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Informationen zum Dokument  BGer 4C.20/2003  Materielle Begründung
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BGer 4C.20/2003 vom 21.03.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
4C.20/2003 /rnd
 
Urteil vom 21. März 2003
 
I. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Corboz, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
 
Gerichtsschreiberin Schoder.
 
Parteien
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
Beklagte und Berufungskläger, alle drei vertreten durch Fürsprecher Peter Wüthrich, Schlösslistrasse 9A, Postfach 8915, 3001 Bern,
 
gegen
 
X.________ AG
 
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Michel Stavro, Spitalgasse 9, Postfach 6164, 3001 Bern.
 
Gegenstand
 
Werkvertrag,
 
Berufung gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, I. Zivilkammer, vom 19. November 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Datum vom 27./30. April 1998 schloss die X.________ AG (Klägerin) als Unternehmerin mit den Bauherren A.________ (Beklagter 1), B.________ (Beklagter 2) und C.________ (Beklagter 3) einen Werkvertrag auf der Basis ihrer Offerte vom 1. April 1998. Die Parteien vereinbarten, dass bestimmte Arbeiten auf jeden Fall (Hauptpositionen), andere nur eventuell (Eventualpositionen) ausgeführt werden sollten. Der Auftrag sollte in Regie ausgeführt werden, wobei die in der Offerte vom 1. April 1998 aufgeführten Nettopreise das Kostendach bildeten. Die Vertragsparteien vereinbarten zudem die Geltung der SIA-Norm 118. Dabei bestimmt auch Art. 48 der SIA-Norm 118, dass Regiearbeiten nach Aufwand vergütet werden. Der Beklagte 1, der als bauleitender Architekt wirkte, gab ausserdem Arbeiten in Auftrag, die im Werkvertrag nicht aufgeführt waren. Diese Zusatzaufträge unterstanden keinem Kostendach.
 
B.
 
Die Klägerin liess auf den Stockwerkanteilen der Beklagten Bauhandwerkerpfandrechte provisorisch eintragen. Ihrem Gesuch um definitive Eintragung gab der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises II Biel-Nidau am 22. April 2002 statt. Er wies das Kreisgrundbuchamt II Biel-Nidau an, zu Gunsten der Klägerin die vorläufig eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte auf Nidau-Grundbuchblatt Nr. 1 für Fr. 6'903.05, auf Nidau-Grundbuchblatt Nr. 2 für Fr. 39'692.55 und auf Nidau-Grundbuchblatt Nr. 3 für Fr. 39'692.55, je nebst Zins zu 5% seit 6. Januar 1999 definitiv einzutragen. Gleich entschied der Appellationshof des Kantons Bern am 19. November 2002. Er gelangte zur Auffassung, dass der Klägerin eine Forderung im Betrage von Fr. 89'945.70 zustehe, so dass die für Fr. 86'288.15 verlangte Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zu gewähren sei.
 
C.
 
Die Beklagten beantragen dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventuell sei die Streitsache zur Ergänzung der Beweismassnahmen und zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Die Vorinstanz erwog, dass der Unternehmer seinen Aufwand beweisen müsse. Er könne diesen Beweis durch vom Besteller unterzeichnete Regierapporte erbringen. Es spreche eine natürliche Vermutung dafür, dass Angaben in unterzeichneten Regierapporten über den Aufwand des Unternehmers richtig sind. Da es sich um eine natürliche Vermutung handle, könne sie durch Gegenbeweis entkräftet werden. Die Beklagten hätten den Gegenbeweis dafür, dass der in den Regierapporten ausgewiesene Aufwand nicht den Tatsachen entsprochen hätte, aber nicht erbracht. Da der tatsächliche Aufwand der Klägerin ausgewiesen sei und die Parteien die Ausführung der Arbeiten in Regie vereinbart hätten, richte sich die Höhe der an die Klägerin zu leistenden Vergütung nach Art. 374 OR. Gemäss dieser Bestimmung bestimmt sich die Vergütungshöhe nach dem Wert der Arbeit und den Aufwendungen des Unternehmers, wenn der Werkpreis zum voraus weder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden ist.
 
