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Informationen zum Dokument  BGE 122 IV 162  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. a) Kommt - wie im vorliegenden Fall (Betrug, Urkundenfäls ...
2. a) Die Bestimmung des Gerichtsstandes in Anwendung der Art. 34 ...
3. a) Die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich ist in ihre ...
4. a) Die Bank L. Ltd. bzw. die W. Bank Ltd. waren nach den vorli ...
5. Die durch P. erstellte Bestätigung war dazu bestimmt, ein ...
6. a) Nach dem Gesagten kommt in bezug auf den Beschuldigten P. e ...
7. Nachdem wie oben ausgeführt davon auszugehen ist, dass de ...
8. a) Aus diesen Gründen ist das Gesuch nur teilweise gutzuh ...
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24. Urteil der Anklagekammer vom 2. April 1996 i.S. Bank E. AG gegen Staatsanwaltschaften der Kantone Zürich und Basel-Stadt
 
 
Regeste
 
Art. 3, 6, 346, 348 StGB. Schweizerische Gerichtsbarkeit; Bestimmung des Gerichtsstandes für Auslandstat.  
Die Bestimmung des Gerichtsstandes gemäss Art. 346 ff. StGB setzt voraus, dass die schweizerische Strafgerichtsbarkeit nach den Art. 3 bis 7 StGB jedenfalls nicht offensichtlich auszuschliessen ist. Der endgültige Entscheid über die Frage der schweizerischen Strafgerichtsbarkeit bleibt vorbehalten und unterliegt nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts (E. 2).  
Erachtet sich ein Kanton als nicht zuständig, so hat er mit dem als zuständig in Betracht fallenden Kanton einen Meinungsaustausch durchzuführen (E. 3).  
Kommt bei einer in Frage stehenden Mitwirkung Mittäterschaft zumindest in Frage, so ist für die Bestimmung des Gerichtsstandes von dieser schwereren Teilnahmeform auszugehen (E. 4b).  
Die schweizerische Gerichtsbarkeit für einen Schweizer, der an einem im Ausland verübten Betrug mitgewirkt hat und sich in der Schweiz aufhält, bestimmt sich nach Art. 6 StGB (E. 4c); der Gerichtsstand ergibt sich in diesem Fall aus Art. 348 StGB (E. 4d).  
Gerichtsstand bei Urkundenfälschung (E. 5).  
Kostenfolgen für die kantonale Behörde (E. 8b).  
 
Sachverhalt
 
BGE 122 IV, 162 (163)Am 2. März 1994 erstattete die (1993 aus der Fusion der W. Bank AG, Zürich, und der Bank E. AG, Bern, hervorgegangene) Bank E. AG mit Hauptsitz in Bern und Sitz in Zürich (und in Genf und London) als Geschädigte bei der Bezirksanwaltschaft Zürich Strafanzeige wegen Kreditbetruges und Urkundenfälschung gegen A., C. AG und P. Die Anzeigerin machte geltend, sie habe durch ihre damalige englische Tochtergesellschaft Bank L. Ltd. bzw. W. Bank Ltd. in London in den Jahren 1990 und 1991 A. und der von ihm beherrschten Firma T. Ltd. Kredite gewährt, welche durch das durch die BGE 122 IV, 162 (164)liechtensteinische Firma C. AG, Vaduz, als Treuhänderin angeblich verwaltete bedeutende Vermögen von A. gesichert waren. Die Richtigkeit des Verzeichnisses des Trustvermögens sowie dessen Vorhandensein wurde kurz darauf anlässlich der Übernahme der Bank L. Ltd. durch die W. Bank Ltd. durch die Organe der Firma C. AG und P., Basel, schriftlich bestätigt. Der zunächst der Firma T. Ltd. gewährte Kredit von GBP 1'500'000.-- wurde am 15. Mai 1991 in einen an A. persönlich gewährten Kredit umgewandelt; er wurde nie zurückbezahlt. In der Folge stellte sich heraus, dass die vorliegenden Bestätigungen grösstenteils falsch und das angeblich als Sicherheit eingesetzte Vermögen nicht vorhanden bzw. die vorhandenen Aktiven anderweitig und zum Teil mehrfach verpfändet waren. Das in der Folge eingeleitete Konkursverfahren gegen A. wurde am 24. April 1995 formell abgeschlossen, ohne dass einem Gläubiger Zahlungen ausgerichtet werden konnten.
