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Informationen zum Dokument  BGer U 155/2001  Materielle Begründung
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BGer U 155/2001 vom 27.08.2001
 
[AZA 7]
 
U 155/01 Vr
 
IV. Kammer
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Jancar
 
Urteil vom 27. August 2001
 
in Sachen
 
J.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Harry Nötzli, Stockerstrasse 10, 8002 Zürich,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- Der 1954 geborene J.________ arbeitete als Baufacharbeiter bei der Bauunternehmung X.________ AG und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 23. Januar 1997 stürzte er bei der Arbeit auf einer Eisfläche und zog sich eine ventrocaudale Schulterluxation rechts zu. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nach verschiedenen medizinischen Abklärungen sprach sie dem Versicherten mit Verfügung vom 28. April 1998 ab 1. Juni 1998 eine Invalidenrente auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 25 % sowie eine Integritätsentschädigung von 20 % zu. Die gegen diese Verfügung erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 9. Oktober 1998 ab.
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. März 2001 ab.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte beantragen, der kantonale Entscheid vom 20. März 2001 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die SUVA zurückzuweisen; es sei ein Gutachten bei Dr. med. T.________, Facharzt FMH für Chirurgie, einzuholen; eventuell sei der genannte Arzt zu veranlassen, die ihm von der SUVA Winterthur im Schreiben vom 29. Oktober 1997 gestellten Fragen zu beantworten.
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG), den Begriff der Invalidität (Art. 18 Abs. 2 Satz 1 UVG), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2 Satz 2 UVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b; vgl. auch BGE 114 V 313 Erw. 3a), die Übereinstimmung des Invaliditätsbegriffs in der Invaliden- und der Unfallversicherung (BGE 119 V 470 Erw. 2b, 116 V 249 Erw. 1b) und die Festlegung des Invalideneinkommens (BGE 126 V 75 ff.; RKUV 1999 Nr. U 343 S. 412 ff., 1998 Nr. U 320 S. 601 Erw. 2a, Nr. U 304 S. 373; AHI 1998 S. 177 Erw. 3a) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über die Bedeutung, die den ärztlichen Stellungnahmen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zukommt (BGE 125 V 261 Erw. 4, 122 V 158 Erw. 1b, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c) sowie zum Beweiswert eines Arztberichts (BGE 122 V 160 Erw. 1c). Darauf kann verwiesen werden.
 
Zu ergänzen ist Folgendes: Gemäss Art. 24 Abs. 1 UVG hat der Versicherte Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung, wenn er durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleidet. Nach Art. 36 Abs. 1 UVV gilt ein Integritätsschaden als dauernd, wenn er voraussichtlich während des ganzen Lebens mindestens in gleichem Umfang besteht (Satz 1); er ist erheblich, wenn die körperliche oder geistige Integrität, unabhängig von der Erwerbsfähigkeit, augenfällig oder stark beeinträchtigt ist (Satz 2).
 
Die Integritätsentschädigung wird laut Art. 25 Abs. 1 UVG in Form einer Kapitalleistung gewährt (Satz 1); sie darf den am Unfalltag geltenden Höchstbetrag des versicherten Jahresverdienstes nicht übersteigen und wird entsprechend der Schwere des Integritätsschadens abgestuft (Satz 2).
 
Nach Art. 25 Abs. 2 UVG regelt der Bundesrat die Bemessung der Entschädigung. Von dieser Befugnis hat er in Art. 36 UVV Gebrauch gemacht. Gemäss Abs. 2 dieser Vorschrift gelten für die Bemessung der Integritätsentschädigung die Richtlinien des Anhangs 3. Darin hat der Bundesrat in einer als gesetzmässig erkannten, nicht abschliessenden Skala häufig vorkommende und typische Schäden prozentual gewichtet (BGE 124 V 32 Erw. 1b mit Hinweisen).
 