1.2 Die Beklagten rügen, die Vergütungshöhe für ursprünglich vereinbarte Vertragsleistungen (Haupt- und Eventualpositionen) bestimme sich nicht nach Art. 374 OR, sondern nach Art. 373 Abs. 1 OR, wonach bei zum Voraus vereinbarter Vergütung der Unternehmer verpflichtet ist, das Werk um diese Summe fertigzustellen. Mit dem Begriff "Kostendach" hätten die Parteien vereinbart, dass im Vertrag umschriebene Teilleistungen nicht mehr kosten dürften, als es vertraglich fest- gelegt sei. Insoweit habe die Vorinstanz die Vertragsklausel betreffend das Kostendach falsch ausgelegt. Ob die Klägerin für die Erbringung einzelner Leistungen mehr Arbeit oder höhere Auslagen gehabt habe als vorgesehen, sei unter dem Gesichtswinkel von Art. 373 Abs. 1 OR unerheblich.
 
1.3 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz, die für das Bundes- gericht verbindlich sind (Art. 63 Abs. 2 OG), vereinbarten die Parteien ein gemischtes Preissystem. Zwar sollte über die Haupt- und Eventualpositionen in Regie, also nach Aufwand, abgerechnet werden, jedoch sollte als Preislimite ein Kostendach gelten. Ist aber nur der Höchstpreis, nicht auch der Mindestpreis festgelegt und soll das Werk in Regie ausgeführt werden, liegt nicht eine feste Übernahme im Sinne von Art. 373 Abs. 1 OR vor. Das vereinbarte Kostendach ist im Sinne eines reinen Höchstpreises zu verstehen. Als solches dient es zur Limitierung der Vergütungspflicht in Fällen, in denen über die einzelnen Leistungen nach Aufwand abgerechnet wird (Gauch, Der Werkvertrag, 4. Auflage, N 1036, 1040; ferner Bühler, Zürcher Kommentar, N 5 der Vorbemerkungen zu Art. 373-374 OR; Zindel/ Pulver, Basler Kommentar, 2. Auflage, N 11 zu Art. 373 OR). Das bedeutet umgekehrt, dass der Besteller entgegen Art. 373 Abs. 3 OR davon profitiert, soweit die Fertigstellung des Werks weniger Arbeit als vorgesehen erfordert. Indem die Vorinstanz das Kostendach in dem Sinne versteht, dass die Klägerin über die einzelnen Teilleistungen nach Aufwand abrechnen durfte, hat sie Art. 374 OR bundesrechtskonform angewandt.
 
2.
 
2.1 Nach dem angefochtenen Urteil kann den Regierapporten nicht entnommen werden, ob sich die darin aufgeführten Arbeiten auf Hauptpositionen oder auf Eventualpositionen gemäss Werkvertrag oder aber auf Zusatzaufträge beziehen. Somit kann anhand der Rapporte nicht eruiert werden, welche Arbeiten unter das Kostendach fallen. Die Vorinstanz betrachtet es als erwiesen, dass die Parteien übereinkamen, in den Regierapporten nicht danach zu unterscheiden, ob es sich bei den geleisteten Arbeiten um solche unter Kostendach oder um Zusatzarbeiten handelt. Dass eine nachträgliche Zuordnung nicht mehr möglich sei, habe der Beklagte 1 als Architekt und Mann vom Fach wissen müssen. Er sei fast täglich auf der Baustelle gewesen und habe es in der Hand gehabt, detaillierte Rapporte zu verlangen. Er habe aber erst gegen den Schluss der Arbeiten verlangt, dass in den Regierapporten die Arbeiten nach solchen unter Kostendach und solchen gemäss Zusatzbestellungen aufgeschlüsselt würden. Überdies habe er die Einhaltung der Kosten auch anhand der abgelieferten Rapporte kontrollieren können. Die Vorinstanz hält dafür, dass der Beklagte 1 als Architekt die Pflicht gehabt habe, die Kosten laufend zu überprüfen. Es schade der Klägerin nicht, dass nicht mehr ermittelt werden könne, welche ihrer Leistungen unter das Kostendach fallen. Die Klägerin habe anhand der Regierapporte den Nachweis für die in Rechnung gestellte Arbeit erbracht.
 
2.2 Die Beklagten machen einen Verstoss gegen Art. 8 ZGB geltend. Die Klägerin, welche mit der Forderung von Fr. 86'288.15 mehr als 60% des ursprünglichen Werklohns verlange, habe diese Forderung nie so konkret umschrieben, dass darüber hätte Beweis geführt werden können. Dadurch habe sie ihre Substanziierungspflicht verletzt. Sodann habe die Vorinstanz in Verletzung von Art. 8 ZGB zu Lasten der Beklagten entschieden, weil nicht mehr eruiert werden könne, welche Arbeiten unter das Kostendach fallen. Die Klägerin hätte die Einhaltung des Kostendachs beweisen müssen, weshalb die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin unbegründet sei.
 
