VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 125 IV 161  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 270 Abs. 1 BStP steht die eidgenössische Nichti ...
2. a) Das Opferhilfegesetz ist unter anderm darauf ausgerichtet,  ...
3. Dies hat zur Folge, dass ein Opfer von Bundesrechts wegen im S ...
4. a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdefü ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
25. Urteil des Kassationshofes vom 25. Juni 1999 i.S. K. gegen G. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 270 Abs. 1 BStP; Legitimation des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde; Zivilforderung.  
Art. 152 Abs. 1 und 2 OG; unentgeltliche Rechtspflege, Substanziierungs- pflicht des Gesuchstellers.  
Die zur Begründung des Gesuchs um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege eingereichten Belege haben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Gesuchstellers, über sämtliche finanziellen Verpflichtungen sowie über den aktuellen Grundbedarf Aufschluss zu geben. Kommt der Gesuchsteller diesen Obliegenheiten nicht nach, ist das Gesuch abzuweisen (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 125 IV, 161 (162)Der Polizeibeamte G. beteiligte sich am 22. April 1994 an einer Verhaftungsaktion der Kantonspolizei Zürich gegen mutmassliche Drogenhändler im Bezirk Andelfingen. Im Verlaufe dieses Einsatzes löste sich aus seiner Dienstwaffe ein Schuss, wodurch der Verdächtigte K. Verletzungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Rückenmarks erlitt, die zu einer Lähmung beider Beine führten.
1
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Andelfingen verurteilte G. am 30. August 1996 wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB zu einer Busse von Fr. 500.--. Die Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche des Geschädigten verwies er auf das Verfahren gemäss Haftungsgesetz des Kantons Zürich.
2
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach den Verurteilten am 6. November 1997 auf Berufung hin frei. Auf die Schadenersatzansprüche des Geschädigten trat es nicht ein.
3
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 12. April 1999 die gegen diesen Entscheid gerichtete kantonale Nichtigkeitsbeschwerde von K. ab, soweit es darauf eintrat.
4
K. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Hauptantrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich aufzuheben. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
5
Das Bundesgericht ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten, hat aber das Gesuch um unentgeltiche Rechtspflege gutgeheissen.
6
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
7
Der Beschwerdeführer ist durch den Schusswaffeneinsatz, der allenfalls als Straftat zu qualifizieren ist, in seiner physischen BGE 125 IV, 161 (163)Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden. Er gilt damit als Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes (Art. 2 Abs. 1 OHG; SR 312.5). Zugleich ist er auch Geschädigter nach Art. 270 Abs. 1 BStP (BGE 122 IV 79 E. 1; BGE 120 IV 44 E. I 2a). Indem er eine Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft Andelfingen angefochten und gegen den erstinstanzlichen Entscheid Berufung erhoben hat, beteiligte er sich am kantonalen Verfahren. Ebenso hat er in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in genügender Weise dargetan, warum er seine Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche bisher nicht hat beziffern können und weshalb die angestrebte Verurteilung des Polizeibeamten insbesondere die Bemessung einer allfälligen Genugtuung beeinflussen könne (BGE 124 IV 188 E. 1; BGE 123 IV 78 E. 2b). Er wäre aus dieser Sicht somit zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt.
8
9
b) Zivilansprüche im Sinne des OHG sind solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Primär handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff. OR. Unter Zivilansprüchen sind jedoch auch Forderungen nach Art. 9 Abs. 1 und 2 UWG zu verstehen (BGE 120 IV 154 E. 3c/aa). Nicht in diese Kategorie gehören hingegen Ansprüche, welche sich aus öffentlichem Recht ergeben, beispielsweise die subsidiären Forderungen an den Staat gemäss Art. 11 OHG oder Ansprüche des Staates gegen fehlbare Beamte (DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, § 192, N. 22; WEISHAUPT EVA, Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes, Diss. Zürich 1998, S. 226 f. mit Verweisen; STRÄULI BERNHARD, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunal fédéral, S. 91 N. 226).
10
11
3. Dies hat zur Folge, dass ein Opfer von Bundesrechts wegen im Strafverfahren keine Ansprüche gemäss kantonalem Verantwortlichkeitsrecht geltend machen kann, da sie in öffentlichem Recht gründen. Sie würden sich im Übrigen gegen das Gemeinwesen richten, welches in einem Strafverfahren nur nach Massgabe des kantonalen Rechts beteiligt ist. Als Zivilforderungen im Sinne von Art. 270 Abs. 1 BStP können jedoch nur solche Ansprüche betrachtet werden, die überhaupt adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht werden können (BGE 123 IV 254 E. 1; BGE 122 IV 139 E. 3b). Im konkreten Fall stehen keine zivilrechtlichen, sondern einzig öffentlich-rechtliche Ansprüche des Opfers gegen den Kanton Zürich in Frage (§ 9 und § 10 Haftungsgesetz/ZH). Der Beschwerdeführer ist daher vorliegend zur Erhebung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt.
12
4. a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 278 Abs. 1 BStP). Er hat indessen ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt. Gemäss Art. 152 OG gewährt das Bundesgericht einer bedürftigen Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, die Befreiung von der Zahlung der Gerichtskosten. Bedürftig ist ein Gesuchsteller, der die Leistung der erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur erbringen kann, wenn er die Mittel angreift, die er zur Deckung des Grundbedarfs für sich und seine Familie benötigt (BGE 124 I 1 E. 2a). Grundsätzlich obliegt es dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen und soweit wie möglich zu belegen. Dabei dürfen umso höhere Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen Situation gestellt werden, je komplexer BGE 125 IV, 161 (165)die finanziellen Verhältnisse sind (BGE 120 Ia 179 E. 3a). Aus den eingereichten Belegen muss auf jeden Fall der aktuelle Grundbedarf des Gesuchstellers hervorgehen. Die Belege haben zudem über sämtliche finanzielle Verpflichtungen des Gesuchstellers sowie über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Aufschluss zu geben. Wenn der Gesuchsteller seinen Obliegenheiten nicht nachkommt, ist das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen.
13
b) Die Anträge des Beschwerdeführers waren nicht von vornherein aussichtslos. Mit Schreiben vom 27. April 1999 wurde er zur Einreichung von Belegen bezüglich der Nachweisung der Bedürftigkeit und seiner Lebenskosten aufgefordert, worauf er zwar lediglich den Unterstützungsbescheid der Fürsorgebehörde und das Berechnungsblatt zur Bemessung der Sozialhilfe des Monats März 1999 einreichte. Aufgrund dieser Angaben kann aber von der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Allerdings kann die unentgeltliche Rechtspflege wegen der Unvollständigkeit der eingereichten Belege nur mit Bedenken bewilligt werden. Auf eine Kostenauflage ist demnach zu verzichten, und dem Vertreter des Beschwerdeführers ist für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse eine angemessene Entschädigung auszurichten.
14
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).