VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8G.37/2003  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8G.37/2003 vom 22.05.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8G.37/2003 /pai
 
8G.41/2003
 
Urteil vom 22. Mai 2003
 
Anklagekammer
 
Besetzung
 
Bundesrichter Karlen, Präsident,
 
Bundesrichter Fonjallaz, Marazzi,
 
Gerichtsschreiber Monn.
 
Parteien
 
X.________ GmbH,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Claude Lengyel, Edisonstrasse 24, Postfach 6064, 8050 Zürich,
 
gegen
 
Eidgenössische Spielbankenkommission, 3003 Bern.
 
Gegenstand
 
Beschlagnahme,
 
AK-Beschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Spielbankenkommission vom 27. Februar 2003.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 31. Januar 2003 teilte die Wirtschaftspolizei der Stadt Winterthur der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) mit, es bestehe der Verdacht, dass im Spielsalon D.________ gegen das Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken vom 18. Dezember 1998 (SBG, SR 935.52) verstossen werde, indem an Spielautomaten Roulino Plus und Pentium Punktegewinne an die Spieler ausbezahlt würden.
 
Die ESBK eröffnete gegen A.________ von der X.________ GmbH in Zürich eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen das SBG.
 
B.
 
Am 27. Februar 2003 wurde A.________ befragt. Am selben Tag fand im Spielsalon D.________ eine Durchsuchung statt. Vorgefunden wurden nur acht Spielautomaten Pentium. Diese wurden zusammen mit weiteren Gegenständen beschlagnahmt.
 
Die X.________ GmbH wendet sich mit Beschwerde vom 3. März 2003 an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, die Beschlagnahmungen gemäss Verfügung vom 27. Februar 2003 seien aufzuheben und die betreffenden Gegenstände seien der Beschwerdeführerin herauszugeben. Es sei das Strafverfahren sofort einzustellen (8G.37/2003 act. 1).
 
Die ESBK beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 10. März 2003, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (8G.37/2003 act. 4).
 
Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien mit Eingaben vom 7. und 23. April 2003 an ihren Anträgen fest (8G.37/2003 act. 9 und 12).
 
C.
 
Im gleichen Verfahren beschlagnahmte die ESBK mit Verfügung vom 4. März 2003 beim Treuhandbüro B.________ sämtliche Buchhaltungsunterlagen der X.________ GmbH bezüglich des Spielsalons D.________ für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 28. Februar 2003, die Belege für die Einnahmen aus den Spielautomaten, die Belege bezüglich bar ausgezahlter Punktegewinne und die Bilanz und Erfolgsrechnung mit den entsprechenden Kontoblättern für die angegebene Zeitperiode. Das Treuhandbüro wurde unter Hinweis auf Art. 17 VStrR angewiesen, der Verfügung Folge zu leisten.
 
Die X.________ GmbH wendet sich mit Beschwerde vom 10. März 2003 an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, die Beschlagnahmungen gemäss der Verfügung vom 4. März 2003 seien aufzuheben und die betreffenden Gegenstände seien der Beschwerdeführerin freizugeben. Es sei das gegen sie und gegen ihren Geschäftsführer A.________ eingeleitete Strafverfahren einzustellen. Weiter stellt sie den prozessualen Antrag, es seien alle Unterlagen für die Dauer des Beschwerdeverfahrens zu versiegeln (8G.41/2003 act. 1).
 
Die ESBK beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 17. März 2003, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Eventualiter sei sie abzuweisen, und die beschlagnahmten Buchhaltungsunterlagen seien aus der Versiegelung zu entlassen (8G.41/2003 act. 4).
 
Im zweiten Schriftenwechsel hält die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 17. April 2003 an ihren Anträgen fest (8G.41/2003 act. 9). Die ESBK beantragt die Abweisung der Beschwerde (8G.41/2003 act. 12).
 
Die Kammer zieht in Erwägung:
 
1.
 
Die bundesgerichtlichen Verfahren 8G.37/2003 und 8G.41/2003 betreffen dieselbe Angelegenheit. Sie werden deshalb gemeinsam behandelt.
 
2.
 
Die ESBK wirft die Frage auf, ob Rechtsanwalt Claude Lengyel zur Vertretung der Beschwerdeführerin befugt sei (8G.37/2003 act. 12 S. 15 - 17). Die Frage ist zu bejahen, weil Rechtsanwalt Lengyel, wie die ESBK im zweiten Schriftenwechsel des zweiten Verfahrens selber feststellt, nun eine Vollmacht nachgereicht hat (8G.41/2003 act. 12 S. 2/3). Gemäss dieser Vollmacht vom 30. April 2003 wird Rechtsanwalt Lengyel in Sachen "A.________/A.________ AG/X.________ GmbH versus ESBK etc. betreffend Strafverfahren Pentium (A.________ AG/X.________/Diverse Beschwerden etc." als Rechtsvertreter eingesetzt (8G.41/2003 act. 13 Beilage 4). Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Vollmacht die Befugnis für die Beschwerden vom 3. und 10. März 2003 umfasst.
 
3.
 
Soweit die Beschwerdeführerin beantragt, das Strafverfahren sei einzustellen, ist darauf nicht einzutreten. Im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Beschlagnahmen. Ob sich die Beschwerdeführerin oder ihr Geschäftsführer strafbar gemacht haben, ist heute nicht zu prüfen.
 
4.
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Spielautomat Pentium sei mit Verfügung vom 18. Juli 1995 zugelassen worden (8G.37/2003 act. 1 S. 4).
 
