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Informationen zum Dokument  BGE 140 V 130  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig und zu prüfen ist somit die Frage nach dem grund ...
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20. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. AXA Versicherungen AG gegen Helsana Versicherungen AG und W. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
8C_719/2013 vom 19. März 2014
 
 
Regeste
 
Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG; Anspruch auf Heilbehandlung des obligatorischen Unfallversicherers nach Festsetzung einer zufolge Zusammentreffens mit einer Rente der Invalidenversicherung gekürzten Rente der Unfallversicherung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 140 V, 130 (131)A. Die 1958 geborene W. ist bei der heutigen AXA Versicherungen AG (nachfolgend: AXA) gegen Unfälle versichert. Am 1. Februar 2001 meldete sie dem Unfallversicherer einen Snowboard-Unfall. Mit Verfügung vom 7. April 2003 stellte dieser eine 30-prozentige Restarbeitsfähigkeit fest. Weil die Invalidenversicherung W. mit Wirkung ab 1. August 2000 eine Invalidenrente zugesprochen hatte, kam infolge Überversicherung keine Komplementärrente des Unfallversicherers zur Auszahlung. Zudem sicherte die AXA der Versicherten die Übernahme weiterer Heilbehandlungen zu. Die gegen diese Verfügung eingereichte Einsprache wies die AXA mit Einspracheentscheid vom 24. November 2003 ab.
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Mit Verfügung vom 23. Juli 2012 stellte die AXA die Übernahme der Behandlung mit Physiotherapie, Osteopathie und Carbostesin auf Ende Juli 2012 hin ein. Dagegen erhoben sowohl der Krankenversicherer (Helsana Versicherungen AG) von W. wie auch diese selber Einsprache. Die AXA wies die Einsprachen mit Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2012 ab.
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B. Sowohl die Helsana Versicherungen AG wie auch W. erhoben dagegen Beschwerde. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau vereinigte die Verfahren, hiess die Beschwerden mit Entscheid vom 29. August 2013 teilweise gut, hob den Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2012 auf und wies die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zum anschliessenden Erlass einer neuen Verfügung an die AXA zurück.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die AXA, es seien Dispositiv-Ziffern 1 und 3 des vorinstanzlichen Entscheids aufzuheben, und der Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2012 sei zu bestätigen.
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W. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Helsana Versicherungen AG, kantonales Gericht und Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. Die AXA hat sich dazu am 16. Dezember 2013 geäussert.
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D. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 10. Dezember 2013 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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BGE 140 V, 130 (132)Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eingetreten ist.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
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2.2 Die verunfallte Person hat Anspruch auf Heilbehandlung, solange von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes erwartet werden kann; mit dem Fallabschluss fallen die vorübergehenden Leistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld dahin, und es ist der Rentenanspruch zu prüfen (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 114). Nach Festsetzung der Rente werden dem Bezüger gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen (Art. 10-13 UVG) gewährt, wenn er zur Erhaltung seiner verbleibenden Erwerbsfähigkeit dauernd der Behandlung und Pflege bedarf. Im dazwischen liegenden Bereich, nämlich wenn einerseits von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UVG mehr erwartet werden kann und anderseits die Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 1 UVG nicht erfüllt sind, hat der Unfallversicherer keine Heilbehandlung mehr zu übernehmen; an seine Stelle tritt der obligatorische Krankenpflegeversicherer (BGE 134 V 109 E. 4.2 S. 115).
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2.3 In SVR 2012 UV Nr. 6 S. 21, 8C_191/2011 hat sich das Bundesgericht eingehend mit Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG auseinandergesetzt. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wird vorausgesetzt, dass die entsprechenden Leistungen "nach der Festsetzung der Rente" einem "Bezüger" ausgerichtet werden. Sie bezieht sich demnach auf BGE 140 V, 130 (133)Personen, die bereits eine Rente beziehen, aber noch erwerbsfähig sind, also einen Invaliditätsgrad zwischen 10 Prozent und weniger als 100 Prozent (für vollständig Erwerbsunfähige kommt lit. d des Art. 21 Abs. 1 zur Anwendung) aufweisen. Dies ergibt sich auch aus der französischen ("Lorsque la rente a été fixée, les prestations pour soins et remboursement de frais [art. 10 à 13] sont accordées à son bénéficiaire dans les cas suivants: c. Lorqu'il a besoin de manière durable d'un traitement et de soins pour conserver sa capacité résiduelle de gain") und der italienischen ("Determinata la rendita, le prestazioni sanitarie e il rimborso delle spese [art. 10 a 13] sono accordati se il beneficiario: c. Abbisogna durevolmente di trattamento e cure per mantenere la capacità residua di guadagno") Fassung des Gesetzes. Es ist somit jeweils von einer Situation "nach der Rentenfestsetzung" die Rede.
