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Informationen zum Dokument  BGE 129 V 251  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
Erwägung 1
Erwägung 2
Erwägung 3
4. Es stellt sich des Weitern die Frage, zu welchem Satz die Aust ...
5. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Pensionskasse A. de ...
6. (Parteientschädigung) ...
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37. Urteil i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen 1. Pensionskasse A., 2. G., und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
 
 
B 88/02 vom 8. April 2003
 
 
Regeste
 
Art. 122 und 124 Abs. 1 ZGB; Art. 5 Abs. 1 FZG.  
Art. 122 Abs. 2 ZGB; Art. 22 FZG.  
Stehen beiden Ehegatten Ansprüche auf Austrittsleistung zu, so ist lediglich der Differenzbetrag zu teilen und der Einrichtung der beruflichen Vorsorge des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu überweisen.  
Art. 15 BVG; Art. 12 BVV 2; Art. 2 Abs. 3 und Art. 22 FZG; Art. 7 und 8a FZV; Art. 122 und 141 f. ZGB.  
Zur Zins- und Verzugszinspflicht auf einer gestützt auf Art. 122 ZGB geteilten Austrittsleistung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 129 V, 251 (252)A.- H. und G. heirateten am 18. Oktober 1979. Mit Urteil des Bezirksgerichts I. vom 6. Oktober 2000 wurde die Ehe der Parteien geschieden (Eintritt der Rechtskraft am 1. Februar 2001) und in Ziff. 5 des Dispositivs festgehalten, dass die Vorsorgeguthaben nicht aufzuteilen seien. Auf Berufung hin stellte das Kantonsgericht von Graubünden in Ziff. 3 des Dispositivs des Urteils vom 12. Juni 2001 fest, dass den beiden Parteien ein gegenseitiger Anspruch von je 50% an der vom anderen Ehegatten während der Ehe erworbenen Austrittsleistung gemäss FZG zusteht.
1
B.- Nach Überweisung der Sache durch das Kantonsgericht von Graubünden verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 3. Juni 2002 die Pensionskasse A., Fr. 46'136.- an die Vorsorgeeinrichtung von H., der B., zu überweisen (Ziff. 1b des Dispositivs). Gleichzeitig wies es die Vorsorgeeinrichtung B. an, Fr. 759.50 und Fr. 6'269.50 an die Pensionskasse A. zu Gunsten der G. zu übertragen (Ziff. 2b des Dispositivs).
2
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung von Dispositiv-Ziff. 1b und 2b des vorinstanzlichen Entscheides sei die BGE 129 V, 251 (253)Pensionskasse A. anzuweisen, vom Vorsorgeguthaben der G. den Ausgleichsbetrag von Fr. 39'107.- zu Gunsten von H. auf die Vorsorgeeinrichtung B. zu übertragen. Sie sei des Weitern zu verpflichten, auf diesem Betrag zusätzlich Verzugszinsen von 4,25% nach Ablauf von 30 Tagen seit Datum des Entscheids des Eidgenössischen Versicherungsgerichts an die Vorsorgeeinrichtung B. auszurichten und zusätzlich auf diesem Differenzbetrag die in der Zeitspanne zwischen Rechtskraft des Scheidungsurteils und Datum der Überweisung der Austrittsleistungen angefallenen reglementarischen Zinsen zu vergüten.
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G. beantragt die Überprüfung der Austrittsleistung unter Einbezug einer im Jahre 1994 erfolgten Barauszahlung von Fr. 9'289.10. H. verzichtet auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BSV, schliesst hingegen auf Abweisung des Rechtsbegehrens seiner geschiedenen Ehegattin. Die Pensionskasse A. schliesst sich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BSV an. Die Vorsorgeeinrichtung B. teilt den Standpunkt des BSV hinsichtlich der Überweisung des Differenzbetrages, beantragt jedoch die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Bezug auf die Frage der Verzinsung. Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
 
Erwägung 1
 
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1.2 Beim Prozess um Ausgleichszahlungen aus beruflicher Vorsorge im Scheidungsfall handelt es sich wie bei Austrittsleistungen (Entstehung, Höhe, Erfüllung usw.) um einen Streit um Versicherungsleistungen, weshalb sich die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nach Art. 132 OG richtet. Danach BGE 129 V, 251 (254)ist die Kognition nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung. Das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen. Ferner ist das Verfahren regelmässig kostenlos (Art. 134 OG; BGE 114 V 36 Erw. 1c).
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Erwägung 2
 