Für die im Anhang 3 zur UVV genannten Integritätsschäden entspricht die Entschädigung im Regelfall dem angegebenen Prozentsatz des Höchstbetrages des versicherten Verdienstes (Ziff. 1 Abs. 1). Die Entschädigung für spezielle oder nicht aufgeführte Integritätsschäden wird nach dem Grad der Schwere vom Skalenwert abgeleitet (Ziff. 1 Abs. 2). In diesem Zusammenhang hat die SUVA in Weiterentwicklung der bundesrätlichen Skala weitere Bemessungsgrundlagen in tabellarischer Form erarbeitet. Diese in den Mitteilungen der Medizinischen Abteilung der SUVA, Nr. 57 bis 59, herausgegebenen Tabellen (teilweise geändert und ergänzt in den Mitteilungen Nr. 60, 62 und 66), sind, soweit sie lediglich Richtwerte enthalten, mit denen die Gleichbehandlung aller Versicherten gewährleistet werden soll, mit dem Anhang 3 zur UVV vereinbar (BGE 124 V 32 Erw. 1c mit Hinweis).
 
2.- Streitig und zu prüfen ist als Erstes der Invaliditätsgrad.
 
a) SUVA und Vorinstanz stellten auf den Bericht des Kreisarztes Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH Chirurgie, vom 26. Februar 1998 ab, der ein persistierendes bewegungs- und belastungsabhängiges Schmerzsyndrom mit starker Bewegungseinschränkung und Kraftverminderung an der rechten Schulter bei Status nach operativer Versorgung einer Bankartläsion diagnostizierte. Die starken Schmerzangaben liessen sich aufgrund der Befunde nicht ohne weiteres erklären, vor allem nicht zum Beispiel der durch Druck der Hand ausgelöste bis in die Schulter reichende Schmerz. Es dürfte zumindest partiell eine Fehlverarbeitung der Unfallfolgen mitbeteiligt sein.
 
Der Beschwerdeführer bringt vor, es müsse eine Abklärung durch einen Schulterspezialisten erfolgen, um die durch den Unfall hervorgerufene Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit, die Schmerzempfindlichkeit und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit festzustellen.
 
b) aa) Die SUVA hat den Schulterspezialisten Dr. med. T.________ mit der Begutachtung beauftragt. Dieser hat im Bericht vom 20. Januar 1998 zur Frage der Arbeitsfähigkeit nicht Stellung genommen und lediglich ausgeführt, nach seinen bisherigen Erfahrungen werde die Situation mit oder ohne Weiterbehandlung in einer vollen Rente enden.
 
Daraus kann der Beschwerdeführer indessen nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn Dr. med. T.________ hat dargelegt, er könne sich das Beschwerdebild eigentlich nicht so richtig erklären. Auch gemäss den Berichten des Spitals X.________ vom 11. September 1997 und 3. April 1998 - die auf MRI-Untersuchungen beruhen - liegen keine Befunde vor, die das Beschwerdebild erklären könnten. Der Kreisarzt Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie, stellte im Bericht vom 2. Oktober 1997 ebenfalls fest, dass ein klinisch gutes Resultat vorliege und die Schmerzen nicht erklärbar seien. Und der Hausarzt Dr. med. K.________ führte schliesslich am 8. April 1998 aus, die neu angefertigten Bilder des Spitals X.________ zeigten keine Arthrose, sondern lediglich einen leichten Schulterhochstand, der die beträchtlichen Beschwerden aber nicht erkläre. Nach diesen übereinstimmenden Arztberichten lässt sich somit ein organisches Substrat für die geklagten Beschwerden nicht ausmachen.
 
Ob eine psychische Gesundheitsstörung mit Krankheitswert vorliegt und diese als natürliche Folge des Unfalls zu qualifizieren ist, kann offen bleiben. Denn selbst wenn aufgrund einer zusätzlichen Spezialbegutachtung ein geistiger Gesundheitsschaden und der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen wären, fehlte es an der adäquaten Kausalität, da der erlittene Unfall als gewöhnlicher Sturz und damit als leicht zu qualifizieren ist (BGE 120 V 355 Erw. 5b/aa, 115 V 139 Erw. 6a). Ein Grund, trotz Vorliegens eines leichten Unfalles die Adäquanzbeurteilung in Anwendung der von der Rechtsprechung für mittelschwere Unfälle entwickelten Kriterien (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) vorzunehmen, ist nicht gegeben. Ein Ausnahmefall in dem Sinne, dass die unmittelbaren körperlichen Unfallfolgen eine psychische Fehlentwicklung nicht mehr als offensichtlich unfallunabhängig erscheinen lassen, liegt nicht vor (RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243; nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 20. Dezember 2000, U 432/99).
 
