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Informationen zum Dokument  BGer 2P.228/2002  Materielle Begründung
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BGer 2P.228/2002 vom 04.02.2003
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2P.228/2002 /leb
 
Urteil vom 4. Februar 2003
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Bundesrichter Merkli,
 
Gerichtsschreiberin Diarra.
 
A.________,
 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
 
Manfred Stucky, Bât. "La Channe", Rue du Marché 1,
 
Postfach 908, 3960 Siders,
 
gegen
 
Departement für Erziehung, Kultur und Sport, 1950 Sitten,
 
Staatsrat des Kantons Wallis, Staatskanzlei, 1950 Sitten,
 
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung,
 
Justizgebäude, 1950 Sitten.
 
Art. 8 BV (Lohnanpassung),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung,
 
vom 30. August 2002
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Entscheid vom 27. Oktober 1976 ermächtigte der Staatsrat des Kantons Wallis A.________, trotz fehlendem Diplom an den Orientierungsschulen auf Stufe Sekundarschule zu unterrichten, ohne dass er Anspruch auf den Lohn eines diplomierten Sekundarlehrers habe. Mit Eingabe vom 28. Februar 2000 stellte A.________ beim kantonalen Departement für Erziehung, Kultur und Sport das Gesuch, sein Gehalt sei demjenigen eines Realschullehrers anzupassen. Mit Verfügung vom 1. Februar 2001 wies das Departement dieses Gesuch ab. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat der Staatsrat des Kantons Wallis mit Entscheid vom 6. Februar 2002 nicht ein, dies mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe bereits vor der angefochtenen erstinstanzlichen Verfügung seinen altersbedingten Rücktritt eingereicht und auf Ende des Schuljahres 1999/2000 den Dienst als Orientierungsschullehrer quittiert, weshalb er kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Beantwortung der Frage habe, ob ein Anspruch auf die Einreihung in eine höhere Gehaltskategorie bestehe. Der Entscheid enthielt den Hinweis, dass er innert 30 Tagen bei der öffentlichrechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts angefochten werden könne.
 
B.
 
Dementsprechend erhob A.________ mit Eingabe vom 20. März 2002 beim Kantonsgericht des Kantons Wallis Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Nichteintretensentscheid vom 6. Februar 2002 aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an den Staatsrat zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 30. August 2002 trat das Kantonsgericht auf die Beschwerde nicht ein.
 
C.
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. Oktober 2002 an das Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des Kantonsgerichts sowie denjenigen des Staatsrats aufzuheben und die Sache zur materiellen Neubeurteilung an die "Vorinstanz" zurückzuweisen.
 
Das Kantonsgericht und der Staatsrat des Kantons Wallis schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich auch gegen den Nichteintretensentscheid des Staatsrats vom 6. Februar 2002. Die Frist für die Anfechtung dieses Entscheids war jedoch im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde längst abgelaufen (vgl. Art. 89 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer macht indessen geltend, er habe sich auf den (unrichtigen) Hinweis des Staatsrats, wonach gegen dessen Entscheid die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht zulässig sei, verlassen dürfen.
 
1.2 Gemäss einem aus dem Prinzip von Treu und Glauben (Art. 9 BV) fliessenden und in Art. 107 Abs. 3 OG ausdrücklich verankerten Grundsatz des öffentlichen Prozessrechts darf den Parteien aus einer fehlerhaften behördlichen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen. Wie das Bundesgericht in BGE 124 I 255 E. 1 a/aa S. 258 dargelegt hat, ist diese Verfahrensmaxime grund-sätzlich auch im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde anwendbar. Dies kann namentlich für den Fall gelten, dass die falsche Eröffnung eines kantonalen Rechtsmittels eine Partei davon abgehalten hat, rechtzeitig das Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde anzurufen. Wer allerdings die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkannte oder bei zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen müssen, kann sich nicht auf den genannten Grundsatz berufen. Rechtsuchende geniessen keinen Vertrauensschutz, wenn sie bzw. ihr Rechtsvertreter den Mangel allein schon durch Konsultierung der massgeblichen Verfahrensbestimmung hätten erkennen können. Allerdings vermag nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der betroffenen Partei oder ihres Anwaltes eine falsche Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen.
 