2.1 Art. 122 Abs. 1 ZGB räumt jedem Ehegatten Anspruch auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten ein, wenn ein Ehegatte oder beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehören und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Stehen den Ehegatten gegenseitig Ansprüche zu, so ist nur der Differenzbetrag zu teilen. Die Teilung der Austrittsleistung wird nach den Art. 22-22c FZG durchgeführt, wobei im Falle der Nichteinigung die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 73 BVG vorgesehen ist (Art. 25a FZG; Art. 141 und 142 ZGB). Die geteilte Austrittsleistung hat dem beruflichen Vorsorgeschutz grundsätzlich erhalten zu bleiben (Art. 22 Abs. 1, Art. 22b Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3-5 FZG).
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2.2 Gemäss den Angaben der beiden Einrichtungen der beruflichen Vorsorge betragen die massgebenden Austrittsleistungen der Ehefrau Fr. 92'272.- und des Ehemannes Fr. 1'519.- aus einem Freizügigkeitsguthaben sowie Fr. 12'539.- aus einem Vorsorgeguthaben. Während der Ehe hatte sich der Ehemann zusätzlich im Jahre 1994 ein Vorsorgeguthaben in Höhe von Fr. 9'289.10 auszahlen lassen. Diesen Betrag hat die Vorinstanz gestützt auf BGE 127 III 433 zu Recht nicht in die Teilung der Austrittsleistungen nach Art. 122 ZGB und Art. 22 FZG einbezogen. Wie das Bundesgericht in BGE 127 III 433 unter Hinweis auf das Schrifttum festgehalten hat, fallen während der Ehe vorgenommene Barauszahlungen nicht mehr unter die nach Art. 122 ZGB zu teilenden Austrittsleistungen, sondern ein Ausgleich kann nur über Art. 124 Abs. 1 ZGB durch das Scheidungsgericht erfolgen.
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2.3 Entgegen Art. 122 Abs. 2 ZGB hat die Vorinstanz die beteiligten Vorsorgeeinrichtungen angewiesen, je die Hälfte der jeweiligen Austrittsleistungen auf die andere zu übertragen. Zu Recht erblickt das BSV darin eine Verletzung von Art. 122 Abs. 2 ZGB, der vom Vorsorgegericht im Rahmen der Teilung der Austrittsleistung BGE 129 V, 251 (255)gemäss Art. 22 Abs. 1 FZG zu beachten ist. Mit der in Art. 122 Abs. 2 ZGB getroffenen Lösung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass ohne grosse Notwendigkeit erhebliche Geldbeträge mit entsprechendem Kostenanfall verschoben werden müssen (SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, S. 216 Rz 51; vgl. auch BAUMANN/LAUTERBURG, in: SCHWENZER [Hrsg.], Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 87 zu Art. 122 ZGB; SCHNEIDER/BRUCHEZ, La prévoyance professionnelle et le divorce, in: Le nouveau droit du divorce, Lausanne 2000, S. 233). Im vorliegenden Fall ergibt sich bei einer massgebenden Austrittsleistung der Ehefrau von Fr. 92'272.- und des Ehemannes von Fr. 1'519.- und von Fr. 12'539.- eine hälftig zu teilende Differenz von Fr. 78'214.-. Die Pensionskasse A. hat daher gemäss dem Antrag des BSV der Vorsorgeeinrichtung B. den Betrag von Fr. 39'107.- zu überweisen.
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Erwägung 3
 