Die Beklagten machen sodann geltend, die Vorinstanz habe Art. 398 Abs. 2 OR falsch angewendet. Der Beklagte 1 sei nicht gehalten gewesen, die Einhaltung der Kosten zu überwachen. Eine derartige Pflicht lasse sich aus dem Werkvertragsrecht nicht ableiten. Die dem Auftragsrecht entstammende Pflicht des Architekten zur Kostenüber- wachung sei nicht anwendbar, weil zwischen den Parteien kein Auftragsverhältnis vorliege.
 
Weiter bringen die Beklagten vor, die Vorinstanz habe in Verletzung von Art. 2 ZGB verkannt, dass es die Klägerin gewesen sei, welche mit ihrer Offerte den Leistungsumfang im später abgeschlossenen Werkvertrag funktional umschrieben habe. Wenn zweifelhaft sei, ob es sich bei einer Leistung um Haupt- oder Eventualpositionen gemäss Werkvertrag oder um Zusatzarbeiten handle, müsse die Unklarheitenregel spielen und der Vertrag gegen den Verfasser ausgelegt werden. Im Zweifel habe die von der Klägerin geleistete Arbeit daher als unter das Kostendach fallende Haupt- oder Eventualposition und nicht als nicht unter das Kostendach fallende Zusatzarbeit zu gelten.
 
2.3 Den Beklagten ist zuzustimmen, dass der Besteller eines Werks gegenüber dem Unternehmer nicht zur Aufsicht über die Einhaltung der Kosten verpflichtet ist. Der Besteller, der den Unternehmer überwacht oder überwachen lässt, handelt in seinem eigenen Interesse, nicht um die Interessen des Unternehmers zu wahren (Gauch, a.a.O., N 1346, mit Hinweisen). Das gilt erst recht, wenn ein Kostendach vereinbart wurde und sich der Besteller darauf verlassen kann, ohnehin nicht mehr als den Höchstbetrag aufwenden zu müssen.
 
Vorliegend fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass die Parteien die Problematik der Rapportgestaltung besprochen und seitens der Beklagten der Verzicht auf die Unterscheidung nach Arbeitskategorien durch den Beklagten 1 als fachkundigen Architekten ausdrücklich genehmigt wurde. Die Klägerin durfte daher in guten Treuen annehmen, die fachkundig vertretenen Beklagten seien sich der dadurch entstehenden Beweisschwierigkeiten der Klägerin mit Bezug auf die Einhaltung des Kostendachs bewusst gewesen und würden als redliche Geschäftspartner aus einer sich daraus ergebenden Beweislosigkeit im Nachhinein keine Rechte ableiten. Unter diesen Umständen ist das Einverständnis des Beklagten 1, von der Erstellung von zweierlei Regierapporten abzusehen, als Verzicht auf den von der Klägerin zu erbringenden Nachweis der Einhaltung des Kostendachs als Voraussetzung für die Zahlung der Zusatzarbeiten zu deuten und normativ als Abrede über die Verteilung der Beweislast auszulegen. Derartige Abreden über die Verteilung der Beweislast sind nach Rechtsprechung und überwiegender Lehre zulässig (BGE 85 II 489 E. 6b S. 504; ferner Urteil des Bundesgerichts 4C.29/1989 vom 26. März 1991, E. 2a, mit Hinweisen; Schmid, Basler Kommentar, 2. Aufl., N 91 zu Art. 8 ZGB, mit Hinweisen; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., S. 265; a.A. Kummer, Berner Kommentar, N 373ff. zu Art. 8 ZGB; zur Auslegung von Willenserklärungen allgemein BGE 128 III 265 E. 3a S. 267; 127 III 444 E. 1b S. 445). Daran sind die Beklagten gebunden. Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil daher nicht zu beanstanden.
 
2.4 Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Klägerin aus dem Verzicht auf die Differenzierung der Arbeiten in den Regierapporten geschlossen hätte, der Architekt werde sie abmahnen, wenn das Kostendach erreicht sei, wie die Beklagten in der Berufung anführen. So oder anders durfte die Klägerin davon ausgehen, sie sei vom Nachweis der Einhaltung des Kostendaches entbunden. Die Vorinstanz hat daher Art. 8 ZGB nicht verletzt, als sie die Forderung für die Regiearbeiten gesamthaft aufgrund der Rapporte beurteilte. Auch ein Verstoss gegen Art. 2 ZGB ist nicht ersichtlich.
 
3.
 
Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Berufung als unbegründet und ist abzuweisen. Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beklagten als unterliegende Partei kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1, Art. 159 Abs. 1 und Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4500.-- wird den Beklagten unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.
 
Die Beklagten haben die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 5'500.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. März 2003
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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