1.3 Im vorliegenden Fall war die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung für den Beschwerdeführer bzw. dessen Anwalt aufgrund des Wortlauts der massgebenden Gesetzesbestimmung nicht ohne weiteres erkennbar, sondern ergab sich erst aus der einschlägigen Praxis (vgl. hierzu die nachstehende Erwägung). Davon ging auch das Kantonsgericht aus, weshalb es von der Erhebung von Kosten absah. Dem Beschwerdeführer darf daher kein Nachteil daraus erwachsen, dass er auf die Rechtsmittelbelehrung des Staatsrats vertraute und dementsprechend nicht direkt gegen dessen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde erhob, sondern vorerst an das Verwaltungsgericht gelangte. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich daher auch insofern als zulässig, als sie sich gegen den Entscheid des Staatsrats richtet. Wegen ihrer kassatorischen Natur kann darauf jedoch nicht eingetreten werden, soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung der angefochtenen Entscheide verlangt.
 
2.
 
Nach Art. 75 lit. h des Walliser Gesetzes vom 6. Oktober 1976 über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege (VVRG) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Kantonsgericht unzulässig gegen die Ernennung, die Beförderung und die Versetzung von Amtsträgern. Das Kantonsgericht geht unter Berufung auf einen in ZWR 2001 S. 96 ff. publizierten Entscheid davon aus, dass als Beförderung jede höhere Lohneinreihung gelte, unabhängig davon, ob sie in einer höheren Funktion, in der Änderung des Pflichtenhefts unter Beibehaltung der bisherigen Funktion oder in einer ungleichen Bewertung mit anderen Stellen begründet sei. Diese Rechtsprechung gelte auch für Lehrer, deren Besoldung ähnlich wie jene der Beamten geregelt sei. Die vom Beschwerdeführer mit seinem Gesuch vom 28. Februar 2000 beantragte Anpassung seines Lohnes an jenen der Realschullehrer komme einer Beförderung gleich. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die entsprechende Endverfügung wäre daher unzulässig. Damit sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber gemäss Art. 77 lit. a VVRG auch gegen den Nichteintretensentscheid des Staatsrats unzulässig.
 
Der Beschwerdeführer hält diese Begründung für willkürlich. Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung des Gesetzes ebenfalls vertretbar oder sogar zutreffender erscheint, sondern erst dann, wenn ein Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (statt vieler: BGE 127 I 60 E. 5a S. 70, mit Hinweisen). Was der Beschwerdeführer vorbringt, reicht nicht aus, um einen solchen Vorwurf zu begründen:
 
Das Kantonsgericht hat in dem in ZWR 2001 S. 96 ff. publizierten Urteil, auf welches im angefochtenen Entscheid verwiesen wird, unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien dargelegt, dass der Begriff der Beförderung in Art. 75 lit. h VVRG anders als im kantonalen Beamtenrecht weit zu verstehen sei und nicht nur die Höherklassifizierung als Folge der Änderung der Funktion erfasse. Für den Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei massgebend gewesen, dass im Zusammenhang mit Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen eher Zweckmässigkeits- als Rechtsfragen zu beurteilen seien. Lohneinreihungen seien ihrer Natur nach Betriebs- und Personalführung, Konkretisierung interner Organisationspflichten und -rechte und damit ureigene Aufgabe der Verwaltung und des Staatsrates als Arbeitgeber. Wo eine entsprechende Funktion in der Besoldungstabelle einzureihen sei, setze eine umfassende und detaillierte Kenntnis der gesamten Lohn- und Personalpolitik voraus, welche Kenntnis nur die Verwaltung habe. Diese Umstände rechtfertigten es, solchen Entscheid als nicht justiziabel zu erklären. Das gelte auch für den Fall, dass mit dem Gesuch um Neueinreihung die Beseitigung einer rechtsungleichen Behandlung angestrebt werde.
 