bb) Im Rahmen der somatisch nachgewiesenen Unfallfolgen ist gestützt auf die nachvollziehbar begründeten Berichte der Klinik Y.________ vom 13. August 1997, des Dr. med. M.________ vom 26. Februar 1998 und des Dr. med. K.________ vom 18. März 1998 davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in einer leichten Tätigkeit (z.B. ganz leichte Kleinmontage, Kontroll- und Überwachungsaufgaben, Postverteilung), die keine Flexionen oder Abduktionen des rechten Arms von mehr als 60° sowie Hebe- oder Tragleistungen von maximal und ausnahmsweise 5 kg oder - soweit repetitiv - von höchstens 1 kg erfordert, zu 100 % arbeitsfähig ist. Weitere Beweisvorkehren erübrigen sich, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d). Es besteht insbesondere kein Anlass, Dr. med. T.________ nochmals zur Arbeitsfähigkeit zu befragen, wenn er sich das Beschwerdebild grundsätzlich nicht erklären kann und die Arbeitsfähigkeit aufgrund der zitierten Arztberichte rechtsgenüglich feststeht.
 
c) Der Umstand, dass die IV-Stelle des Kantons Zürich eine 10 %ige Arbeitsunfähigkeit bei leichter Arbeit annahm, hilft dem Beschwerdeführer nicht, da jene diesbezüglich von der Verfügung der SUVA vom 28. April 1998 ausging und aus dem von dieser veranschlagten leidensbedingten Abzug von 10-15 % auf eine Arbeitsunfähigkeit von 10 % geschlossen hat. Von einer abweichenden Beurteilung durch die IV-Stelle kann mithin nicht gesprochen werden. Diese hat vielmehr die leidensbedingte Einschränkung bloss auf 10 % geschätzt, während SUVA und Vorinstanz zu Gunsten des Beschwerdeführers von 15 % ausgehen (vgl. auch Erw. 3a hiernach).
 
3.- a) Gegen die Bemessung des Valideneinkommens von Fr. 56'810.- bringt der Beschwerdeführer keine Einwände vor. Diese entspricht denn auch den Angaben der Arbeitgeberin vom 11. Februar und 7. April 1998 und ist nicht zu beanstanden.
 
Bei der Bestimmung des Invalideneinkommens ist die Vorinstanz unter Beizug der DAP-Zahlen (Dokumentation über Arbeitsplätze) der SUVA von einem Lohn von Fr. 50'308.65 ausgegangen und hat davon für eine allfällige unfallbedingte Verlangsamung einen leidensbedingten Abzug von 15 % vorgenommen. Dies ist ebenfalls unbestritten und eher als wohlwollend zu betrachten, da der in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik ausgewiesene Tabellenlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten Fr. 53'648.75 beträgt. Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle ist dies indessen im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden (Art. 132 lit. a OG; BGE 114 V 316 Erw. 5a mit Hinweisen). Nach dem Gesagten ist der von SUVA und Vorinstanz errechnete Invaliditätsgrad von 25 % korrekt.
 
b) Der von der IV-Stelle errechnete Invaliditätsgrad von 30 % kann vorliegend auch deshalb nicht als massgebend herangezogen werden, weil der von ihr - ebenfalls anhand von DAP-Zahlen - ermittelte Invalidenlohn von durchschnittlich Fr. 44'220.- (bei 100 %iger Arbeit) im Vergleich mit dem von der SUVA herangezogenen Invalideneinkommen und dem Tabellenlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten als zu tief erscheint.
 
Nach dem Gesagten kann schliesslich offen bleiben, ob die IV-Stelle bei ihrer Beurteilung die psychische Problematik mit berücksichtigt hat oder nicht.
 
4.- Bezüglich der Integritätsentschädigung entspricht der vorinstanzliche Entscheid, der auf die Einschätzung des Dr. med. M.________ vom 26. Februar 1998 verweist, dem Gesetz, der Verordnung und den anwendbaren Richtlinien. Der Beschwerdeführer bringt keine triftigen Gründe vor, die eine abweichende Ermessensausübung als nahe liegender erscheinen liessen. Auch diesbezüglich erübrigen sich weitere Abklärungen, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind (Erw. 2b/bb hievor).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht
 
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
 
Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 27. August 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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