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Informationen zum Dokument  BGE 111 V 261  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurz ...
2. (Ausführungen darüber, dass der Beschwerdeführe ...
3. a) Hans Kühner hat in der Voranmeldung der Kurzarbeit vom ...
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50. Auszug aus dem Urteil vom 17. Oktober 1985 i. S. Kühner gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Abteilung Arbeitslosenversicherung, Bern, und Versicherungsgericht des Kantons Bern
 
 
Regeste
 
Art. 36 AVIG: Voranmeldung von Kurzarbeit.  
- Mit der Voranmeldung von Kurzarbeit werden die Rechte auch in bezug auf einen allfälligen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gewahrt, sofern sich aus der Begründung der Kurzarbeit hinreichende Anhaltspunkte für wetterbedingte Arbeitsausfälle ergeben (Erw. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 111 V, 261 (262)A.- Hans Kühner, Inhaber eines Sägereibetriebes in Gadmen, teilte dem Gemeindearbeitsamt am 7. Februar 1984 telefonisch mit, dass er für seine beiden Arbeitnehmer ab sofort Kurzarbeit einführen müsse. Am 27. Februar 1984 reichte er beim Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) das Formular "Voranmeldung von Kurzarbeit" ein und gab als voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit die Zeit vom 7. Februar bis 31. März 1984 an. Zur Begründung machte er geltend, die Arbeit in seinem Betrieb habe witterungsbedingt und aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden müssen; nach dem grossen Schneefall liege das Holz unter einer meterhohen Schneedecke und sei so stark gefroren, dass es sich nicht mehr sägen lasse; zudem seien momentan überhaupt keine Aufträge vorhanden. Gleichzeitig ersuchte Hans Kühner um Einräumung der verkürzten Anmeldefristen gemäss Art. 58 AVIV. Mit Verfügung vom 29. März 1984 erhob das KIGA gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit bis zum 8. März 1984 Einspruch und stellte fest, der Arbeitsausfall sei infolge verspäteter Meldung erst nach Ablauf der für die Meldung vorgeschriebenen Frist von 10 Tagen, d.h. ab 9. März 1984 anrechenbar.
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B.- Beschwerdeweise stellte Hans Kühner am 7. April 1984 den Antrag, es seien ihm die verkürzten Anmeldefristen zu gewähren BGE 111 V, 261 (263)und die Kurzarbeitsentschädigung sei ab 7. Februar 1984 auszurichten. Lite pendente annullierte das KIGA die Verfügung vom 29. März 1984 wiedererwägungsweise und erhob am 14. Mai 1984 verfügungsweise Einspruch gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit bis 16. Februar 1984. Mit Schreiben vom 18. Mai 1984 hielt Hans Kühner an seinen Anträgen fest.
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Das Versicherungsgericht des Kantons Bern wies die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Wiedererwägungsverfügung richtete, mit Entscheid vom 11. Januar 1985 ab.
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Hans Kühner das vor der Vorinstanz gestellte Begehren. Während das KIGA auf eine Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet, schliesst das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit auf deren Abweisung.
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Aus den Erwägungen:
 
1. Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle mindestens 10 Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich melden. Der Bundesrat kann für Ausnahmefälle kürzere Anmeldefristen vorsehen (Art. 36 Abs. 1 AVIG). Er hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und die Anmeldefrist für Kurzarbeit ausnahmsweise auf 3 Tage festgesetzt für Fälle, in denen der Arbeitgeber nachweist, dass die Kurzarbeit wegen plötzlich eingetretener Umstände, die nicht voraussehbar waren, eingeführt werden muss (Art. 58 Abs. 1 AVIV). Hängt die Arbeitsmöglichkeit in einem Betrieb vom täglichen Auftragseingang ab und ist es nicht möglich, auf Lager zu arbeiten, so kann Kurzarbeit bis vor ihrem Beginn, allenfalls auch telefonisch, angemeldet werden. Der Arbeitgeber muss die telefonische Meldung unverzüglich schriftlich bestätigen (Art. 58 Abs. 2 AVIV). Diese für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehene Regelung der verkürzten Anmeldefristen für Kurzarbeit gemäss den erwähnten Verordnungsbestimmungen erweist sich als sachlich gerechtfertigt und ist gesetzmässig (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 110 V 337 Erw. 3c und 341, BGE 109 V 218 Erw. 5a).
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BGE 111 V, 261 (264)3. a) Hans Kühner hat in der Voranmeldung der Kurzarbeit vom 27. Februar 1984, welche aufgrund der zweiten Verfügung des KIGA vom 14. Mai 1984 ab 7. Februar 1984 gilt, kein formelles Gesuch um Ausrichtung von Schlechtwetterentschädigung gestellt, sich in der Begründung der Kurzarbeit aber ausdrücklich auf wetterbedingten Arbeitsausfall berufen. Das KIGA behandelte seine Anmeldung nur unter dem Titel Kurzarbeitsentschädigung, nicht aber unter jenem der Schlechtwetterentschädigung. Indem der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren geltend machte, er habe im fraglichen Zeitraum auf Lager gearbeitet, diese Arbeit aber witterungsbedingt einstellen müssen, hat er zumindest sinngemäss die Verweigerung der Schlechtwetterentschädigung gerügt. Die Vorinstanz verneinte daraufhin den Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung in ihrem Entscheid vom 11. Januar 1985 gestützt auf Art. 65 Abs. 1 AVIV in der damals geltenden Fassung, nach welcher die Sägerei nicht in der Liste entschädigungsberechtigter Erwerbszweige enthalten war. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnt der Beschwerdeführer ausserordentliche Schneefälle, die den zur Verfügung stehenden Lagerplatz unbenützbar gemacht hätten.
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Im Verlaufe des letztinstanzlichen Verfahrens trat auf den 1. Juli 1985 die Änderung der AVIV vom 25. April 1985 und damit der neue Art. 65 Abs. 1 lit. i AVIV in Kraft, gemäss welchem die Sägerei nunmehr zu den Erwerbszweigen gehört, in denen Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann. Da diese Regelung nach Ziff. II der geänderten AVIV für alle bei Inkrafttreten nicht rechtskräftig entschiedenen Fälle gilt, stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seiner Voranmeldung der Kurzarbeit seine Rechte auch in bezug auf einen allfälligen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gewahrt hat.
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b) Nach der Rechtsprechung zu Art. 46 IVG wahrt der Versicherte mit der Anmeldung bei der Invalidenversicherungs-Kommission grundsätzlich alle seine zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Versicherung bestehenden Leistungsansprüche, auch wenn er diese im Anmeldeformular nicht im einzelnen angibt. Dieser Grundsatz findet nicht Anwendung auf Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit den sich aus den Angaben des Versicherten ausdrücklich oder sinngemäss ergebenden Begehren stehen und für die auch keinerlei aktenmässige Anhaltspunkte die Annahme erlauben, sie könnten ebenfalls in Betracht fallen. Denn die Abklärungspflicht der Verwaltung erstreckt sich nicht auf alle BGE 111 V, 261 (265)überhaupt möglichen Leistungsansprüche, sondern nur auf die vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen bisherigen oder neuen Akten im Zusammenhang stehenden Leistungen. Macht der Versicherte später geltend, er habe abgesehen von der verfügungsmässig zugesprochenen bzw. verweigerten Leistung noch Anspruch auf eine andere Versicherungsleistung und er habe sich hiefür rechtsgültig angemeldet, so ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben zu prüfen, ob jene frühere ungenaue Anmeldung auch den zweiten, allenfalls später substantiierten Anspruch umfasst (BGE 101 V 112 mit Hinweisen).
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Dies gilt analog auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung, wenn ein Arbeitgeber die Absicht, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, nach Art. 36 Abs. 1 AVIG angemeldet hat und nachträglich auch Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung erhebt (nicht veröffentlichtes Urteil Verag AG vom 10. September 1985). Dass sich die ursprüngliche unpräzise Anmeldung auch auf einen allfälligen weiteren Anspruch erstreckt, muss umso mehr gelten, wenn sich dessen sinngemässe Geltendmachung - wie vorliegend - schon aus dem in jener Anmeldung vorgetragenen Sachverhalt ergibt.
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c) In Anbetracht der seit dem 1. Juli 1985 geänderten Rechtslage wird das KIGA, an welches die Sache zurückzuweisen ist, die von Hans Kühner mit Wirkung ab 7. Februar 1984 eingereichte Voranmeldung von Kurzarbeit auch als Meldung wetterbedingten Arbeitsausfalls im Sinne von Art. 45 Abs. 1 AVIG behandeln, bei Zweifeln an der Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalls nach Art. 45 Abs. 4 AVIG geeignete Abklärungen treffen und allenfalls durch Verfügung Einspruch gegen die Ausrichtung der Schlechtwetterentschädigung erheben. Dem Beschwerdeführer muss ferner die Möglichkeit eingeräumt werden, den Entschädigungsanspruch seiner Arbeitnehmer gemäss Art. 47 Abs. 1 AVIG bei der von ihm bezeichneten Kasse nachträglich geltend zu machen.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 11. Januar 1985, soweit er die Schlechtwetterentschädigung betrifft, aufgehoben und die Sache zur näheren Abklärung und allfälligen Verfügung im Sinne der Erwägungen an das KIGA BGE 111 V, 261 (266)zurückgewiesen wird. Im übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.
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