Mit dieser Begründung setzt sich der Beschwerdeführer nicht näher auseinander. Er begnügt sich mit dem Argument, dass es in seinem Fall keineswegs um eine Beförderung gehe, sondern um den Anspruch auf Gleichbehandlung. Gerade dafür hat das Kantonsgericht jedoch nach dem Gesagten die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen. Diese Auffassung lässt sich mit guten Gründen vertreten, ist doch die der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich entzogene Ernennung der Beamten immer mit einer entsprechenden Besoldungseinreihung verbunden, weshalb es einleuchtet, dass auch nachträgliche Änderungen der Besoldungseinreihung nicht zum Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemacht werden können. Anders würde es sich verhalten, soweit eine Besoldungseinreihung unter Hinweis auf das Gleich-stellungsgesetz angefochten wäre. Dann stünde sowohl die eidgenössische als auch die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (BGE 124 II 409 ff.), was das Kantonsgericht im zitierten Entscheid übrigens nicht übersehen hat (ZWR 2001 S. 96 ff. E. 6). In bestimmten Fällen wäre dieses Rechtsmittel wohl auch gestützt auf Art. 6 EMRK gegeben (vgl. Urteil 2P.95/2001 vom 14. November 2001, E. 1a). Diese Voraussetzungen sind hier indessen nicht erfüllt. Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf beruft, er habe sich auf die Rechtsmittelbelehrung des Staatsrats verlassen dürfen, verkennt er, dass sich die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde allein nach der gesetzlichen Ordnung bestimmt. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung vermochte daher das Kantonsgericht nicht zu binden und war nicht geeignet, eine gesetzlich nicht vorgesehene Zuständigkeit zu begründen (vgl. BGE 111 Ib 150 E. 1 S. 153). Fehlte es an der Zuständigkeit des Kantonsgerichts, kann sich der Beschwerdeführer auch nicht darüber beklagen, dass sich dieses nicht mit den konkreten Umständen seines Falles befasste. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
 
3.
 
Der Staatsrat ist auf die bei ihm erhobene Beschwerde deswegen nicht eingetreten, weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seines Entscheids nicht mehr Angestellter des Kantons oder der Gemeinde gewesen sei, weshalb er kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Beantwortung der Frage habe, ob er Anspruch auf Einreihung in eine höhere Gehaltskategorie habe. Diese Begründung wird vom Beschwerdeführer zu Recht als willkürlich beanstandet. Der Beschwerdeführer hatte sein Gesuch um Lohnanpassung bereits am 28. Februar 2000 gestellt , also noch vor seiner Pensionierung, die auf Ende des Schuljahres 1999/2000 erfolgte. Wäre dem Gesuch entsprochen worden, hätte der Beschwerdeführer zumindest für die Zeit zwischen der Gesuchstellung und der Pensionierung Anspruch auf einen höhere Lohn gehabt. Eine allfällige Lohndifferenz könnte ohne weiteres noch nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Staatsdienst nachbezahlt werden. Dazu kommt, dass die Einreihung in eine höhere Besoldungsklasse nach der glaubwürdigen Darstellung des Beschwerdeführers, die in der Vernehmlassung des Staatsrats nicht bestritten wird, Auswirkungen auf dessen Pensionkassenguthaben hätte. Unter diesen Umständen ist nicht einzusehen, weshalb das Interesse an der Beschwerde mit der Pensionierung des Beschwerdeführers dahingefallen sein sollte. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet, soweit sie sich gegen den Entscheid des Staatsrats richtet.
 
4.
 
Insoweit obsiegt der Beschwerdeführer; er unterliegt aber, soweit er den Entscheid des Kantonsgerichts anficht. Bei diesem Ausgang sind die Kosten dem Beschwerdeführer und dem Kanton Wallis, um dessen Vermögensinteresse es sich handelt, je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 - 3 OG). Der Kanton Wallis hat dem Beschwerdeführer zudem eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 - 3 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 6. Februar 2002 aufgehoben.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer und dem Kanton Wallis je zur Hälfte auferlegt.
 
3.
 
Der Kanton Wallis hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement für Erziehung, Kultur und Sport und dem Staatsrat des Kantons Wallis sowie dem Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4 Februar 2003
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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