1
Die örtliche Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich begründete die Anzeigerin damit, dass der Erfolg der betrügerischen Handlungen bei ihrer Rechtsvorgängerin, d.h. der W. Bank AG, in Zürich eingetreten sei, da die W. Bank Ltd. seit 31. Dezember 1991 deren Zweigniederlassung gewesen sei.
2
Mit Verfügung vom 22. Juli 1994 stellte die Bezirksanwaltschaft Zürich mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 26. Juli 1994 die Untersuchung ein. Die Einstellungsverfügung wird damit begründet, dass sich die in Frage stehenden Kreditgewährungen sowie die Auszahlung der Kredite vollumfänglich im Ausland abgespielt hätten, mithin auch allfällige betrügerische Handlungen, die letztlich zur Gewährung der Kredite geführt hätten, ausschliesslich im Ausland verübt worden seien. Jedenfalls seien keinerlei mögliche betrügerische Handlungen nachgewiesen, die in Zürich begangen worden sein könnten. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass bei Auszahlung des Kredites die Geschädigte noch überhaupt keine Beziehung zur Bank L. Ltd. gehabt habe, da diese zu jenem Zeitpunkt weder eine Tochtergesellschaft noch eine Zweigniederlassung der Geschädigten gewesen sei; auch nach der Übernahme der Bank L. Ltd. durch die W. Bank Ltd. sei diese immer noch eine Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London gewesen. Sämtliche Schreiben der Firma C. AG sowie des Beschuldigten P. bezüglich der Sicherheiten seien von Liechtenstein und Basel an die W. Bank Ltd. nach London gesandt worden. Mangels örtlicher Zuständigkeit der zürcherischen Strafverfolgungsbehörden sei die Untersuchung daher definitiv einzustellen.
3
BGE 122 IV, 162 (165)Gegen diese Einstellungsverfügung richtete die Anzeigerin am 15. August 1995 einen Rekurs an die Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
4
Am 17. September 1994 reichte die Bank E. AG, Zürich, unter Hinweis auf ihren Rekurs an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ihre Strafanzeige auch noch bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt ein.
5
Mit Beschluss vom 22. September 1994 stellte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt die Untersuchung gegen die Beanzeigten ein, weil in der genau gleichen Sache seit dem 3. März 1994 bei den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich bereits ein Verfahren hängig sei.
6
Einen gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs wies der Vorsitzende der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt am 9. März 1995 ab. Der Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen.
7
Am 28. November 1995 wies die Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich den bei ihr eingereichten Rekurs der Bank E. AG ab. In der Begründung prüfte die Staatsanwaltschaft zunächst die Frage der schweizerischen Gerichtsbarkeit aufgrund der Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 StGB, welche sie verneinte; der einzig denkbare Anknüpfungspunkt für eine in der Schweiz durchzuführende Strafuntersuchung befinde sich im Kanton Basel-Stadt, wo der ebenfalls beanzeigte P. domiziliert sei; es erscheine daher angezeigt, die Anzeige mit den Beilagen zur weiteren Veranlassung der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt weiterzuleiten. Der Entscheid ist rechtskräftig.
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Auf eine gestützt auf diesen Entscheid erfolgte Anfrage vom 25. Januar 1996 teilte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt der Bank E. AG am 31. Januar 1996 mit, in ihrem Kanton sei gegen P. keine Strafuntersuchung hängig; das Verfahren sei mit der Anzeige 1994 in Zürich eingeleitet worden; weder durch die Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft noch durch den Entscheid der Staatsanwaltschaft habe ein neuer Gerichtsstand begründet werden können.