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Die zu teilende Austrittsleistung eines Ehegatten entspricht gemäss Art. 22 Abs. 2 FZG der Differenz zwischen der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Ehescheidung und der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung (vgl. Art. 24 FZG). Für diese Berechnung sind die Austrittsleistung und das Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung auf den Zeitpunkt der Ehescheidung aufzuzinsen gemäss dem im entsprechenden Zeitraum gültigen Mindestzinssatz nach Art. 12 BVV 2 (Art. 8a Abs. 1 FZV). Für die Zeit vor dem 1. Januar 1985 gilt der Zinssatz von 4% (Art. 8a Abs. 2 FZV).
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Nach Art. 2 Abs. 3 FZG wird die Austrittsleistung mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Verzugszins zu zahlen. Dieser entspricht nach Art. 7 FZV dem in Art. 12 BVV 2 geregelten BVG-Mindestzinssatz plus einem Viertel Prozent.
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3.2 Die in diesen Bestimmungen geregelte Verzinsung der Vorsorgeguthaben bildet wesentliches Merkmal der beruflichen BGE 129 V, 251 (256)Vorsorge. Die Vorsorgeeinrichtungen sind verpflichtet, die Altersguthaben zu einem Mindestsatz zu verzinsen. Für die Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung wird der im Zeitpunkt der Eheschliessung vorhandene Betrag ebenfalls aufgezinst. Damit verbleibt der während der Ehe aufgelaufene Zins dem Ehegatten, welcher der beruflichen Vorsorge angehört (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 107). Mit dem Ausscheiden aus der Vorsorgeeinrichtung wird die Austrittsleistung fällig und ist ab diesem Zeitpunkt von der Vorsorgeeinrichtung zu verzinsen (vgl. auch BGE 119 V 135 Erw. 4c). Diese Pflicht zur Entrichtung eines Verzugszinses auf der Austrittsleistung (vgl. Art. 2 Abs. 3 FZG) wird in der bundesrätlichen Botschaft zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992 (BBl 1992 III 572f.) wie folgt begründet:
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"Damit der Vorsorgeschutz bei einem Stellenwechsel nicht geschmälert wird, muss vorgesehen werden, dass die Austrittsleistung ab Verlassen der Vorsorgeeinrichtung zu verzinsen ist. In der Praxis gewähren zwar die Vorsorgeeinrichtungen vielfach keinen Zins, wenn die Austrittsleistung innerhalb eines Monats nach Fälligkeit überwiesen wird. Diese Praxis benachteiligt aber die Vorsorgenehmer, die beispielsweise von einer Spareinrichtung zu einer andern Spareinrichtung wechseln, da auch die Letztere für diesen Monat keinen Zins gutschreibt; der entstehende Zinsverlust beeinträchtigt direkt den Vorsorgeschutz. Diese Praxis benachteiligt auch die Vorsorgenehmer, denen die Austrittsleistung bar ausbezahlt wird. Die sofortige Verzinsung der Austrittsleistung ab Freizügigkeitsfall stellt geringe administrative Probleme, die sich mit entsprechenden Valutierungsvorschriften bei der Überweisung lösen lassen."
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Mit der (durchgehenden) Verzinsung der Vorsorgeguthaben soll der Vorsorgeschutz erhalten bleiben. Diese Überlegungen haben ihre Gültigkeit auch für den Fall der verfahrensmässig bedingten Verzögerung der Aufteilung der Austrittsleistungen bei Ehescheidung und deren Vollzug. Dem Gesichtspunkt der Wahrung und Erhaltung des Vorsorgeschutzes würde es ebenfalls zuwiderlaufen, wenn die Einrichtung der beruflichen Vorsorge (vgl. dazu auch BGE 128 V 45 Erw. 2b mit Hinweisen) vom Zeitpunkt der Scheidung bis zur Übertragung mit dem Guthaben, das der ausgleichsberechtigten geschiedenen Person zusteht, Anlagen tätigen und Erträge erzielen oder der andere geschiedene Ehepartner von den Zinsen auf dem ganzen Altersguthaben alleine profitieren könnte. Der Grundsatz der durchgehenden Verzinsung gilt auch für den Fall, wenn die Teilung BGE 129 V, 251 (257)der Austrittsleistung auf einen Zeitpunkt vor dem Datum des Ehescheidungsurteils vorgenommen wird.
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Umhüllende Leistungs- oder Beitragsprimatkassen haben die Austrittsleistung mit dem reglementarischen Zinssatz zu verzinsen, sofern damit im Rahmen der so genannten Schattenrechnung dem BVG-Mindestzinssatz Genüge getan wird. Für nur in der weitergehenden Vorsorge tätige Vorsorgeeinrichtungen gilt ebenfalls in erster Linie der reglementarische Zinssatz. Sieht in diesen beiden Fällen das Reglement keinen Zinssatz vor, so rechtfertigt es sich, subsidiär den in Art. 12 BVV 2 vorgesehenen Mindestzinssatz anzuwenden. Dieses Vorgehen ist angezeigt, da Art. 8a FZV bei der Teilung der Austrittsleistung infolge Scheidung ebenfalls auf den im entsprechenden Zeitraum gültigen Zinssatz nach Art. 12 BVV 2 greift.
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