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Informationen zum Dokument  BGE 143 V 91  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
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9. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Bâloise-Sammelstiftung für die obligatorische berufliche Vorsorge (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_28/2016 vom 30. Januar 2017
 
 
Regeste
 
Art. 34a Abs. 1 BVG; Art. 24 Abs. 1 und 5 BVV 2: allseitige Prüfung der Überentschädigungskürzung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse.  
 
BGE 143 V, 91 (92)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Die berufliche Vorsorge soll zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 lit. a BV und Art. 1 Abs. 1 BVG; BGE 137 V 20 E. 5.2.4 S. 29). Die Kumulation von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen kann nicht nur zu einer mit dieser Zielsetzung der Zweiten Säule nicht vereinbaren Überversicherung führen, sondern auch die Kosten des Sozialversicherungswesens weiter erhöhen und zudem unter Umständen ein Hindernis für die Wiedereingliederung darstellen, was es zu vermeiden gilt. Nach Art. 34a Abs. 1 BVG und der Überschrift zu Art. 24 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) geht es beim Verbot der Überentschädigung darum, ungerechtfertigte Vorteile zu verhindern. Die versicherte Person soll finanziell nicht besser, sondern höchstens so gestellt werden, wie wenn sich das Risiko Invalidität nicht verwirklicht hätte (BGE, a.a.O., mit Hinweisen; SVR 2015 BVG Nr. 9 S. 29, 9C_714/2013 E. 2.1).
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BGE 143 V, 91 (93)Unter dem Begriff "mutmasslich entgangener Verdienst" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 BVV 2 ist das hypothetische Einkommen zu verstehen, welches die versicherte Person ohne Invalidität erzielen könnte, und zwar im Zeitpunkt, in dem sich die Kürzungsfrage stellt (BGE 137 V 20 E. 5.2.3.1 S. 27 mit Hinweisen). Nach der gesetzlichen Konzeption der Invalidenleistungen aus Erster und Zweiter Säule sind die Festlegungen der IV-Stelle bezüglich Entstehung, Höhe und Beginn des Rentenanspruchs grundsätzlich für die Invalidenrente der obligatorischen beruflichen Vorsorge massgebend und verbindlich. Das im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren festgelegte Valideneinkommen muss dem Grundsatz nach auch in der berufsvorsorgerechtlichen Überentschädigungsberechnung Berücksichtigung finden. Ausgangspunkt ist daher der Grundsatz der Kongruenz von Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst im Sinne von Art. 24 Abs. 1 BVV 2 (BGE 140 V 399 E. 5.2.1 S. 401; BGE 137 V 20 E. 2.2 S. 23). Im Sinne einer Vermutung ist davon auszugehen, dass das von der IV-Stelle festgelegte Valideneinkommen dem mutmasslich entgangenen Verdienst nach Art. 24 Abs. 1 BVV 2 entspricht. Die Annahme einer überproportionalen (d.h. über die Lohn- und Preisentwicklung hinausgehenden) Einkommensentwicklung muss auf Lebensgeschehnissen gründen, die schon in der Zeit vor Eintritt des versicherten Ereignisses ihren Anfang genommen haben, es sei denn, die Einkommenserhöhung habe von der Natur des ihr zugrundeliegenden Motivs her überhaupt erst nach dem versicherten Ereignis eintreten können (SVR 2015 BVG Nr. 9 S. 29, 9C_714/2013 E. 2.3).
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Erwägung 4
 