9
Mit Urteil vom 6. Oktober 1995 erachtete das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt, dass die von P. abgegebene - falsche - schriftliche Bestätigung massgebend für die Kreditgewährung an A. gewesen sei und verurteilte P. zur Entrichtung einer - wegen Selbstverschuldens der kreditgewährenden Bank um einen Drittel - reduzierten Schadenersatzzahlung von GBP 1'000'000.--, nebst Zins von 9% seit 17. Mai 1991, an die Bank E. AG.
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BGE 122 IV, 162 (166)Mit Gesuch vom 8. Februar 1996 beantragt die Bank E. AG, entweder die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt oder die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zur Anhandnahme der Strafanzeige und Durchführung der Strafuntersuchung zu verpflichten.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erachtet sich als nicht zuständig; aufgrund der gesamten Sachlage erscheine es als angezeigt, das Strafverfahren in Basel durchzuführen, wo der beanzeigte Anwalt Wohnsitz habe.
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Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt beantragt, die Behörden des Kantons Zürich für die Durchführung der Strafuntersuchung zuständig zu erklären.
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Nach den Angaben im Gesuch führen die englischen Behörden seit 1993 eine Strafuntersuchung gegen A., in deren Verlauf auch P. durch die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt rogatorisch einvernommen worden sei.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
 
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b) Wie dem (nicht rechtskräftigen) Urteil des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Oktober 1995 entnommen werden kann, hat die Gesuchstellerin in jenem Verfahren rechtsgenügend belegt, dass sie sämtliche Aktiven und Passiven der Bank L. Ltd. bzw. der W. Bank Ltd. übernommen hat, womit letztere eine Zweigniederlassung der Gesuchstellerin geworden ist. Sie kann daher ohne weiteres als die durch die angezeigten Betrugshandlungen Geschädigte bezeichnet werden und ist damit legitimiert, an die Anklagekammer des Bundesgerichts zu gelangen.
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c) Die Anklagekammer des Bundesgerichts ist befugt, kantonale Unzuständigkeitsentscheide, die in Verletzung der eidgenössischen Bestimmungen über den interkantonalen Gerichtsstand ergangen sind, aufzuheben (BGE 78 IV 246 E. 3). Der Aufhebung unterliegen auch rechtskräftige kantonale Einstellungsentscheide; die Aufhebung muss dabei nicht ausdrücklich verlangt werden (vgl. BGE 79 IV 51 E. 1).
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BGE 122 IV, 162 (167)2. a) Die Bestimmung des Gerichtsstandes in Anwendung der Art. 346 ff. StGB setzt immer voraus, dass für die in Frage stehende Tat das Schweizerische Strafgesetzbuch anwendbar, d.h. die schweizerische Gerichtsbarkeit gegeben ist (BGE 108 IV 145 E. 2). Wenn dies aufgrund der Art. 3-7 StGB der Fall ist, so muss es für diese Tat auch einen schweizerischen Gerichtsstand geben (BGE 119 IV 113 E. 1d); erst für die Bestimmung des letzteren kommen die Art. 346 ff. StGB über die örtliche Zuständigkeit zur Anwendung.
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b) Verneint eine schweizerische Strafverfolgungsbehörde gestützt auf die Art. 3-7 StGB die schweizerische Gerichtsbarkeit und erklärt sie sich mit dieser Begründung für unzuständig, kann dieser Entscheid nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nur mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts weitergezogen werden (vgl. SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, N. 45; BGE 102 IV 35 E. 2a mit Hinweis; BGE 78 IV 246 E. 3 in fine). Ein solcher Entscheid liegt im vorliegenden Fall indessen nicht vor (vgl. E. 3a).
