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Informationen zum Dokument  BGer 5P.478/2002  Materielle Begründung
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BGer 5P.478/2002 vom 24.02.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.478/2002 /min
 
Urteil vom 24. Februar 2003
 
II. Zivilabteilung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
 
Gerichtsschreiber Möckli.
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Jakob Trümpy, Albrechtsplatz 4, 4310 Rheinfelden,
 
gegen
 
B.________,
 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Catherine Berger-Meier, Kaiserstrasse 1, 4310 Rheinfelden,
 
Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.
 
Art. 29 BV (Eheschutz; Sistierung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, vom 21. Oktober 2002.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Parteien sind die Eltern des am 30. Dezember 1997 geborenen C.________.
 
B.
 
Gestützt auf ein entsprechendes Eheschutzgesuch der Mutter stellte das Gerichtspräsidium Rheinfelden das Kind mit superprovisorischer Verfügung vom 19. April 2001 unter deren Obhut. Nachdem das Gutachten des jugendpsychologischen Dienstes Rheinfelden vom 24. Februar 2002 die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater empfohlen und beide Parteien hierzu Stellung genommen hatten, zog die Mutter das Eheschutzgesuch mit Schreiben vom 19. April 2002 zurück mit der Begründung, sie sei in ihre Heimat zurückgekehrt und habe dort die Scheidung eingereicht.
 
Auf entsprechende Eingabe des Vaters vom 8. Mai 2002 hin stellte das Gerichtspräsidium Rheinfelden das Kind gleichentags mit superprovisorischer Verfügung unter dessen Obhut. Mit Eingabe vom 21. Mai 2002 verlangte die Mutter die Aufhebung dieser Verfügung und Nichteintreten auf die übrigen Begehren, da in ihrer Heimat die Scheidungsklage hängig und der schweizerische Eheschutzrichter nicht mehr zuständig sei. Nachdem der Vater auf die von ihm eingeleitete Kindesrückführung hingewiesen hatte, wurde das Verfahren mit Verfügung vom 19. August 2002 bis zum Entscheid über die Rückführung des Kindes in die Schweiz sistiert.
 
C.
 
Gegen diese Sistierungsverfügung erhob die Mutter am 2. September 2002 Beschwerde und verlangte hierfür die unentgeltliche Prozessführung. Mit Entscheid vom 21. Oktober 2002 befand das Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, die Beschwerde sei insofern begründet, als sich das Bezirksgericht bei der angefochtenen Verfügung nicht nur auf das neue, vom Vater eingeleitete, sondern auch auf das erste, von der Mutter zurückgezogene Eheschutzverfahren bezogen habe. Es ersetzte deshalb Ziff. 1 der angefochtenen Sistierungsverfügung durch eine eigene Formulierung mit dem Wortlaut: "Das mit Klage vom 8. Mai 2002 angehobene Eheschutzverfahren wird bis zum Entscheid über die Rückführung des Kindes C.________, geboren am 30. Dezember 1997, in die Schweiz sistiert". Im Übrigen wies das Obergericht die Beschwerde, soweit es darauf eintrat, ab mit der Begründung, mit der Sistierungsverfügung sei noch gar nicht über die Obhut entschieden worden und insofern fehle es der Beschwerde an einem Anfechtungsobjekt. Schliesslich wies es auch das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ab, da die Gewinnaussichten einer Beschwerde, deren Streitgegenstand nicht Inhalt der angefochtenen Verfügung gewesen sei, nicht als ernsthaft bezeichnet werden könne.
 
D.
 
Gegen diesen Entscheid führt die Mutter sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde. Mit Letzterer verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die unentgeltliche Rechtspflege. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die Berufung auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, anders zu verfahren.
 
2.
 
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 127 I 92 E. 1 S. 93). Grundsätzlich steht sie nur gegen letztinstanzliche Endentscheide offen. Ausnahmsweise kann sie auch gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide ergriffen werden, wenn es sich um Zuständigkeits- und Ausstandsbegehren handelt (Art. 87 Abs. 1 OG) oder wenn sie für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben (Art. 87 Abs. 2 OG). Endentscheid ist jeder Entscheid, der ein Verfahren vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz abschliesst, sei es durch einen Entscheid in der Sache selber, sei es aus prozessualen Gründen. Als Zwischenentscheide gelten dagegen jene Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen (BGE 117 Ia 251 E. 1a S. 253).
 
3.
 
Bei der Sistierung handelt es sich um eine prozessleitende Verfügung, die unter dem Aspekt der Rechtsverzögerung angefochten werden könnte (vgl. BGE 119 II 386 E. 1b S. 389). Eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV oder Art. 6 Abs. 1 EMRK wird jedoch vorliegend nicht geltend gemacht (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) und sie könnte es auch nicht, nachdem vor Obergericht keine entsprechenden Rügen erhoben worden sind (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205, 118 Ia 20 E. 5a S. 26).
 
4.
 
Mit der auf kantonalem Recht gründenden Sistierung ist weder direkt noch indirekt über die Zuständigkeit entschieden worden (vgl. BGE 85 II 49 E. 2 S. 53). Die Rüge, das Obergericht sei auf die Obhutsfrage gar nicht eingegangen und habe deshalb ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, scheitert im Übrigen bereits daran, dass entgegen den sinngemässen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht über die Obhut, sondern allein über die Sistierung des Verfahrens befunden worden ist. Dass ihr hierfür das rechtliche Gehör hätte gewährt werden müssen, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend.
 
5.
 
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war sie von Anfang an aussichtslos. Damit mangelt es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 152 Abs. 1 OG), was zur Abweisung des entsprechenden Gesuchs führt. Ebenso musste für den Hauptpunkt bereits das oberinstanzliche Verfahren als aussichtslos bezeichnet werden, weshalb die sinngemässe Rüge, das Obergericht habe mit der Abweisung des entsprechenden Gesuches Art. 29 Abs. 3 BV verletzt, unbegründet ist.
 
6.
 
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. Februar 2003
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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