4.1 Nach Art. 24 Abs. 5 BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung die Voraussetzungen und den Umfang einer Überentschädigungskürzung jederzeit überprüfen und ihre Leistungen anpassen, wenn die Verhältnisse sich wesentlich ändern. Als wesentliche Änderung der Verhältnisse gilt eine Leistungsanpassung in der Grössenordnung von mindestens 10 % zugunsten oder zuungunsten der rentenbeziehenden Person (BGE 125 V 163 E. 3b S. 164 f.; BGE 123 V 193 E. 5d S. 201, BGE 123 V 211 E. 6c/bb). Im Falle einer solchen Änderung ist die Vorsorgeeinrichtung zur Neuberechnung ihrer Invalidenrente verpflichtet; die Anpassung der Leistungen ist nicht dem freien Ermessen der Vorsorgeeinrichtung anheimgestellt (BGE 125 V 163). Als ein Faktor der Überentschädigungsberechnung ist der einmal bestimmte mutmasslich entgangene Verdienst nach dem Gesagten in der Folgezeit nur BGE 143 V, 91 (94)dann neu festzulegen, wenn hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass sich die Verhältnisse im Sinne von Art. 24 Abs. 5 BVV 2 wesentlich geändert hätten (BGE 123 V 193 E. 5d S. 201). Im vorliegenden Fall stellt sich indessen mit Blick auf BGE 137 V 20 E. 5.2.3.1 S. 27 (vgl. E. 3.2 hiervor) die Frage, ob bei Hinzutreten eines weiteren Kinderrentenanspruchs (welcher für sich genommen die koordinierten BVG-Leistungen um über 10 % hätte ansteigen lassen [vgl. auch Urteil 9C_865/2008 vom 30. Dezember 2008 E. 2.3]) die (früher bestimmten) Faktoren der Überentschädigungsberechnung frei überprüft und angepasst werden dürfen (woraus hier insgesamt eine Leistungsherabsetzung von mehr als 10 % resultiert). Oder mit anderen Worten: Ist bei wesentlicher Änderung eines einzelnen Berechnungsfaktors im Sinne von Art. 24 Abs. 5 BVV 2 zur umfassenden Prüfung der Überentschädigung ohne Bindung an frühere Beurteilungen zu schreiten?
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4.2 Wie bereits erwähnt (E. 3.2 hiervor), ist von einer grundsätzlichen Kongruenz von Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst im Sinne von Art. 24 Abs. 1 BVV 2 auszugehen. Dasselbe gilt für Invalideneinkommen und zumutbarerweise noch erzielbarem Erwerbseinkommen nach Art. 24 Abs. 2 zweiter Satz BVV 2, weshalb das von den IV-Organen festgelegte Invalideneinkommen dem Grundsatz nach auch in der berufsvorsorgerechtlichen Überentschädigungsberechnung zu berücksichtigen ist (BGE 141 V 351 E. 5.1 S. 354; BGE 140 V 399 E. 5.2.1 S. 401; BGE 134 V 64 E. 4.1.3 S. 70). Und schliesslich müssen Soziallohnkomponenten, welche bei der Invaliditätsbemessung nach Art. 16 ATSG nicht angerechnet werden, im Rahmen der Überentschädigungsberechnung gemäss Art. 24 BVV 2 ebenfalls ausser Acht bleiben (BGE 141 V 351).
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Die gesetzliche Konzeption der weitgehenden materiellrechtlichen Koordination zwischen Erster und Zweiter Säule, wie sie in der angeführten Rechtsprechung zum Ausdruck gelangt, ist für die Beantwortung der sich hier stellenden Rechtsfrage ebenfalls wegweisend. Nachdem bei Vorliegen eines Revisionsgrundes im Sinne von Art. 17 ATSG der Rentenanspruch nach ständiger Rechtsprechung von den IV-Behörden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allseitig und ohne Bindung an frühere Beurteilungen zu prüfen ist (BGE 141 V 9; BGE 139 V 28 E. 3.3.1 S. 30; BGE 117 V 198 E. 4b S. 200; SVR 2015 IV Nr. 8 S. 23, 9C_378/2014 E. 4.2), lässt sich dieser Grundsatz analog auf die berufsvorsorgerechtliche Anpassung einer Überentschädigungskürzung nach Art. 24 Abs. 5 BVV 2 übertragen: Erfährt ein BGE 143 V, 91 (95)einzelner Berechnungsfaktor eine wesentliche, d.h. an sich eine Leistungsanpassung von mindestens 10 % bewirkende Änderung, prüft die Vorsorgeeinrichtung allseitig und ohne Bindung an früher ermittelte Faktoren, ob und in welchem Umfange eine Überentschädigung vorliegt. Ähnlich wie bei der Revision von IV-Renten, wo die umfassende Prüfung nach einer Tatsachenänderung ergeben kann, dass ein anderes Anspruchselement zu einer Rentenheraufsetzung, -herabsetzung oder -aufhebung führt (AHI 2002 S. 162, I 652/00), kann im Rahmen der allseitigen Prüfung der Überentschädigungskürzung ein nunmehr neu beurteilter Berechnungsfaktor die mindestens 10%ige Leistungsanpassung kompensieren oder - wie im vorliegenden Fall - sogar überkompensieren. Für sich allein betrachtet hätte die zusätzliche Kinderrente zu einer Erhöhung der BVG-Rentenleistungen von mehr als 10 % geführt. Unter Zugrundelegung des von der Sammelstiftung ohne überproportionale Lohnentwicklung neu ermittelten mutmasslichen entgangenen Verdienstes ergibt sich eine über 10%ige Verminderung der koordinierten Rentenleistungen aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge. Der BVG-Invalidenrentenanspruch bleibt davon unberührt. Dieser kann ausschliesslich im Rahmen des unverändert geltenden BGE 141 V 405 E. 3.6 S. 411 f. angepasst werden. (...)
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