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c) Fehlt im Falle eines Gerichtsstandskonfliktes die schweizerische Gerichtsbarkeit aufgrund einer vorläufigen Prüfung nicht offensichtlich und bestimmt die Anklagekammer des Bundesgerichts im Verfahren nach Art. 351 StGB bzw. Art. 264 BStP in der Folge einen schweizerischen Gerichtsstand, so bleibt der endgültige Entscheid über die Frage der schweizerischen Gerichtsbarkeit den kantonalen Behörden bzw. auf eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hin dem Kassationshof des Bundesgerichts vorbehalten, denn der Entscheid der Anklagekammer ist für die kantonalen Behörden nur hinsichtlich des Gerichtsstandes verbindlich (vgl. BGE 91 IV 54).
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3. a) Die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich ist in ihrer Einstellungsverfügung nach der Feststellung, dass sich allfällige betrügerische Handlungen vollumfänglich im Ausland abgespielt hätten und alle Schreiben der Firma C. AG und des Beschuldigten P. bezüglich Sicherheiten von Liechtenstein und Basel aus nach London gesandt worden seien, zum Schluss gekommen, jedenfalls begründe dies im Kanton Zürich keinen Gerichtsstand. Sie hat damit die Frage der schweizerischen Gerichtsbarkeit mit der Frage des Gerichtsstandes vermischt. Noch deutlicher kommt dies im Rekursentscheid der Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zum Ausdruck, die die schweizerische Gerichtsbarkeit ausdrücklich und ausschliesslich aufgrund der Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 StGB geprüft hat. Die Rekurskommission hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, getäuscht werden im Sinne von Art. 148 BGE 122 IV, 162 (168)aStGB bzw. Art. 146 nStGB könnten im Zusammenhang mit der in Frage stehenden Kreditgewährung nur natürliche Personen, die sich indessen nach der Darstellung der Rekurrentin allesamt in England befunden hätten. Damit hat sie die schweizerische Gerichtsbarkeit verneint und folgerichtig in der Rechtsmittelbelehrung allein auf die Möglichkeit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts hingewiesen.
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In der Begründung führte die Rekurskommission dann aber im Widerspruch zu diesem Ergebnis weiter aus, versandt worden seien die inkriminierten Unterlagen in England, Liechtenstein und Basel; damit lägen sowohl der Begehungs- wie auch der Erfolgsort der von der Rekurrentin behaupteten Delikte ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches der Zürcher Behörden. Im Zusammenhang mit Erwägung D ging die Rekurskommission somit - trotz der in Erwägung A grundsätzlich vorgenommenen Beschränkung auf die Art. 3 und 7 StGB - davon aus, die schweizerische Gerichtsbarkeit - und zwar jene des Kantons Basel-Stadt - sei gegeben, nicht aber diejenige des Kantons Zürich. In ihrer Vernehmlassung im vorliegenden Verfahren führt sie zudem aus: "Begehungsort ist Basel, Erfolgsort Zürich"; auch daraus ist ersichtlich, dass sie die schweizerische Gerichtsbarkeit grundsätzlich als gegeben erachtet. Sie kam denn auch bereits in ihrem Rekursentscheid zum Schluss, die Strafanzeige sei "zur weiteren Veranlassung" an die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt weiterzuleiten.
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b) Dem Advokaten P. wird in der Anzeige Urkundenfälschung sowie wissentliches und willentliches Mitwirken an den Betrugshandlungen von A. vorgeworfen. Bereits die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich ging in ihrer Einstellungsverfügung davon aus, dass das Schreiben des Angeschuldigten P. von Basel aus nach London gesandt wurde. Diese Bestätigung lag gemäss Anzeige derselben bei. Da es sich bei den zur Anzeige gebrachten strafbaren Handlungen um Offizialdelikte handelt, wäre die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich, die sich zur Anhandnahme dieser Strafsache als nicht zuständig erachtete, unter diesen Umständen verpflichtet gewesen, vorerst von der Ausfällung eines Unzuständigkeits- bzw. Einstellungsentscheides abzusehen und zunächst mit den Behörden des offensichtlich als zuständig in Betracht kommenden Kantons Basel-Stadt einen Meinungsaustausch über die Frage des Gerichtsstandes durchzuführen. Die Gesuchstellerin hat dies in ihrer bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt am 17. September 1994 eingereichten Strafanzeige zu Recht auch geltend gemacht. Auch der Vorsitzende der Überweisungsbehörde BGE 122 IV, 162 (169)des Kantons Basel-Stadt führt in seinem Rekursentscheid zutreffend aus, dass es hinsichtlich des Gerichtsstandes des forum praeventionis Pflicht der Behörden des Kantons Zürich sei, den Gerichtsstand abzuklären und mit den ihrer Meinung nach zuständigen Stellen eines anderen Kantons in Verbindung zu treten.
