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Informationen zum Dokument  BGE 117 V 300  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
7. a) Im nicht veröffentlichten Urteil L. vom 28. Februar 19 ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
41. Auszug aus dem Urteil vom 27. September 1991 i.S. V. gegen Personalfürsorgestiftung VLG Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
 
 
Regeste
 
Art. 28 BVG, Art. 331b OR.  
- Den Vorsorgeeinrichtungen bleibt es unbenommen, in den Statuten von einem weiteren Begriff der wirtschaftlich bedingten Entlassung auszugehen, eine solche bereits bei Reorganisations- oder ähnlichen Massnahmen anzuerkennen und unter diesen Voraussetzungen einen Anspruch auf volle Freizügigkeitsleistung einzuräumen (Erw. 7a).  
 
BGE 117 V, 300 (301)Aus den Erwägungen:
 
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b) Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, dass das neue Reglement vom 27. Oktober 1980 eine Grundlage für die beanspruchte BGE 117 V, 300 (302)volle Freizügigkeitsleistung bilden würde. Denn die Art. 35 ff. enthalten keine mit Art. 5 Ziff. 2 des früheren Freizügigkeitsregulativs vergleichbare Bestimmung. Er macht indessen unter Berufung auf RIEMER (Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, § 5 N 10) sowie die Praxis der Aufsichtsbehörden und der Vorsorgeeinrichtungen geltend, dass bei wirtschaftlich bedingter Entlassung auch ohne statutarische Grundlage ein Anspruch auf Mitgabe des vollen Deckungskapitals bestehe. Dementsprechend versucht er darzulegen, dass seine Entlassung auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. Er beruft sich auf die Umstände der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäss eigener Darstellung vom 24. August 1986, sodann auf seine Aktennotiz über die Besprechung mit Herrn S. vom 4. Februar 1986, wonach die Massnahmen der Geschäftsleitung sich nicht gegen ihn persönlich richteten, ferner auf das Zwischenzeugnis vom 31. August 1985, worin ihm die Arbeitgeberin in jeder Beziehung gute Qualitäten auch im Hinblick auf eine weitere Mitarbeit in der Firma in leitender Position bescheinigte. Auch das Schlusszeugnis vom 4. Februar 1987 stellte die ausgesprochene Kündigung in den Rahmen "langfristiger wirtschaftlicher Überlegungen".
2
Die Beschwerdegegnerin vertritt die gegenteilige Rechtsauffassung unter Hinweis darauf, dass die vom Beschwerdeführer verfochtene Lösung anlässlich der Revision der Art. 331a und b OR im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des BVG (1. Januar 1985) ausdrücklich und bewusst verworfen worden sei.
3
Die Vorinstanz hat eine Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtung zur Mitgabe des vollen Deckungskapitals bei wirtschaftlich bedingter Entlassung ohne Vorliegen einer statutarischen Grundlage verneint. Wie diese Rechtsfrage zu beantworten ist, kann indes im vorliegenden Fall offengelassen werden (Erw. 7c).
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c) Für eine allfällige Verpflichtung einer Vorsorgeeinrichtung zur Mitgabe des ganzen Deckungskapitals ohne entsprechende reglementarische Grundlage müsste jedenfalls ein qualifizierter Begriff der wirtschaftlich bedingten Entlassung erfüllt sein. Ein solcher Fall könnte etwa vorliegen bei vollständiger oder teilweiser Liquidation einer Firma oder wesentlicher Einschränkung der Geschäftstätigkeit mit der Folge, dass die geäufneten Vorsorgemittel für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes der restlichen Versicherten nicht mehr erforderlich wären - bei Tatbeständen demnach, welche in der Nähe des Rechtsmissbrauchsverbots nach Art. 2 Abs. 2 ZGB liegen. Hier könnte ein berichtigender richterlicher BGE 117 V, 300 (303)Eingriff in die den Vorsorgeeinrichtungen im überobligatorischen Bereich eingeräumte Gestaltungsfreiheit (Art. 49 BVG) ausnahmsweise in Betracht fallen, wenn etwa die Rechtsausübung als völlig nutzlos oder sogar zweckwidrig bezeichnet werden müsste (vgl. MERZ, N 58 zu Art. 2 ZGB).
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Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall klar nicht gegeben. Entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers hielt sich die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung durchaus im Rahmen eines üblichen Geschäftsganges. Dies ergibt sich u.a. aus dem Umstand, dass seine Stelle wieder neu besetzt wurde und der Personalbestand der Firma C. S.A. trotz der Entlassung von sechs Kadermitarbeitern weiterhin leicht anstieg. Würde man der Argumentation des Beschwerdeführers folgen, müsste die Vorsorgeeinrichtung praktisch bei jeder Entlassung eines Arbeitnehmers dem ausscheidenden Versicherten die volle Freizügigkeitsleistung gewähren. Denn zumindest indirekt beruht fast jede Entlassung auch auf wirtschaftlichen Überlegungen des Arbeitgebers. Damit würde die geltende gesetzliche Freizügigkeitsordnung unterlaufen.
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