Dies trifft grundsätzlich zu. Die ESBK macht jedoch geltend, die beschlagnahmten Geräte wiesen gegenüber dem zugelassenen Gerät wesentliche Veränderungen auf. Zum einen hätten sie eine geänderte Tastenbeschriftung, die auf ein Risikospiel hindeute. Zudem habe A.________ zugegeben, dass er an den Geräten weitere Änderungen vorgenommen habe, indem er die Taste "Stake" und einen Banknotenleser angebracht und später wieder entfernt habe. Diese Änderungen hätten die ESBK veranlasst, die Geräte zu beschlagnahmen, um eine vertiefte technische Prüfung durchführen und feststellen zu können, ob die Geräte noch weitere, nicht der Homologation entsprechende Abweichungen aufwiesen, die typischerweise zu einem als Geldspielgerät zu qualifizierenden unechten Punktespielautomaten gehören (8G.37/2003 act. 4 S. 7/8).
 
Die Beschwerdeführerin bringt im zweiten Schriftenwechsel vor, bei den beschlagnahmten Geräten handle es sich um homologisierte Automaten (8G.37/2003 act. 9 S. 9). Dies trifft offensichtlich nicht zu. Zum einen hat A.________ selber zugegeben, dass er bei den beschlagnahmten Geräten Banknotenleser angebracht hatte, die beim homologisierten Gerät fehlen. Zum zweiten sind die Tasten 1 bis 5 anders beschriftet (Skip/Collect, Hand 2/Red, Hand 4/Black, Hand 5/Gamble, Start/Card; vgl. die Photos 8G.37/2003 Beilagen 10 und 11 zu act. 4). Und zum dritten hat A.________ zugegeben, dass eine weitere Taste (Stake) bei der zugelassenen Version überhaupt nicht vorhanden ist und nur bei den beschlagnahmten Geräten von ihm angebracht worden war.
 
Die Beschwerdeführerin anerkennt denn auch, dass "die Tastenbeschriftungen etc. nun etwas anders lauten" (8G.27/2003 act. 9 S. 10). Insgesamt geht es folglich um drei Änderungen, die gegenüber dem homologisierten Spielautomaten vorgenommen worden sind.
 
Wie es sich mit dem Banknotenleser verhält, kann offen gelassen werden (vgl. 8G.37/2003 act. 1 S. 36/37). Es ist jedoch nicht verständlich, dass die Beschwerdeführerin in den ungewöhnlich ausführlichen Rechtsschriften mit keinem Wort darlegt, aus welchem Grund die Beschriftungen der Tasten geändert worden sind. Entgegen der Zugabe ihres Geschäftsführers macht sie nur geltend, die Taste "Stake" habe bereits zum Zeitpunkt der Homologationsverfügung vom 18. Juli 1995 existiert (8G.37/2003 act. 1 S. 22/23). Sie verweist dazu auf ihre Beilagen 13 und 15, zwei Dokumentationen zum Spielautomaten Pentium. Der Beilage 13 in holländischer Sprache aus dem Jahr 1993 ist allerdings zu entnehmen, dass die Tasten damals genau so wie beim homologisierten Automaten beschriftet waren (Beilage 13 S. 11). Erst Beilage 15, die allerdings vom 23. Juli 1997 datiert und somit aus einer Zeit nach der Homologationsverfügung stammt, weist die Beschriftung gemäss dem abgeänderten Gerät auf (Beilage 15 S. 1 unten und S. 10). Auch von der Taste "Stake" ist in Beilage 13 im Gegensatz zu Beilage 15 noch nicht die Rede (Beilage 13 S. 12 und Beilage 15 S. 11). Folglich kann die Beschwerdeführerin aus diesen Unterlagen nichts für ihren Standpunkt herleiten. Nachdem sie keine ausreichenden Erklärungen für die von ihr selber anerkannten Änderungen beibringt, steht fest, dass nur die von der ESBK vorgesehene vertiefte technische Prüfung Klarheit in die Angelegenheit bringen kann. Dass der Geschäftsführer zwei Änderungen in der Zwischenzeit rückgängig gemacht hat (8G.37/2003 act. 1 S. 27), ist unerheblich.
 
5.
 
In Bezug auf die beschlagnahmten Buchhaltungsunterlagen macht die Beschwerdeführerin nur geltend, es lägen keine Hinweise dafür vor, dass Punktegewinne ausbezahlt worden seien, weshalb eine unzulässige "fishing expedition" der ESBK vorliege (8G.41/2003 act. 9 S. 65). Davon kann nicht die Rede sein. Selbst die Beschwerdeführerin anerkennt, dass eine befragte Person ausgesagt hat, sie habe Punktegewinne ausbezahlt (8G.41/2003 act. 9 S. 7). Ob diese Person "verwirrt" war, wie die Beschwerdeführerin behauptet, und ob sie korrekt einvernommen worden ist, ist für das vorliegende Verfahren unwesentlich. Jedenfalls besteht ein hinreichender Anfangsverdacht, der nun im eigentlichen Strafverfahren abzuklären sein wird.
 
6.
 
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Unterlagen seien für die Dauer des Beschwerdeverfahrens zu versiegeln. Dieses Verfahren ist mit dem vorliegenden Entscheid erledigt. Folglich ist der Antrag gegenstandslos geworden. Es ist nicht notwendig, die Unterlagen "aus der Versiegelung zu entlassen". Auch dieser Antrag der ESBK ist gegenstandslos. Sie kann die beschlagnahmten Unterlagen, die durch die Beschwerdeführerin offenbar versiegelt worden sind (8G.41/2003 act. 1 S. 62), ohne weiteres einsehen und bei ihrer Untersuchung verwenden.
 
7.
 
Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 25 Abs. 4 VStrR, Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt die Kammer:
 
1.
 
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und der Eidgenössischen Spielbankenkommission schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Mai 2003
 
Im Namen der Anklagekammer
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).