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4. a) Die Bank L. Ltd. bzw. die W. Bank Ltd. waren nach den vorliegenden Akten im Zeitpunkt der Täuschungshandlungen sowie der schädigenden Kreditgewährung, d.h. in den Jahren 1990 und 1991, beide Gesellschaften englischen Rechts mit Sitz in London. In bezug auf den angezeigten Betrug ist mit der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich daher davon auszugehen, dass der Hauptbeschuldigte A. die betrügerischen Handlungen in London ausgeführt hat, wo auch die schriftlichen Bestätigungen betreffend das Trust-Vermögen vorgelegt und die verantwortlichen Personen der beiden Banken getäuscht wurden; daran ändert nichts, dass die Rechtsvorgängerin der Gesuchstellerin, die W. Bank AG (Zürich) bei den Übernahmen mitwirkte. Da auch die Kreditauszahlung offenbar in London erfolgte, ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass auch der Erfolg der betrügerischen Handlungen im Ausland eingetreten ist. Es ist daher zu prüfen, ob sich die schweizerische Gerichtsbarkeit für diese Auslandstat aufgrund des somit einzig in Frage kommenden Art. 6 StGB ergibt, da die Beschuldigten A. und P. Schweizer sind.
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b) P. wird in der Anzeige eine Mitwirkung an den durch den Beschuldigten A. in London verübten Betrügen vorgeworfen, und zwar soll diese Mitwirkung bereits 1987 im Zusammenhang mit der "Errichtung der Treuhänderschaft" oder sogar früher eingesetzt haben; auch soll er u.a. für das Zustandekommen der ebenfalls unwahren Erklärung der Firma C. AG massgeblich verantwortlich gewesen sein; verschiedene Zahlungen der Firma C. AG an den Beschuldigten A. seien erst nach Zustimmung des Beschuldigten P. ausgeführt worden. Unter diesen Umständen kommt es zumindest in Frage, dass die mutmassliche Teilnahme des Beschuldigten P. an der betrügerischen Krediterlangung des Beschuldigten A. als Mittäterschaft zu qualifizieren ist, weshalb für die Beurteilung des vorliegenden Falles von dieser (vertretbaren) schwereren Teilnahmeform auszugehen ist (vgl. SCHWERI, a.a.O., N. 221). Dabei ist festzuhalten, dass sich für einen Teil dieser vorgeworfenen Handlungen zumindest im vorliegenden Verfahren nicht bestimmen lässt, wo sie ausgeführt wurden.
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BGE 122 IV, 162 (170)c) Einfacher Betrug ist mit Freiheitsstrafe im Höchstmass von mehr als einem Jahr bedroht. Da das schweizerische Recht (d.h. Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG) für dieses Delikt somit die Auslieferung zulässt und sich der Beschuldigte P. in der Schweiz befindet, ist die schweizerische Gerichtsbarkeit für diesen aufgrund von Art. 6 StGB gegeben, ohne dass dazu ein Übernahmebegehren des ausländischen Tatortstaates erforderlich wäre (BGE 119 IV 113 E. 1e und 2a). Wenn Art. 6 die Anwesenheit des Täters in der Schweiz verlangt, so wollte der Gesetzgeber dadurch u.a. parallele Strafverfahren am ausländischen Begehungsort und in der Schweiz verhindern (vgl. SCHWERI, a.a.O., N. 48). Dass letzteres der Fall wäre, wird nicht behauptet; im übrigen ergeben sich auch aus den vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass in England (auch) gegen den Beschuldigten P. eine Strafuntersuchung geführt wird. Als Schweizer hat dieser für eine im Ausland verübte Tat im übrigen ohnehin stets Anspruch auf (Neu-)Beurteilung durch ein schweizerisches Gericht (vgl. BGE 108 IV 81 E. 1b und c).