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2.6 Die invalide Person kann einen Anspruch auf eine Invalidenrente nach UVG und gleichzeitig einen Rentenanspruch gegenüber der Invalidenversicherung haben. Sie wäre unter Umständen überentschädigt, wenn beide Renten vollumfänglich ausbezahlt würden. Art. 20 Abs. 2 UVG legt daher fest, dass der versicherten Person eine Komplementärrente gewährt wird, wenn sie Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung hat; diese entspricht der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der Invalidenversicherung oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung, höchstens BGE 140 V, 130 (134)aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag. Die Komplementärrente wird beim erstmaligen Zusammentreffen der erwähnten Renten festgesetzt. Der bis 31. Dezember 2002 in Kraft gewesene aArt. 40 UVG bestimmte (in der zuletzt, ab 1. Januar 1985 in Kraft gestandenen Fassung) bezüglich der Überentschädigung für die Belange der Unfallversicherung Folgendes: Wenn keine Koordinationsregel dieses Gesetzes eingreift, so werden Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen, soweit gekürzt, als sie mit den anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen. Diese Bestimmung wurde mit Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 aufgehoben. Die Überentschädigung ist nunmehr - auch für die Unfallversicherung - wie folgt geregelt: Gemäss Art. 69 ATSG darf das Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen nicht zu einer Überentschädigung der berechtigten Person führen. Bei der Berechnung der Überentschädigung werden nur Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung berücksichtigt, die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses gewährt werden (Art. 69 Abs. 1 ATSG). Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen (Art. 69 Abs. 2 ATSG). Die Leistungen werden um den Betrag der Überentschädigung gekürzt. Von einer Kürzung ausgeschlossen sind die Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung und der Invalidenversicherung sowie alle Hilflosen- und Integritätsentschädigungen. Bei Kapitalleistungen wird der Rentenwert berücksichtigt (Art. 69 Abs. 3 ATSG). Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang somit klar von einer Kürzung der Rente des Unfallversicherers (vgl. auch MAURER, a.a.O., S. 372).
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2.7 Gemäss den Feststellungen des kantonalen Gerichts hat die AXA der Versicherten mit Verfügung vom 7. April 2003 einen Rentenanspruch zuerkannt, die Leistungen aber gestützt auf Art. 20 Abs. 2 UVG zufolge Überschreitens des versicherten Verdienstes vollständig gekürzt. Diese Feststellung erweist sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weder als offensichtlich falsch noch als aktenwidrig. Lediglich infolge der Koordination mit den Leistungen der Invalidenversicherung kam es nicht zur Auszahlung einer Komplementärrente des Unfallversicherers bzw. wurde diese auf BGE 140 V, 130 (135)Franken Null gekürzt. Der UVG-Rentenanspruch fällt bei einer solchen Konstellation - anders als etwa bei einer revisionsweise festgestellten vollen Erwerbsfähigkeit (E. 2.4 hievor) - nicht dahin. Vielmehr liegt nach wie vor eine Situation "nach der Rentenfestsetzung" im Sinne von Art. 21 Abs. 1 UVG vor. Die Versicherte ist "Bezügerin" einer Rente, die - zur Vermeidung einer Überentschädigung - nicht der Unfallversicherer (komplementär), sondern die Invalidenversicherung ausrichtet. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall klar von den in der Beschwerdeschrift erwähnten Urteilen 8C_81/2013; 8C_191/2011 und 8C_403/2011, bei denen es bereits an den Voraussetzungen von Art. 18 Abs. 1 UVG für den Bezug einer UVG-Rente fehlte. Würde der Anspruch auf Heilbehandlung gestützt auf Art. 21 Abs. 1 UVG davon abhängen, dass eine normale UVG-Rente oder aber eine Komplementärrente von mindestens Fr. 1.- zur Auszahlung kommt, würde die Übernahme der Heilbehandlungskosten nicht vom Invaliditätsgrad, sondern von sachfremden Kriterien abhängen und damit bei gleicher gesundheitlicher Beeinträchtigung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies kann nicht Sinn und Zweck von Art. 21 Abs. 1 UVG sein. Diese Bestimmung schliesst sich nahtlos an Art. 19 UVG an (BGE 134 V 109 E. 4.2 S. 114). Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Gewährung von Taggeld grundsätzlich dahin. Vorbehalten bleiben jedoch die Fälle der Nachbehandlung gemäss Art. 21 UVG. Diese Bestimmung will die Möglichkeit der Gewährung einer notwendigen Heilbehandlung nach der Zusprechung einer Invalidenrente regeln und umschreibt die Tatbestände abschliessend, die eine Nachbehandlung rechtfertigen (Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III 141, 191 f. Ziff. 403.23 zu Art. 21 E-UVG). Beim Vorliegen einer Überversicherungssituation fällt ein solcher Anspruch nicht automatisch weg. Das kantonale Gericht hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn es den grundsätzlichen Anspruch der Versicherten auf Heilbehandlung gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG bestätigte.
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