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Informationen zum Dokument  BGE 98 V 214  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
2. Es fragt sich, ob Käthi Mosimann allenfalls gestützt ...
3. Käthi Mosimann leidet an schwerer Skoliose, die zur Zeit  ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
52. Auszug aus dem Urteil vom 16. August 1972 i.S. Mosimann gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern
 
 
Regeste
 
Art. 12 Abs. 1 IVG.  
 
BGE 98 V, 214 (214)Aus den Erwägungen:
 
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Gemäss Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Um "Behandlung des Leidens an sich" geht es in der Regel bei der Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens. Unter solchen Umständen ist die Vorkehr nicht "unmittelbar" auf die Eingliederung gerichtet. Die Invalidenversicherung übernimmt im Prinzip nur unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur stabiler Defektzustände oder Funktionsausfälle gerichtete Vorkehren, sofern diese die Wesentlichkeit und Beständigkeit des angestrebten Erfolges im Sinn von Art. 12 Abs. 1 IVG voraussehen lassen (EVGE 1966 S. 212). Bei nichterwerbstätigen minderjährigen Versicherten ist insbesondere zu beachten, dass diese als invalid gelten, wenn ihr Gesundheitsschaden künftig wahrscheinlich eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird BGE 98 V, 214 (215)(Art. 5 Abs. 2 IVG). Nach der Rechtsprechung können daher medizinische Vorkehren bei Jugendlichen schon dann überwiegend der beruflichen Eingliederung dienen und trotz des einstweilen noch labilen Leidenscharakters von der Invalidenversicherung übernommen werden, wenn ohne diese Vorkehren in absehbarer Zeit eine Heilung mit Defekt oder ein sonstwie stabilisierter Zustand einträte, wodurch die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt würden. Selbstverständlich müssen auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sein (EVGE 1963 S. 117, 1966 S. 213, 1968 S. 48, 1969 S. 51 und 230).
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Im Bereich der idiopathischen Skoliose hat die Rechtsprechung ursprünglich erkannt, dass Jugendliche nur in den allerschwersten Fällen Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung und nur in Form von Operationen gegen Ende des evolutiven Stadiums haben. Konservative Vorkehren hingegen wurden als Behandlung des Leidens an sich betrachtet; dies vor allem in Anwendung des bis zum 31. Dezember 1967 gültig gewesenen Art. 2 Abs. 1 IVV, wonach als medizinische Eingliederungsmassnahmen nur einmalige oder während begrenzter Zeit wiederholte Vorkehren gewährt werden durften (ZAK 1968 S. 345, EVGE 1964 S. 27, 1963 S. 51 und 59). Die am 1. Januar 1968 in Kraft getretene revidierte Fassung des Art. 2 IVV hat diese Schranke beseitigt.
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Neulich ist die Frage, inwieweit Jugendliche nach Abschluss des akuten Stadiums von Poliomyelitis medizinische Massnahmen beanspruchen können, gemäss folgenden Überlegungen entschieden worden: Poliomyelitische Restlähmungen seien geeignet, bis zum Abschluss der Wachstumsperiode, d.h. bis gegen das 20. Altersjahr, stabile Skelettveränderungen herbeizuführen, die es im Interesse der künftigen Erwerbsfähigkeit des Invaliden zu verhüten gelte; in diesen Fällen werde mit physiotherapeutischen Massnahmen einem die berufliche Ausbildung oder die künftige Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Defektzustand vorgebeugt, weshalb die Invalidenversicherung für die Kosten solcher Präventivbehandlung bis zur Volljährigkeit aufzukommen habe.
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Nicht nur bei Skelettveränderungen poliomyelitischer Genese, sondern auch bei Skoliosen, Kyphosen (Scheuermannscher Rundrücken) und Lordosen drohen stabile Defektzustände, welche ohne entsprechende Therapie die spätere Erwerbsfähigkeit des Jugendlichen voraussichtlich beeinträchtigen BGE 98 V, 214 (216)würden. Im Rahmen des Art. 12 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 IVG lässt sich eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Skelettveränderungen poliomyelitischen Ursprungs einerseits und der Skoliosen, Kyphosen und Lordosen anderseits nicht rechtfertigen. Demzufolge haben - generell typisiert - an Kyphose, Skoliose oder Lordose leidende Jugendliche bis zum Abschluss des Wachstumsalters Anspruch auf jene medizinischen Vorkehren, welche notwendig sind, um dauernde Skelettschäden zu verhüten, die ihre Berufsbildung oder ihre spätere Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen würden. Dieser Anspruch besteht im Einzelfall nur dann nicht, wenn und solange kein derart schwerwiegender Defektzustand droht. Da durch frühen Behandlungsbeginn die Entstehung einer schweren Wirbelsäulenverkrümmung und damit allenfalls eine Operation sich vermeiden lassen, sind die indizierten Massnahmen frühzeitig genug zu gewähren. - In diesem Sinn ist die bisherige Rechtsprechung gemäss Beschluss des Gesamtgerichts zu ändern.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 12. Januar 1972 sowie die Kassenverfügung vom 27. Juli 1971 aufgehoben und die Sache im Sinn der Erwägung 3 an die Verwaltung zurückgewiesen.
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