beim angefochtenen Rechtsöffnungsentscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid, der nur mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann (Art. 84 ff. OG; BGE 120 Ia 256 S. 257). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde kann eingetreten werden.
 
2.
 
Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Urteil einer Behörde des Bundes oder desjenigen Kantons, in welchem die Betreibung angehoben worden ist, so wird die Rechtsöffnung gewährt, wenn der Betriebene nicht durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist oder er die Verjährung anruft (Art. 81 Abs. 1 SchKG).
 
2.1 Die Beschwerdegegnerin hat im Rechtsöffnungsverfahren das rechtskräftige Scheidungsurteil vom 3. April 2002 vorgelegt, in welchem der Beschwerdeführer zu Leistungen verurteilt worden ist. Aus diesem Urteil steht ihr unbestrittenermassen ein Restguthaben von Fr. 50'521.-- zu. Die in Betreibung gesetzte Forderung beruht daher auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG.
 
Unbestritten ist auch, dass der Beschwerdeführer Zahlungsbelege vorgelegt hat, wonach er der Beschwerdegegnerin zwischen Mai 1994 bis August 1996 aufgrund gerichtlicher Entscheide, denen die aufschiebende Wirkung entzogen war, Unterhaltsbeiträge von insgesamt Fr. 50'521.-- geleistet hat. Unbestritten ist schliesslich, dass das Obergericht mit rechtskräftigem Urteil vom 23. August 1996 die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers vollständig aufgehoben hat und daher der Rechtsgrund für die Bezahlung der Unterhaltsbeiträge nachträglich weggefallen ist. Umstritten ist dagegen, ob der Beschwerdeführer mit den Zahlungsbelegen und dem Urteil vom 23. August 1996 den Urkundenbeweis gemäss Art. 81 Abs. 1 SchKG für die Tilgung der in Betreibung gesetzten Forderung durch Verrechnung erbracht hat.
 
2.2 Nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift darf der Richter im Rechtsöffnungsverfahren die Einrede der Tilgung nur anerkennen, wenn dafür der Urkundenbeweis erbracht ist. Sofern die Tilgung auf die Verrechnung mit einer Gegenforderung gestützt wird, ist es nicht willkürlich, in Übereinstimmung mit der Lehre und der Rechtsprechung zu verlangen, dass die Gegenforderung des Schuldners ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil, eine vollstreckbare Verwaltungsverfügung oder eine vorbehaltlose Schuldanerkennung ausgewiesen ist, die mindestens zur provisorischen Rechtsöffnung berechtigen würde (BGE 115 III 97 E. 4 S. 100 mit Hinweisen; Staehelin, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG I, Basel 1998, N. 10 zu Art. 81). Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung eng beschränkt sind; um jede Verschleppung der Vollstreckung zu verhindern, kann der definitive Rechtsöffnungstitel daher nur durch einen strikten Gegenbeweis, d.h. mit völlig eindeutigen Urkunden, entkräftet werden. Dies gilt gerade auch für familienrechtliche Unterhaltsforderungen, die im materiellen Recht und im Vollstreckungsrecht in verschiedener Hinsicht privilegiert sind (BGE 104 Ia 14 E. 2 S. 16; 115 III 97 E. 4 S. 100).
 
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, der Beklagte lege weder ein gerichtliches Urteil noch eine vorbehaltlose Schuldanerkennung vor, die seine Gegenforderung ausweise. Der Beschwerdeführer rügt diese Schlussfolgerung als willkürlich.
 
2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Rechtsöffnungstitel könne auch aus mehreren Urkunden bestehen. Er stütze sich einerseits auf das rechtskräftige Urteil vom 23. August 1996, mit dem festgestellt werde, dass er keinen Unterhalt zu bezahlen habe und andererseits auf die Zahlungsbelege, mit denen die von ihm geleisteten Zahlungen in der Höhe von Fr. 50'521.-- ausgewiesen werden. Die beiden Urkunden zusammen belegten die Forderung des Beschwerdeführers.
 
Es trifft grundsätzlich zu, dass sich der Rechtsöffnungstitel auch aus mehreren Urkunden ergeben kann, sofern insgesamt die Voraussetzungen für eine Schuldanerkennung erfüllt sind (BGE 122 III 125 E. 2a S. 126). Es mag weiter zutreffen, dass mit den vom Beschwerdeführer eingereichten Urkunden die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung ausgewiesen ist. Es fehlt indessen die vorbehaltlose Schuldanerkennung seitens der Beschwerdegegnerin, welche erst zur provisorischen Rechtsöffnung berechtigen würde.
 
2.4 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Unterschrift der Schuldnerin (Schuldanerkennung) werde durch das Urteil vom 23. August 1996 ersetzt.
 
Die gegenteilige Annahme des Obergerichts ist indessen nicht willkürlich. Tatsächlich wird in diesem Urteil nicht die Gegenforderung des Beschwerdeführers bestätigt, was einzig die Schuldanerkennung ersetzen könnte, sondern es wird ausschliesslich die Klage der Beschwerdegegnerin auf Unterhaltszahlungen abgewiesen, ohne gleichzeitig über eine Gegenforderung des Beschwerdeführers zu entscheiden. Die Schlussfolgerung ist deshalb vor Art. 9 BV haltbar, das Urteil aus dem Jahre 1996 könne die persönliche Anerkennung der Gegenforderung durch die Beschwerdegegnerin nicht ersetzen.
 
2.5 Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu werden, ob die Einwände der Beschwerdegegnerin gegen den Rückforderungsanspruch des Beschwerdeführers berechtigt sind. Insbesondere ist nicht zu prüfen, ob der Rückforderungsanspruch verjährt ist, oder ob die Beschwerdegegnerin die Unterhaltsbeiträge gutgläubig verbraucht hat. Ebenfalls ist - wegen dem im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren geltenden Rügeprinzip - die Tatsache nicht zu berücksichtigen, dass es vorweg an der Voraussetzung des Art. 81 Abs. 1 SchKG fehlt, wonach die Schuld "seit Erlass des Urteils" getilgt worden sein muss. Die Beschwerde muss abgewiesen werden.
 
3.
 
Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteikosten sind keine zu sprechen, weil in der Sache keine Vernehmlassung eingeholt worden ist und die Beschwerdegegnerin sich nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung zu äussern hatte.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 4. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. Juli 2003
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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