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Nicht in Frage kommt hingegen die schweizerische Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 6 StGB für den Beschuldigten A., der unbekannten Aufenthaltes ist; es ergeben sich jedenfalls aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser einen Wohnsitz in der Schweiz hat oder sich hier aufhält.
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d) Ist somit für die dem Beschuldigten P. vorgeworfene Mitwirkung an den in Frage stehenden Betrugshandlungen des Hauptbeschuldigten A. die schweizerische Gerichtsbarkeit nach dem Gesagten jedenfalls nicht auszuschliessen, so muss für diese in der Schweiz auch die Strafverfolgung eingeleitet werden können. Aus diesem Grund schreibt Art. 348 StGB einen schweizerischen Gerichtsstand auch für Fälle vor, in denen die strafbare Handlung im Ausland verübt worden ist (vgl. BGE 82 IV 65 E. 3).
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Gesetzlicher Gerichtsstand ist in diesem Fall gemäss Art. 348 StGB der Kanton Basel-Stadt, wo der Beschuldigte gemäss Anzeige wohnt.
29
5. Die durch P. erstellte Bestätigung war dazu bestimmt, eine Garantie für die angeblich durch den Beschuldigten A. treuhänderisch auf die Firma C. AG übertragenen Sicherheiten abzugeben, und soll durch den Beschuldigten P. als "Protektor" dieses Trusts unterzeichnet worden sein. Eine Urkundenfälschung kommt in diesem Zusammenhang jedenfalls zumindest in Frage. Da die fragliche Bestätigung als Ausstellungsort Basel angibt, ist davon auszugehen, dass sie auch dort geschrieben und unterzeichnet wurde. Soweit dem Beschuldigten P. im Zusammenhang mit dem durch A. angeblich BGE 122 IV, 162 (171)begangenen Kreditbetrug eine Urkundenfälschung vorgeworfen wird, so wurde diese offensichtlich in Basel ausgeführt. Die schweizerische Gerichtsbarkeit ergibt sich damit aus Art. 3 Ziff. 1 StGB. Auch in bezug auf dieses Delikt ist der gesetzliche Gerichtsstand gemäss Art. 346 Abs. 1 StGB somit Basel-Stadt.
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b) Irgendwelche im Kanton Zürich erfolgte Ausführungshandlungen ergeben sich nicht aus den der Anklagekammer zur Verfügung stehenden Akten. Als schweizerischer gesetzlicher Gerichtsstand kommt daher nur der Kanton Basel-Stadt in Frage.
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b) Damit erübrigt es sich, den zu Unrecht getroffenen Entscheid der Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich formell aufzuheben. Da die Rekurskommission indessen angesichts der von ihr selber erkannten Möglichkeit der Zuständigkeit der Behörden des Kantons Basel-Stadt den bei ihr eingereichten Rekurs nicht hätte abweisen dürfen, sondern diesen hätte gutheissen und die Sache zur Durchführung eines Meinungsaustausches an die Bezirksanwaltschaft zurückweisen müssen, hat sie das vorliegende Verfahren unnötigerweise verursacht und daher die Gesuchstellerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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1. Das Gesuch wird teilweise gutgeheissen.
37
2. Der Rekursentscheid des Vorsitzenden der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 9. März 1995 sowie der Beschluss der BGE 122 IV, 162 (172)Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 22. September 1994 werden aufgehoben.
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3. Die Behörden des Kantons Basel-Stadt werden berechtigt und verpflichtet erklärt, die dem Angeschuldigten P. gemäss Anzeige der Geschädigten vom 2. März 1994 zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
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